Diskussion um zu viel Risiko in der Formel 1: Warum sich Vettel und Hamilton in einer Sache einig sind
Sebastian Vettels riskante Manöver in der Formel 1 werden häufig kritisiert. Dabei fährt der Deutsche nicht viel anders als Konkurrent Lewis Hamilton.
Eigentlich erlebt man Sebastian Vettel dieser Tage so gelassen wie selten. Aber dann war es selbst bei ihm doch für einen Moment vorbei mit der Contenance. „Dann sollen sie jemanden anders einstellen!“, wetterte er auf einmal drauf los. Er war noch einmal auf den Crash mit Valtteri Bottas vom Wochenende zuvor angesprochen worden. Die Kritik am Manöver verfolgt ihn selbst jetzt noch in Österreich vor dem Großen Preis in Spielberg.
Aber es war nur ein Moment – dann versuchte er noch einmal zu erklären, was er schon zuletzt erklärt hatte, was aber an einigen Stellen offenbar nicht angekommen war. Dass manche Dinge aus dem Cockpit nämlich etwas anders aussehen als von außen. „Es ist ja nicht so, dass ich da etwas riskiert hätte, was nie im Leben funktionieren kann. Der Fehler war nur, dass ich falsch eingeschätzt habe, wie viel Grip ich beim Anbremsen durch die Autos vor und neben mir verloren habe. Ich habe ja schon früher gebremst als normal – hätte aber halt vielleicht noch den Bruchteil einer Sekunde früher bremsen müssen.“
"Kleinigkeiten machen den Unterschied"
Sicher könne man nach solchen Situationen fragen: „Sollte ich nicht weiser sein?“ – aber die Fragestellung entspränge eben einem falschen Bild: „Vielleicht haben einige Leute die Vorstellung, dass ich nicht wach oder zu heißblütig war. Was die Leute aber nicht sehen: Wie viele Kleinigkeiten auf dem Level den Unterschied machen können.“ Ein Punkt, in dem er sogar Unterstützung von seinem WM-Rivalen Lewis Hamilton bekommt, der sagt: „Es kann sich niemand vorstellen, wie schnell so etwas in so einer Situation passiert ist.“
Gerade der Vergleich mit Hamilton und dessen geringerer Fehlerquote wird ja gerne als „Beweis“ für Vettels zu große Risikobereitschaft herangezogen. Doch er hinkt an mehreren Stellen: Erstens konnte sich der Brite zumindest 2017 doch zumindest in der großen Mehrzahl der Rennen darauf verlassen, das stärkste Auto zu haben, stand auch sehr oft auf der Pole Position – wo das Risiko, in der kritischen Startphase in einen Zwischenfall verwickelt zu werden, wesentlich geringer ist. Zumindest, wenn man selbst einigermaßen gut weg kommt und keiner der direkten Hintermänner irgendeinen Gewaltakt versucht.
Ohne Aggressivität keine Weltklasse
Schaut man sich Hamiltons Fehlerbilanz in früheren Jahren an, in denen der Brite entweder kein überlegenes Auto oder zumindest mit Nico Rosberg einen gefährlicheren Teamkollegen als heute Valtteri Bottas hatte, bietet sich da schon ein anderes Bild: Da war auch er immer wieder einmal in Zwischenfälle verwickelt. Ohne eine gewisse Aggressivität und Risikobereitschaft schafft man es offenbar nicht an die Spitze der Formel 1.
Was 2018 angeht, fällt noch etwas anderes auf: Mit den relativ starken Formschwankungen zwischen Mercedes und Ferrari gehen Hamilton und Vettel sehr unterschiedlich um. Läuft es bei Silber eher nicht, wie etwa in Kanada, dann lieferte der Brite schon mehr als einmal eine eher lustlose Vorstellung ab, schien gar nicht erst zu versuchen, mehr als nur ein bisschen Schadensbegrenzung zu betreiben. Vielleicht verwöhnt durch die Dominanz der letzten Jahre, vielleicht auch im Vertrauen darauf, dass Mercedes sich im Laufe dieser Saison schon noch wieder den entscheidenden technischen Vorsprung verschaffen werde.
Nicht groß taktieren, sondern attackieren
Vettel dagegen versucht immer alles. Mit dem großen Ziel vor Augen, endlich seinen ersten WM-Titel mit Ferrari holen zu können, will er jede Chance nutzen – nicht groß taktieren, sondern attackieren. Darauf, dass die Italiener es wirklich schaffen, sich technisch konstant vor der Konkurrenz zu halten, kann und will er nicht bauen – gerade im Moment zeigt sich wieder, wie Mercedes in allen Bereichen nachlegt.
Am Samstag im Qualifying von Spielberg sicherte sich Valtteri Bottas wie im Vorjahr die Pole Position. Der Finne lag vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton. Dritter wurde Sebastian Vettel – der Deutsche wurde dann aber von den Rennkommissaren auf Startplatz sechs zurückversetzt. Vettel hatte im zweiten Abschnitt des Qualifyings Carlo Sainz im Renault behindert.