Hooligans bei der Europameisterschaft: Weitere Zusammenstöße in Marseille und Nizza
Neben den brutalen Krawallen zwischen russischen und englischen Hooligans in Marseille kam es auch in Nizza zu Ausschreitungen. Ein Engländer ist weiter in Lebensgefahr.
Ausschreitungen auf der Straße und im Stadion, ein Fan in Lebensgefahr und Dutzende weitere Verletzte haben am Wochenende die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich überschattet. In Marseille gab es den dritten Tag in Folge schwere Fan-Krawalle, ein englischer Fan schwebte am Sonntag weiter in Lebensgefahr. In Nizza gab es Auseinandersetzungen zwischen örtlichen Jugendlichen und nordirischen Fans mit mehreren Verletzten.
Vor der Partie England gegen Russland zogen Fangruppen nach stundenlangem Alkoholkonsum marodierend durch Marseille, warfen mit Stühlen und Flaschen und verhöhnten sich gegenseitig. Am Alten Hafen kam es dann zu schweren Krawallen, an denen englische, russische und französische Fans beteiligt waren. Die Polizei setzte Tränengas ein. Nach sieben Festnahmen am Freitag wurden am Samstag mindestens sechs Randalierer festgenommen.
Ein englischer Fan wurde so schwer verletzt, dass er in Lebensgefahr schwebte. Dem Mann wurden nach Polizeiangaben offenbar Schläge mit einer Metallstange am Kopf zugefügt. Helfer versuchten den blutverschmierten Mann wiederzubeleben, bevor er in ein Krankenhaus gebracht wurde. Polizeipräfekt Laurent Nunez bezeichnete seinen Zustand als lebensbedrohlich.
Ein englischer Fan sagte, etwa hundert Russen hätten "aus dem Nichts heraus" angegriffen. Der 23-jährige Engländer Danny Hart sagte, es sei keine gute Idee gewesen, das Spiel auf 21.00 Uhr anzusetzen: "Bis dahin waren alle völlig besoffen."
Weitere Zusammenstöße rund um das Stadion etwa eine Stunde vor dem Spiel wurden schnell unterbunden. Nach neuen Polizeiangaben gab es bei den Krawallen in Marseille insgesamt 35 Verletzte, darunter neben dem in Lebensgefahr schwebenden Engländer drei weitere Schwerverletzte. Etwa 1200 Polizeibeamte waren in der südfranzösischen Hafenstadt im Einsatz.
Später im Stadion stürmten nach dem 1:1 zwischen England und Russland russische Fans in den englischen Fanblock. Anhänger beider Seiten schlugen und traten einander. Weitere Zusammenstöße gab es nach Mitternacht im Alten Hafen.
Die meisten Hooligans waren offenbar stark betrunken
Der Chef der nationalen Abteilung zur Hooliganismus-Bekämpfung, Antoine Boutonnet, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die französische Polizei habe auf die Krawalle richtig reagiert. Eine "schnelle und wirksame Intervention der Ordnungskräfte hat es erlaubt, die Vorfälle einzudämmen", sagte er. Einen großen Anteil an der Fan-Gewalt habe ein übertriebener Alkoholkonsum.
Auch im südfranzösischen Nizza gab es Zusammenstöße. Nach Angaben eines nordirischen Polizeibeamten, der nordirische Fans begleitete, begannen am Samstagabend 20 bis 30 örtliche Jugendliche, die ausländischen Fans mit Flaschen zu bewerfen. "Einige Flaschen wurden zurückgeworfen, einige Schläge ausgeteilt", sagte er. Schließlich hätten französische Polizisten eingegriffen.
Die zuständige Präfektur bestätigte die Vorfälle. Jugendliche aus Nizza hätten die nordirischen Fans in der Fußgängerzone Cours Saleya provoziert. Daraufhin sei eine Schlägerei ausgebrochen. Sieben Menschen wurden verletzt, einer davon trug ein Schädeltrauma davon.
Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi verurteilte die Ausschreitungen im Kurznachrichtendienst Twitter. Nordirland sollte am Sonntagabend in Nizza gegen Polen in der Gruppe C spielen, zu der auch die deutsche Nationalmannschaft gehört. Zu dem Spiel in der südfranzösischen Stadt reisten schätzungsweise 10.000 nordirische Fans an sowie mehrere tausend Polen. Deutschlands Auftaktspiel gegen die Ukraine stand am Sonntagabend im nordfranzösischen Lille an.
Im Vorfeld der EM hatte die Gefahr durch Anschläge im Mittelpunkt gestanden und nicht die Gewalt von Hooligans. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve versicherte nun in einer Erklärung, die Sicherheitskräfte hätten die Gefahr durch gewaltbereite Fans "voll berücksichtigt" - "genauso wie andere Bedrohungen, insbesondere terroristische".
Der europäische Fußballverband Uefa verurteilte die Krawalle "scharf". Die Gewalt gehe von Leuten aus, die "nichts beim Fußball zu suchen" hätten, sagte ein Sprecher. Der frühere englische Stürmerstar Gary Lineker twitterte mit Blick auf seine Landsleute: "Eine absolute Blamage für das Land."
Andrea Palasciano, Corentin Dautreppe, AFP