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Valentino Lazaro, 22, hat sich in seinem ersten Jahr bei Hertha BSC schnell zum Stammspieler entwickelt, fällt gegen Deutschland aber verletzt aus.
©  Tony O'Brien/Reuters

Valentino Lazaro von Hertha BSC: „Wenn die WM losgeht, wird es wehtun“

Österreichs Nationalspieler Valentino Lazaro über das verpasste Turnier in Russland, das Testspiel gegen Deutschland und wie ihn das erste Jahr bei Hertha BSC weitergebracht hat.

Herr Lazaro, erst WM-Ausrichter Russland, dann Weltmeister Deutschland und zum Abschluss Rekordweltmeister Brasilien. Sind die aktuellen Länderspiele der Nationalmannschaft eine Art Ersatz-WM für Österreich?

Wenn man es so nennen will … (lacht) Auf jeden Fall sind es Spiele, auf die sich jeder bei uns freut. Attraktiver können wir es wirklich nicht treffen. Aber das heißt eben auch: Wir haben in der WM-Qualifikation gepatzt.

Wie sieht Ihr Plan für den Sommer aus: Wollen Sie sich möglichst viele WM-Spiele anschauen? Oder möglichst wenige?
Ich denke, wenn es in Russland losgeht, wird es noch einmal wehtun. Die WM ist ein großes Event, bei dem jeder gern dabei wäre. Aber nachweinen hilft nicht. Die beiden Spiele, die jetzt noch anstehen, sind auch geil. Und nach einer langen Saison im Klub kann man so ein Turnier im Urlaub auch mal vor dem Fernseher genießen.

Wie groß ist Ihr Frust, dass Sie wegen Ihrer Adduktorenverletzung nicht dabei sein können?
Das ist schon sehr ärgerlich. Ich habe lange überlegt, habe auch mit unserem Teamchef Franco Foda gesprochen. Am Ende aber geht die Gesundheit vor. Die Ärzte haben mir empfohlen, die Verletzung richtig auszukurieren. Das mache ich jetzt.

Wenn es gegen zwei andere Gegner gegangen wäre, hätten Sie wahrscheinlich nicht so lange überlegen müssen.
Das stimmt. Die Spiele sind richtige Höhepunkte. Schon als kleiner Junge war ich ein Fan der Selecao. Im November 2015 hatten wir ein Testspiel gegen Brasilien mit Neymar, Willian, Firmino und all den anderen Stars bei uns in Wien. Da musste ich auch schon verletzt aussetzen. Deswegen ist es für mich jetzt besonders bitter. Und ein Duell mit Deutschland und mit Platte …

... Ihrem Mannschaftkollegen Marvin Plattenhardt ...
… wäre auch was Spezielles gewesen. Platte und ich sitzen bei Hertha in der Kabine nebeneinander. Wir verstehen uns super und hatten uns beide schon auf das Spiel gefreut.

Welchen deutschen Nationalspieler hätten Sie gern im Team Österreich?
Puh, auf jeden Fall keinen Offensiven, sonst sitze ich auf der Bank (lacht). Die Deutschen haben auf jeder Position Spieler, um die man sie eigentlich beneiden kann. Du kannst fast jede Position durchgehen und sagen: So einen hätten wir gern.

Wie sieht es links hinten aus?
Da sind wir top besetzt. Aber jetzt, wo Sie es sagen: Klar, ich würde mich freuen, wenn Platte bei uns wäre. Ein geiler Typ, mit dem ich eine Menge Spaß machen könnte.

Nach der erfolgreichen Qualifikation für die EM 2016 dachte man: Im österreichischen Fußball wächst gerade eine neue goldene Generation heran. Was ist seitdem passiert?
In der EM-Qualifikation haben wir bewiesen, welche Qualität wir haben. Warum wir dann bei der Endrunde in Frankreich einen Knick erlebt haben – ich weiß es nicht. Nach der EM war die Stimmung in Österreich irgendwie komisch. Einige haben gleich wieder den Glauben an die Mannschaft verloren: „Hm, vielleicht sind die doch nicht so gut.“ Die Euphorie aus der EM-Qualifikation wollen wir uns jetzt zurückholen.

Österreich hatte es immerhin bis auf Platz zehn der Fifa-Weltrangliste geschafft.
In der Qualifikation zur Europameisterschaft sind wir mit neun Siegen und einem Unentschieden vor Russland und Schweden Gruppensieger geworden. Im ersten Spiel bei der EM gegen Ungarn hatten wir schon in den ersten fünf Minuten zwei Stangenschüsse. Und dann gerätst du 0:1 in Rückstand. Jeder von uns ist mit der Gewissheit ins Spiel gegangen: Das werden wir gewinnen. Niemand hat sich Gedanken gemacht: Was tun wir eigentlich, wenn wir mal in Rückstand geraten? Das war ein komplett neues Gefühl, ein ganz anderer Druck. Und das hat dann auch die restlichen beiden Spiele beeinflusst, obwohl wir gegen den späteren Europameister Portugal ein 0:0 geschafft haben. Wir haben nie das abgerufen, was wir wirklich können. Nach der EM gab es eine Down-Phase. Aber mit dem neuen Teamchef haben wir wieder so eine Chemie in die Mannschaft bekommen, dass man sagen kann: Da wächst was.

Die ersten vier Spiele unter Franco Foda hat die Mannschaft gewonnen.
Wir haben guten Fußball gespielt und Tore gemacht. Deshalb freuen sich alle auf die Duelle mit Deutschland und Brasilien. Zu solchen Testspielen kommen viele Leute ins Stadion, und wenn sich die Mannschaft da gut präsentiert, merken alle, dass da wieder etwas wächst.

Bei der Nations League nach der WM ist Österreich nur zweitklassig. Entspricht das dem aktuellen Niveau der Mannschaft?
Momentan befinden wir uns da richtig. Wir sind dabei, uns so zu formieren, dass wir wieder oben angreifen können. Wir haben das Potenzial für attraktiven Fußball. Wir wollen auf jeden Fall wieder zu einer Endrunde kommen.

Was halten Sie von der Nations League?
Positiv ist, dass sie die Testspiele ersetzt. Das ist ein neuer Reiz. Von der ersten Idee her finde ich den Wettbewerb gut. Und für Österreich ist das eine weitere Option, sich für die EM 2020 zu qualifizieren. Wir nehmen das ernst, und wir haben Gegner bekommen, die für uns schwierig, aber auch machbar sind.

Sie stammen aus Graz. Wie groß ist eigentlich die Rivalität zwischen dem Grazer AK und Sturm Graz?
Die ist schon noch groß, obwohl der GAK nach mehreren Konkursanträgen nicht mehr in der Bundesliga spielt. Nach der Neugründung musste er in der siebten Liga angefangen, seitdem ist er jedes Jahr aufgestiegen. Selbst in der vierten Liga kommen an die 4000 Zuschauer zu den Spielen. Der Klub ist wieder im Kommen.

Ist es ein Problem für einen GAKler wie Sie, in der Nationalmannschaft unter Franco Foda, dem früheren Meistertrainer von Sturm, spielen zu müssen?
Natürlich nicht. Ich bin ja nie für den GAK in der Bundesliga gegen Sturm aufgelaufen, weil ich schon früh nach Salzburg gewechselt bin. Viele Spieler von Sturm haben früher mal beim GAK gespielt. Der hatte einfach die bessere Nachwuchsabteilung. Michael Gregoritsch aus Augsburg und Marcel Sabitzer aus Leipzig haben da auch gespielt. Wir kennen uns bestimmt schon 15, 16 Jahre.

Foda hat fast sein gesamtes Trainerleben in Österreich verbracht. Woran merkt man, dass er Deutscher ist?
Seinen Akzent hat er nicht verloren. Er redet noch wie ein Deutscher. Und er bringt die deutsche Mentalität ein, so wie er das schon bei Sturm Graz getan hat.

Ist es in Österreich ein Thema, dass ein Deutscher die Nationalmannschaft trainiert?
Nein. Zum einen ist Franco Foda schon so lange in Österreich tätig. Er nimmt die Aufgabe als Nationaltrainer sehr ernst und identifiziert sich zu 100 Prozent mit dem ÖFB. Zum anderen hatten wir davor einen Schweizer, Marcel Koller. Man merkt einfach, wie beide Trainer dahinter stehen. Natürlich ist das ihr Job, aber ich habe das Gefühl, dass es auch eine Herzensangelegenheit ist.

Hat Österreich ein Trainerproblem?
Ich denke nicht. Zwei von uns saßen ja in der vorigen Saison in der Bundesliga, bei Dortmund und Leipzig, auf der Bank, und jetzt wechselt Adi Hütter als aktueller Schweizer Meister zu Eintracht Frankfurt. Es gibt schon sehr gute österreichische Trainer.

Wissen Sie eigentlich, dass Marcel Koller Sie bei Hertha empfohlen hat?
Ja, das hat mir unser Co-Trainer Rainer Widmayer erzählt.

Koller soll gesagt haben: „Der Lazaro, das ist ein Guter. Den könnt ihr nehmen.“
Es freut mich, dass er ein gutes Wort für mich eingelegt und positiv über mich gesprochen hat. Marcel Koller hat mich auch sehr gefördert.

Unter ihm sind Sie Nationalspieler geworden. Hat seine Entlassung Sie deshalb besonders belastet?
Für einen jungen Spieler auf dem Sprung ist es wichtig, auch eine Art Beziehung zu seinem Trainer aufzubauen – damit er weiß, dass er sich auf dich verlassen kann und was er von dir bekommt. Marcel Koller hat mich sehr früh in die Nationalmannschaft berufen, nach gerade sechs oder sieben Einsätzen in der Bundesliga in Österreich. Meine Dankbarkeit bleibt. Aber jetzt ist eine neue Zeit angebrochen.

Was hat sich unter Foda verändert?
Franco Foda ist ein Trainer, der genau weiß, was er macht. An der Philosophie wurde ein bisschen geschraubt, aber nicht zu viel. Man hat ja auch nicht so viel Zeit zusammen. In der kurzen Zeit muss man eine gute Teamchemie entwickeln. Das Mannschaftsgefüge, der Spirit – das ist ganz wichtig. Daran wurde und wird gearbeitet.

Inwiefern helfen Ihnen Ihre Erfahrungen aus dem ersten Jahr in der Bundesliga?
Für mich war die deutsche Mentalität mit ein Grund, warum ich in die Bundesliga wollte und nicht nach England oder Spanien. Ich hatte gehofft, dass mich das weiterbringt und pusht.

Und?
Es ist ein ganz anderer Anreiz, vor 40 000 oder 50 000 Zuschauern zu spielen als vor 8000 oder 10 000. Man darf sich keine Pause gönnen, muss körperlich topfit sein, laufen können und auf meiner Position auch noch kreativ sein. Das auszuspielen, auf so einem hohen Level, das bringt dich weiter. Mein Wechsel nach Deutschland hat auch mein Standing in der Nationalmannschaft verbessert. Ich habe die letzten zwei Spiele beginnen dürfen. Wenn man dir sagt, du hast dich gesteigert, dann ist das ein sehr gutes Gefühl. Aber genau an diesem Punkt darf man auch nicht aufhören. Man muss dranbleiben.

Das Gespräch führten Stefan Hermanns und Michael Rosentritt.

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