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Auf Abstand gehen: Dann ist auch gemeinsames Laufen kein Problem.
© Imago

Kolumne „Losgelaufen“: Wer läuft, ist noch lange keine „Virenschleuder“!

Die Angst vor Läuferinnen und Läufern als Ansteckungsquelle geht immer noch um. Unsere Autorin tritt der Verunsicherung entgegen – will aber Rücksicht nehmen.

Jeannette Hagen ist freie Autorin in Berlin, Sportlehrerin und Läuferin. Hier schreibt sie im Wechsel mit Radsporttrainer Michael Wiedersich.

Und, ist es Ihnen auch schon passiert, dass Sie während des Laufens von Spaziergängern oder Passanten als „Virenschleuder“ beschimpft wurden? Offenbar geht bei vielen immer noch die Angst um, Läufer oder Läuferinnen könnten durch die erhöhte Atemfrequenz und das oft hörbare Atmen, eine Ansteckungsquelle sein. Manche fordern trotz der einsetzenden Lockerungen immer noch ein Verbot beziehungsweise die Einschränkung des Laufsports im öffentlichen Raum.

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Um solchen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, habe ich meine Laufeinheiten seit zwei Monaten komplett in den Wald verlegt. Ich bemühe mich, auf Wegen zu laufen, die eher selten frequentiert werden, und weiche Spaziergängern in einem angemessen großen Radius aus.

Trotzdem musste ich mich neulich anmaulen lassen, weil das einer Frau nicht reichte. Links und rechts gab es allerdings auch keinen Platz mehr für mich – ich hätte ins Wasser oder über ihren Border Collie springen müssen, um den Abstand zu vergrößern.

Irgendwie liegen bei vielen die Nerven blank. Und natürlich merke ich auch, dass ich dünnhäutiger bin, dass das Leben mit dieser Pandemie anders ist und mir die Veränderungen einiges abverlangen. Homeoffice mit Kindern, keine Veranstaltungen, die Freizeitaktivitäten auf ein Minimum reduziert. Da ist das Laufen für mich trotz der Motivationsschwankungen nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern schlichtweg eine der wenigen Möglichkeiten, mal für mich zu sein und Stress abzubauen.

Sitzt, läuft, schreibt: Jeannette Hagen ist freie Autorin in Berlin, Sportlehrerin und Läuferin.
Sitzt, läuft, schreibt: Jeannette Hagen ist freie Autorin in Berlin, Sportlehrerin und Läuferin.
© Promo

Dass Läufer und Läuferinnen eine Aerosolfahne hinter sich herziehen und diese, wenn sie dann infiziert sind, potentielle Ansteckungsquelle sein kann, ist bisher nicht nachgewiesen beziehungsweise umstritten. Experten raten trotzdem dazu, dass Läufer einen Mindestabstand von zehn bis 15 Metern zu anderen Läufern einhalten sollten, wenn sie direkt hintereinander laufen. Laufen sie versetzt, ändert sich das sofort. Laufen sie nebeneinander, reicht der Abstand von 1,5 Metern.

Wohlgemerkt geht es hier um Sportler, die miteinander trainieren. Nicht um den Abstand zwischen Läufern und Spaziergängern. Das ist in etlichen Interpretationen der Studie um die Wissenschaftler der Universitäten Eindhoven und Leuven leider untergegangen und hat viele verunsichert, die nun in jedem Läufer, der entgegenkommt oder überholt, einen potentiellen Gefährder sehen.

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Dabei ist die Gefahr, sich in einem geschlossenen Raum anzustecken, um ein Vielfaches höher, als die ausgeatmeten Tröpfchen eines Läufers an der frischen Luft einzuatmen, weil die Aerosole in Räumen länger in der Luft verbleiben. Trotzdem will ich nichts kleinreden. Auch Ängste haben ihre Berechtigung, und im Sinne der Gemeinschaft können wir uns alle bemühen, auf den anderen Rücksicht zu nehmen.

Ich für meinen Teil laufe weiter im Wald, suche mir Zeiten aus, in denen wenig los ist, und wenn es wirklich mal eng wird, unterbreche ich auch gern kurz, drehe den Kopf zur Seite und lasse den anderen oder die andere vorbei. Bis auf die eine Begegnung war das bisher eine gute Lösung.

Jeannette Hagen

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