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Ordnung gesucht. Derzeit fällt es schwer, ein klares Bild von der Formel 1 zu zeichnen.
© Pierre-Philippe Marcou/AFP

Formel-1-Grand Prix in Barcelona: Ferrari, Mercedes, Red Bull: Wer hat das beste Auto?

Vor dem Grand Prix in Barcelona gibt es keine eindeutige Hierarchie in der Formel 1. Als gutes Beispiel dient Sebastian Vettel.

Von David Joram

Zurzeit ist alles in Bewegung in der Formel 1 – und nichts mehr ist so, wie es einmal war. Schließlich müssen die Fans seit dieser Saison ohne Grid Girls auskommen. Leicht bekleidete Models, die neben pferdestarken Autos posieren, seien nicht mehr zeitgemäß, argumentierte der neue Veranstalter Liberty Media. „Ein paar heiße Mädels vor den Autos bei der Starting-Grid, das ist doch für die ganze Szene nur förderlich“, argumentierte dagegen Nico Hülkenberg, der deutsche Renault-Pilot, im Interview mit dem Magazin „NoSports“.

Zum Rennauftakt präsentieren nun Grid Kids die Autos, was neben Hülkenberg auch der frühere Formel-1-Chef Bernie Ecclestone bedauerte. „Ich verstehe nicht, wie eine gutaussehende Frau, die mit einer Nummer vor einem Formel-1-Auto steht, für irgendjemanden beleidigend sein kann.“ Ecclestone ist 87; er muss nicht mehr auf Teufel komm raus mit der Zeit gehen. Die Formel-1-Autos dagegen schon. Jedes Jahr werden ja nicht nur neben der Strecke die Regeln geändert. Am besten assimilierte sich in den vergangenen Jahren stets Mercedes, was für Langeweile, aber auch eine gewisse Ordnung sorgte. Das ist nicht mehr so. Es herrscht Bewegung, pausenlos quasi.

Zweimal, in Australien und Bahrain, gewann Sebastian Vettel mit seinem Ferrari. Einmal, in China, siegte Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo. Und einmal, in Baku, war Lewis Hamilton im Mercedes erfolgreich. Fahrer jener drei Teams, die über das größte Budget verfügen. Etwa 450 Millionen Euro gibt Mercedes für die Saison 2018 aus, Ferrari (430) und Red Bull (350) folgen. Die restlichen sieben Teams liegen zwischen 100 und 250 Millionen und werden im Kampf um die WM keine Rolle spielen.

"Das war gelogen"

Ob nun aber Mercedes, Ferrari oder Red Bull das beste Gesamtpaket, wie es im Formel-1-Jargon gerne heißt, auf den Asphalt bringt, weiß vor dem Europa-Auftakt in Barcelona an diesem Sonntag (15:10 Uhr/RTL) niemand so genau. Und ob das beste Auto auch die besten Resultate liefert, ist wieder eine andere Frage. Norbert Haug, der frühere Motorsport-Chef von Mercedes, sagte im Interview mit dem Tagesspiegel im April: „Favorit sein heißt nicht immer gewinnen.“ Tatsächlich galt in dieser noch jungen Saison ja: Wer Favorit ist, siegt nie.

Beispiel Melbourne: Das Rennen schien eine klare Nummer für Hamilton zu sein, doch Vettel triumphierte. Eine Software-Panne habe Mercedes’ Erfolg verhindert, hieß es bei Mercedes. „Wenn wir fair sind, dann müssen wir sagen, dass Lewis der Schnellste war“, sagte Vettel, nachdem doch er als Schnellster den Zielstrich überquert hatte. Kurz darauf, in Bahrain, gewann Vettel wieder, diesmal vor Valtteri Bottas, dem zweiten Mercedes-Piloten. „Ich habe zehn Runden vor Schluss am Funk gesagt, dass ich alles im Griff habe. Aber das war gelogen, ich konnte das Auto kaum noch auf der Strecke halten“, sagte Vettel danach. Spricht so ein Sieger? Oder so: „Es gibt noch viel zu tun, es fehlt uns noch ein bisschen. Aber wir haben das Tempo.“ Tempo, immerhin – das beste Auto aber? Vermuteten die meisten Experten immer noch in einer Garage mit Silberstern stehend.

Dann kam China. Vettel fuhr auf Pole, Ricciardo im Red Bull zum Sieg. Prompt war der bis dahin enttäuschende Rennstall wieder im Gespräch, auch weil Ricciardo den Siegerschampus aus seinem Schuh trank, ein „Shoey“. Mercedes? Holte Platz zwei und vier. Spätestens da war klar, dass der Vorsprung des Weltmeisterautos auch ein bisschen herbeigeredet worden war. Hamilton stänkerte, man sei zu langsam – und gewann dann in Baku. Obwohl Vettel das Rennen über viele Runden dominiert hatte, obwohl es vor Baku hieß, Ferrari sei nun vorne.

Verstappens hitzköpfige Fahrweise passt zur Saison

Tatsächlich dominiert der Zufall. In drei von vier Rennen beeinflusste eine Safety-Car-Phase den Ausgang; in Baku, weil die beiden Red-Bull-Fahrer Ricciardo und Max Verstappen kollidierten. Rennstrategien, die von vorne bis hinten durchsimuliert sind, werden so bislang ad absurdum geführt. Zumal die vermeintlichen Favoriten Vettel, Hamilton und Verstappen hart um ihren Status als teaminterne Nummer eins kämpfen müssen. Neben Bottas und Ricciardo hat sich auch Kimi Räikönnen (Ferrari) verbessert.

Vettel nimmt das betont gelassen zur Kenntnis, während vor allem dem 20 Jahre alten Verstappen der Konkurrenzkampf mit dem eigenen Teamkollegen Probleme bereitet. Der Niederländer wirkt wenig souverän, eher übereifrig – und kracht dann anderen ins Auto. Seine hitzköpfige Fahrweise passt in eine Saison, die rastlos daherkommt, unübersichtlich. Sechs potenzielle Siegkandidaten, je nach Kurs und Wetter mit minimalen Vor- oder Nachteilen, sind stets abhängig vom Zustand des anderen. „Die ersten vier Rennen deuten klar darauf hin, dass uns eine Fortsetzung des Dreikampfes bevorsteht und dieser eher noch härter werden wird“, prophezeit Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Über die Strecke in Barcelona sagen Experten: Autos, die dort funktionieren, funktionieren überall. Ein Allroundkurs, auf dem die Teams erstmals in dieser Saison mit technisch leicht veränderten Boliden am Start sind. Wer hier gewinnt, könnte also wirklich mit dem schnellsten Auto unterwegs sein. Ein Fingerzeig auf die gesamte WM deutet sich an, mehr Ordnung, weniger Bewegung. 2012 allerdings siegte ein Fahrer namens Pastor Maldonado im hoch unterlegenen Williams. Es war Maldonados einziger Sieg in 95 Versuchen.

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