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Joachim Löw hätte einen Rauswurf akzeptiert, mit Kritik an anderen Dingen hingegen kann er weniger gut umgehen.
© dpa
Update

Joachim Löw nimmt Stellung: Wenig Erhellendes und schon gar keine Einsichten

Der Fußball-Bundestrainer äußert sich zur Situation der Nationalmannschaft und zeigt sich „verwundert“ und „enttäuscht“ über die Kritik an seiner Person.

Joachim Löw ist aus der Versenkung aufgetaucht. Eine kleine Ewigkeit nach dem desolaten 0:6 gegen Spanien und dem mindestens mal merkwürdig anmutenden Krisenmanagement der Verbandsspitze äußerte sich der Bundestrainer in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt am Main erstmals in einem Pressegespräch der Öffentlichkeit.

Eine Stunde nahm sich der 60-Jährige Zeit, um einige Fragen zu beantworten. Viel Neues, oder gar Erhellendes war nicht dabei. Einsichten übrigens auch nicht.

Im Gegenteil, der Bundestrainer sagte viel Erwartbares. Auffallend oft benutzte er dabei das Wort „absolut“. Womöglich, um seinem Gesagten zusätzlich Nachdruck verleihen zu wollen. Die Mannschaft besitze „unser absolutes Vertrauen“, oder „wir sind absolut zufrieden“ und deswegen seien er und sein Trainerteam auch „absolut überzeugt“ vom eingeschlagenen Weg. Die Mannschaft befinde sich „auf einem guten Weg“.

Dass die öffentliche Wahrnehmung mitunter eine andere ist, habe Löw zwar registriert, ändere aber nichts daran. Auf die Frage zu den derzeit schlechten Sympathiewerten für ihn und die Nationalmannschaft , antwortete Löw lapidar. Er könne „die Wut und Enttäuschung absolut verstehen“, aber er wisse auch, mit Kritik umzugehen, dafür sei er lange genug im Geschäft.

Das Entscheidende aber sei die Entwicklung der Mannschaft. Und die habe eine große Perspektive. „Ich glaube nicht, dass sich die Spieler von so einer Stimmungslage beeinflussen lassen.“ Vielmehr verfolge man weiter „unsere rote Line“, sagte der Bundestrainer, was sich für manchen fast schon wie eine Drohung anhören dürfte.

Löw weiß, dass er in der Kritik steht

Vor allem äußerte der Bundestrainer seine „maßlose“ Enttäuschung darüber, dass „manche Dinge“, die zuletzt aus internen Gesprächen mit der Verbandspitze  in die Öffentlichkeit gelangten, „nicht immer der Wahrheit“ entsprachen und auch darüber, dass sie überhaupt öffentlich wurden. Da herrsche „Explosionsgefahr bei mir“, sagte Löw. Welche Dinge das waren, sagte er nicht. Diesbezüglich habe er in einem Telefonat mit DFB-Präsident Fritz Keller von der Verbandsspitze künftig mehr Geschlossenheit eingefordert.

Auf viele Fragen der Journalisten antwortete Löw eher ausweichend als zupackend. Wie die, ob er nach der EM 2021 sein Amt niederlege, oder wie er es schaffen wolle, dass seine Mannschaft bei der EM einen „begeisternden Fußball“ zeigt, wie es der Verband in einer Pressemitteilung anlässlich seiner Weiterbeschäftigung vor einer Woche vorgab. „Es ist immer unser Anspruch, ein bestmögliches Turnier zu spielen“, sagte Löw knapp. Und, dass er mit den Erwartungen des Verbandes und der Fans leben könne.

Einen kämpferischen Bundestrainer hatte unlängst Oliver Bierhoff angekündigt. Löw hatte den DFB-Direktor in den vergangenen Tagen seines zähen Schweigens für sich sprechen lassen, was in der Öffentlichkeit gar nicht gut ankam. Das war offenbar ein kleiner wunder Punkt, denn Löw reagierte hier vergleichsweise emotional. Er wisse, dass er in der Kritik stehe. „Ich bin der Trainer, und ich rede, wenn ich denke, dass es richtig ist.“ Außerdem sei er doch „heute hier, ihr könnt mich fragen“.  Da kam sie wieder durch, diese Selbstgerechtigkeit, die ihm zuletzt immer wieder vorgeworfen wurde.

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Und natürlich ging es auch um seine fehlende Präsenz im Tagesgeschäft des Fußballs. Das bisher letzte Mal, dass der Bundestrainer als interessierter Beobachter in einem Stadion gesehen wurde, liegt Monate zurück. Es war das DFB-Pokalfinale im Juli im Berliner Olympiastadion.

Selbst das Spitzenspiel am Samstag zwischen Bayern München und RB Leipzig hatte Löw sausen lassen. Dabei wäre ihm das trotz coronabedingter Reise- und Kontaktbeschränkungen durchaus möglich gewesen. Er würde „am liebsten zu Fuß in jedes Stadion laufen“, erzählte Löw, stattdessen aber verschanzte er sich hinter angeblichen Anweisungen der DFB-Ärzte um Zurückhaltung. In Zeiten der Pandemie haben er und sein Trainerteam schließlich „Vorbildfunktion“, außerdem kenne er die Bundesliga „wie meine eigene Westentasche“, sagte Löw. Doch offenbar gilt die Anweisung nicht für Stefan Kuntz. Der U-21-Nationaltrainer wurde zuletzt durchaus in Bundesliga-Stadien gesichtet.

Auch zu einer Neubewertung und eventuelle Rückholaktion der Spieler Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels, die Löw im Frühjahr 2019 rasiert hatte, sehe er weiterhin „keine Veranlassung“. Allerdings räumte Löw ein, vor der Nominierung des EM-Kaders im kommenden Jahr alles noch einmal neu bewerten zu wollen. Er sei „der Allererste, der alles unternehmen“ werde im Sinne der Mannschaft und ihres Erfolges. „Dann entscheiden wir, was das Beste für die Mannschaft und den Erfolg ist.“

Ein wenig pikiert reagierte Löw auf die Behauptung, dass er für viele Außenstehende nicht mehr mitreißend wirke. „Am Ende kann man die Fans nur mitreißen, wenn man gewinnt, wenn eine Mannschaft begeistern kann“, sagte Löw.

Kaum oder gar nicht überlegen musste der 60-Jährige hingegen bei der Frage, ob ihn in den vergangenen Tagen der inneren Einkehr einmal der Gedanke ans Aufhören gekommen sei? Nein, sagte Löw, „diesen Gedanken gab es bei mir nicht“.

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