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Freude auf Bremer Art. Werders Trainer Florian Kohfeld hatte nichts von einem triumphalen Sieger. Er wirkte nach der Relegation müde und ausgelaugt.
© Tom Weller/dpa

Nach dem Klassenerhalt in der Bundesliga: Werder Bremen befindet sich auf dem Hamburger Weg

Eine erfolgreiche Relegation kann auch ein Wendepunkt sein – bei Werder Bremen aber könnte das schwierig werden. Eine Analyse.

Vor dem vielleicht wichtigsten Spiel seiner noch jungen Karriere hat Florian Kohfeldt eine strategische Entscheidung getroffen, die schlimme Folgen hätte haben können. Zum Relegationsrückspiel beim 1. FC Heidenheim hatte sich der Trainer von Werder Bremen fabrikneue Schuhe angezogen. Als er kurz vor Schluss, nach dem Tor zum beruhigenden 2:1 für seine Mannschaft, mal eben locker flockig über den Rasen rutschen wollte, riss es ihm die Beine weg. „Ich habe mich stumpf auf die Fresse gelegt“, berichtete Kohfeldt später. Aber er stand wieder auf und blieb offenkundig unverletzt.

Es war das passende Bild zu einer Spielzeit, die Kohfeldt selbst als „Katastrophensaison“ bezeichnete. Werder Bremen hat sich, nicht nur einmal, lang hingelegt und sich erst durch die beiden Unentschieden (0:0 und 2:2) in der Relegation gerade noch rechtzeitig wieder aufgerappelt. Das Schlimmste – den ersten Abstieg nach 40 Jahren – hat die Mannschaft verhindert. Aber wie schwer die Verletzungen sind, die der Klub sich dabei zugezogen hat, das wird man vielleicht erst in einigen Monaten feststellen.

Bleibt Kohfeldt Trainer in Bremen oder wechselt er nach Hoffenheim?

Der Abstiegskampf, der noch vor wenigen Wochen aussichtslos und verloren schien, hat an allen Beteiligten gezehrt. Als Kohfeldt am Montagabend zur Pressekonferenz erschien, wirkte er nicht wie ein triumphaler Sieger. Er sah müde und abgekämpft aus.

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„Es kann kein ,Weiter so’ geben, und es wird kein ,Weiter so’ geben“, sagte der 37-Jährige. Ob das auch für seine Tätigkeit bei Werder gilt, ließ er weiter offen. Man werde in den nächsten Tagen besprechen, was das Beste für Werder sei, sagte Kohfeldt. Der Verein ist weiterhin davon überzeugt, dass es das Beste wäre, wenn er bliebe und seinen Vertrag (bis 2023) erfüllte. Aber ist auch Kohfeldt davon überzeugt? Oder glaubt er, dass es für seine Karriere womöglich besser wäre, Trainer bei der TSG Hoffenheim zu werden, die offenbar um ihn buhlt?

Davon hängt bei Werder einiges ab: zum Beispiel wie schnell der Klub, der mit seiner Solidität einmal stilbildend war für die ganze Liga, seine innere Ruhe wiederfindet; ob er von der Grenzerfahrung Relegation profitieren kann, so wie es auch andere Vereine getan haben – oder ob der Abstiegskampf in der neuen Saison einfach ungebremst fortgesetzt wird. Die Frage lautet: Geht Werder künftig den Gladbacher oder den Hamburger Weg?

Eine erfolgreiche Relegation kann auch ein Wendepunkt sein

Dass eine erfolgreiche Relegation auch ein Wendepunkt sein kann, hat Borussia Mönchengladbach 2011 bewiesen. Die Mannschaft setzte sich damals denkbar knapp (1:0, 1:1) gegen den VfL Bochum durch – und schaffte es im Jahr darauf gleich bis in die Play-offs für die Champions League. Noch heute gilt die Relegation den Gladbachern als eine Art Erweckungserlebnis. „Für uns war die Relegation damals ein Geschenk“, hat Max Eberl, Borussias Sportdirektor, vor kurzem bei „Sky 90“ erzählt. „Der ganze Klub ist in dieser Zeit zusammengewachsen, die Mitarbeiter, die Fans, die Mannschaft an sich. Für uns war das definitiv ein Kickstart. Ein wichtiger Grund, warum wir inzwischen da sind, wo wir stehen.“

Eintracht Frankfurt und der VfL Wolfsburg haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Frankfurter erreichten ein Jahr nach der Relegation gegen Nürnberg (2016) das DFB-Pokalfinale, Wolfsburg musste gleich zweimal gegen den Dritten der Zweiten Liga antreten (2017, 2018) und hat seitdem zweimal die Qualifikation für den Europapokal geschafft. Aber allein mit dem Gefühl, gemeinsam etwas geschafft zu haben, ist es nicht getan. Der Hamburger SV setzte sich auch zweimal hintereinander in der Relegation durch – und stieg drei Jahre später trotzdem ab.

Ein gewisses spielerisches Potenzial ist schon vonnöten, um sich dauerhaft in andere Tabellenregionen vorzuarbeiten. Die Gladbacher hatten 2011 mit Marco Reus, Marc-André ter Stegen, Dante oder Juan Arango einen Kader, der eigentlich gar nicht in Abstiegsgefahr hätte kommen dürfen. Beim VfL Wolfsburg mit seinem finanziellen Background durch den VW-Konzern sieht es ähnlich aus.

Werder Bremen aber verfügt weder finanziell noch sportlich über vergleichbare Möglichkeiten. Milot Rashica, zumindest in der Vorrunde noch eine positive Erscheinung, gilt als Wechselkandidat, an dem vor allem Rasenballsport Leipzig interessiert ist. Sein Verkauf würde dem Klub zumindest eine stattliche Ablöse einbringen.

Ein Großteil davon ist allerdings schon jetzt verplant – für Spieler, die längst da sind und die Werder nun fest verpflichten muss. Für Leonardo Bittencourt und Ömer Toprak werden rund elf Millionen Euro Ablöse fällig. Viel Geld wird den Bremern also nicht zur Verfügung stehen, um sich zur neuen Saison zu verstärken. Dabei wäre das zwingend nötig.

Kein Bundesligist hat so viele Feldspieler unter Vertrag, die 30 Jahre oder älter sind wie Werder. Der Kader ist zu alt, zu langsam und zu wenig kreativ. Wahrscheinlich träumen sie daher in Bremen schon vor einer Rückkehr von Max Kruse. Von der Altersstruktur würde er perfekt passen. Kruse ist 32.

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