Deutsche Leichtathletik: Weltspitze nur im Lamentieren
Die deutschen Leichtathleten haben bei der WM in London nur bedingt überzeugen können. Und Jammern allein hilft nicht weiter. Ein Kommentar.
Natürlich geht es im Sport nicht nur ums Gewinnen. Das haben die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London gerade erst wieder gezeigt. Was waren das für Szenen, als der schnellste Mann, den die Welt je gesehen hat, in seinem allerallerletzten Rennen auf die Tartanbahn des Londoner Olympiastadions plumpste. Usain Bolt, der Held dieser Sportart, war gefallen und humpelte unter dem Applaus der Zuschauer, die ihn genauso feierten wie die Sieger aus dem eigenen Land, über die Ziellinie. Der Sport lebt von diesen tragischen Momenten ebenso wie von den großen Siegen.
Das Problem ist nur, dass sich Niederlagen nicht in Geld ummünzen lassen. Wer in den olympischen Sportarten wie der Leichtathletik mehr als Ruhm und Ehre davontragen will, der muss schon den großen Sieg erringen – zumindest wenn er aus Deutschland kommt. Bei der Leichtathletik-WM vermochte es nur der Speerwerfer Johannes Vetter, seine Leistung zu vergolden. Dazu gab es für die Deutschen noch je zweimal Silber und Bronze. Ein bisschen wenig für eine große europäische Sportnation, die sich die Frage gefallen lassen muss, was andere mitunter viel kleinere Länder so viel besser machen. Der Verweis auf etwaige illegale Methoden der anderen reicht da nicht aus. Wer möchte schon unterstellen, dass alle anderen dopen und nur die Deutschen nicht?
Es muss eine Bestenauslese getroffen werden, weil es sonst beliebig wird
Die Athleten haben ihre ganz eigene Antwort darauf gefunden, warum es wie schon vor einem Jahr bei den Olympischen Spielen von Rio wieder nicht so gelaufen ist wie geplant. So echauffierte sich der gescheiterte Hürdenläufer Matthias Bühler vor den Fernsehkameras darüber, dass Sportler jenseits der Medaillenränge zu wenig vom deutschen Staat gefördert werden. Es ist richtig, dass viele Leichtathleten – anders als etwa Tennisspieler oder Fußballer – neben ihrem Sportlerleben zum Teil einem ganz gewöhnlichen Job nachgehen. Selbst wenn sie bei der Bundespolizei oder der Bundeswehr beschäftigt sind, können sie sich nicht ausschließlich auf das Dasein als Sportler konzentrieren. Das deutsche Publikum erwartet also optimale Leistungen von Menschen, die nur semiprofessionell arbeiten können.
Doch anstatt zu jammern, sollte sich der Leichtathletik-Verband zusammen mit seinen Sportlern überlegen, wie aus den gegebenen Bedingungen das Beste für die Besten gemacht werden kann. Es ist doch bedenklich, dass deutsche Nachwuchsathleten bei ihren internationalen Wettkämpfen Medaillen um Medaillen holen und dann entweder den Sprung nach oben nicht schaffen oder ihre Karriere beenden, bevor sie richtig begonnen hat. Genau dort müssen Anreize und Reize gesetzt werden, nicht nur bei der finanziellen Unterstützung.
Denn mit der Sportförderung verhält es nicht anders als mit sportlichen Wettbewerben: Es muss eine Bestenauslese getroffen werden, weil es sonst beliebig wird und schlicht nicht unbegrenzt Gelder zu verteilen sind. So bitter das Wesen des Sports für den Einzelnen sein mag, es lässt sich nicht ändern: Wer nicht gut genug ist, bleibt auf der Strecke. Und wer sich nicht damit abfinden kann, manchmal hinterherzulaufen, sollte sich zweimal überlegen, ob er Profisportler werden möchte. Usain Bolt hat im letzten Rennen seiner Karriere bewiesen, dass man auch in der vielleicht größten Niederlage ein Gewinner sein kann.
Katrin Schulze