Joachim Löw, der Meister des Vielleicht: Wenn er nicht so halsstarrig wäre, würde er Jerome Boateng zurückholen
Der Fußball-Bundestrainer spricht nicht gern über Fehler – schon gar nicht über die eigenen. Erklärungen muss der Fan sich selbst suchen. Ein Kommentar.
Ihn halsstarrig zu nennen, ist wohl nicht übertrieben. Joachim Löw, lange schon nicht mehr der nette Jogi, sondern der schnöden Welt entrückter Fußball-Bundestrainer, ist keiner, der gern über Fehler spricht. Schon mal gar nicht über seine eigenen.
Coachingfehler? Nicht doch. Dass er zum Beispiel gegen Spanien leblos auf der Bank saß, nichts machte, nicht wenigstens von außen den „Emotional Leader“ zu ersetzen versuchte, den seine Elf auf dem Feld so überdeutlich erkennbar nicht hatte - kein Wort der Erklärung dazu. Die muss der Fan sich selbst suchen.
Vielleicht hat der Trainer einen Spanienkomplex? In diesen Spielen jedenfalls hat es den Eindruck, als könne Löw einfach kein Konzept finden, wie hypnotisiert wirkt er da. Oder: Matchplan? Vielleicht, nur kennen den die Wenigsten. Die Spieler offenbar nicht. Und das war in vielen zurückliegenden Spielen der Fall. Löw, der Meister des Vielleicht.
Umso mehr überrascht, dass einer, den der Bundestrainer in der ihm eigenen Weise, mithin eher weniger zugewandt, als Spieler aussortiert hat, so redet: „Ich freue mich, dass Jogi weitermachen darf. Er hat sich dieses Vertrauen in ihn in der Vergangenheit verdient“, sagt Jerome Boateng. Obwohl... Was wie eine Unterstützung klingt, liest sich - hintersinnig.
Löws Ruhm ist verblasst
Kein Wunder, dass in zurückliegenden Zeiten, denen nach Philipp Lahm, mancher in Boateng einen Nationalmannschaftskapitän sah. Wenn auch bedauerlicherweise nicht Löw oder der damalige DFB-Präsident Reinhard Grindel. Aber Boatengs Hinweis auf die Vergangenheit hat schon was. Sechs Jahre ist es nämlich her, dass „die Mannschaft“ Weltmeister wurde.
(Übrigens aus einer - damals - stabilen Defensive mit angetrieben von eben jenem Boateng, und besonders vom Großmeister der „Emotional Leader“, Bastian Schweinsteiger. Ohne den gäbe es heute das, was Löw überhaupt noch im Amt hält, nicht: den höchsten Titel.) Der Ruhm ist verblasst. Er muss in der Zukunft, im Jahr 2021, bei der EM neu errungen werden - und dafür hat Boateng Druck aufgebaut.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Wenn als hintersinnige Aussage gewollt: grenzgenial. Wenn vor allem nett gemeint: auch gut. Dann zeigt dieser Spieler doch in jedem Fall Format. Ein guter Sportsmann und Typ zu sein hatte ihm, nur als kleine Erinnerung, immer Mesut Özil bescheinigt, den Boateng auch gegen viele Angriffe verteidigt hat.
Was, beides und je für sich, durchaus Gründe sein könnten, Boateng zurückzuholen. Wenn Löw nur nicht so halsstarrig wäre. Und Fehler sowohl zugeben als auch korrigieren wollte.