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Zwei sind nicht zu bremsen. Pal Dardai und Christian Streich im Gespräch.
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Hertha BSC gegen den SC Freiburg: Warum Pal Dardai und Christian Streich so lange im Amt sind

Pal Dardai Christian Streich sind die dienstältesten Bundesliga-Trainer. Am Sonntag treffen die beiden Charismatiker im Olympiastadion aufeinander.

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Zwischen den Jahren, wenn selbst im oft sonnigen Breisgau die Kälte einzieht, flüchten die Profis des SC Freiburg gerne nach Andalusien. Unter der Sonne Sotograndes bereitet Trainer Christian Streich sein Team regelmäßig auf die Bundesliga-Rückrunde vor – und sich selbst gleich mit. Während seine Profis vorwiegend mit dem Ball üben, holt sich Streich in den Hügeln Andalusiens Energie für den kraftraubenden Alltag. Er strampelt dann auf dem Rad allen davon; kaum einer im Betreuerstab würde es wagen, dem Chef zu folgen. Verlieren ist nicht sein Ding, nicht mal auf dem Rennrad. Stets sei er verbissen, sagen Menschen, die Streich näher kennen. Und dass er immer gewinnen will.

Seit fast sieben Jahren, genau genommen seit Dezember 2011, geht das mit Streich nun auch in der Bundesliga so. Damit ist der 53-Jährige dienstältester Trainer aller 18 Klubs – dicht gefolgt von einem gewissen Pal Dardai, 42, der Hertha BSC im Februar 2015 im Abstiegskampf übernommen und zu einem Europapokal-Anwärter geformt hat. Wenn Berlins und Freiburgs Bundesliga-Fußballer an diesem Sonntag (15.30 Uhr, live bei Sky) im Olympiastadion um Punkte kämpfen, ist die Ansetzung deshalb vor allem eines: das direkte Duell zweier außergewöhnlicher und außergewöhnlich erfolgreicher wie ehrgeiziger Trainer.

Streich will immer gewinnen - aber das muss er in Freiburg gar nicht

Zum nachdenklichen, stark dialektisch auftretenden Streich, der gern übers Sportliche hinaus referiert, passt diese Verbissenheit eigentlich kaum. In der Öffentlichkeit wirkt er humorvoll, bodenständig, entschleunigt. Und weil Streich immer noch Trainer in Freiburg ist, kann man durchaus den Eindruck gewinnen, ihm sei weniger am Erfolg gelegen, als an einem komfortablen Arbeitsplatz.

Im Breisgau sind die Annehmlichkeiten jedenfalls groß. Schwarzwald, Elsass, die Schweiz liegen vor der Haustür; die Stadt, geprägt von vielen Studierenden, ist eine lebens- und liebenswerte, als „Green city“ wird sie vermarktet. Nur ganz nach oben – dahin wird Streich es mit dem SC wohl nie schaffen. Was also hält den Badener, anders etwa als Bundestrainer Joachim Löw, aus sportlicher Perspektive im Badischen?

Er habe zu Freiburg eine enge Bindung, hat Streich dem Tagesspiegel einmal erzählt. Schließlich hat er dort studiert, Geschichte, Sport und Germanistik auf Lehramt. Und natürlich Fußball gespielt, am erfolgreichsten für den Lokalrivalen Freiburger FC. Später baute Streich die Fußball-Akademie des SC mit auf. Ein anderer großer Trainer, der ewige Volker Finke, hatte ihn dazu gebracht.

Verbundenheit ist auch für Pal Dardai ein zentrales Motiv. Der Ungar, 1997 nach Berlin gekommen und seither in Westend wohnhaft, ist mit 373 Pflichtspielen nicht nur Herthas Rekordspieler, sondern auch Wahlberliner aus tiefster Überzeugung. In der Länderspielpause hat Herthas Trainer kürzlich einen bemerkenswerten Satz gesagt. „Ich bin früher immer gern zur Nationalmannschaft gefahren“, erzählte er, „aber noch lieber bin ich wieder nach Berlin zurückgekehrt.“ In seinem vertrauten Umfeld funktioniert Dardai am besten, ob nun als Spieler oder Trainer; nicht ohne Grund lehnte er auf dem Höhepunkt seiner aktiven Karriere ein Angebot des FC Bayern ab. Auch als Cheftrainer kann man sich den 42-Jährigen nur schwer jenseits des Schenckendorffplatzes vorstellen. Zu Wochenbeginn hat ihn ein Reporter auf seine Ambitionen als möglicher Bundestrainer angesprochen; Dardai antwortete – mit einem müden Lächeln.

Verbundenheit ist ein Leitmotiv - für Streich und Dardai

„Wir haben lange nach Kontinuität gesucht, aber das haben wir erst mit Pal hinbekommen“, sagt Hertha-Manager Michael Preetz. „Für mich hat das ganz klar mit seiner Hertha-DNA zu tun.“ Wenn es eines Tages nicht mehr laufen sollte bei den Profis, will Dardai einfach in den Nachwuchsbereich zurückkehren – so hat er es bei seiner Vorstellung im Februar 2015 erzählt und immer wieder bekräftigt. Zurück in die zweite Reihe, zurück zur Arbeit an und mit der Basis – für Dardai wäre das kein Problem.

Auch Streich legt keinen Wert darauf, im Vordergrund zu stehen – und doch ist aus der einstigen Finke-Stadt Freiburg längst eine Streich-Stadt geworden. Die „Badische Zeitung“ etwa widmete dem Mann mit dem manchmal sehr grimmigen Gesichtsausdruck die Rubrik „Streich der Woche“; nur eines von vielen Anzeichen dafür, wie eng der 1995 als U-19-Trainer zum SC gekommene Streich mit der Stadt verwoben ist.

Dass es so weit kam, hat im Wesentlichen zwei Gründe. 2011 entließen die SC-Macher entgegen ihrer Philosophie den erst frisch installierten Coach Marcus Sorg – inzwischen Co-Trainer des DFB-Teams –, weil sie von diesem nicht überzeugt waren. Streich durfte ran und rettete den Klub vor dem Abstieg. Vor allem aber beeindruckte sein Auftreten. Auf dem Trainingsplatz macht er klare Ansagen, daneben gilt er als nahbar, als Spielerversteher. Auch wegen Streich bekommen die Freiburger für ihre Verhältnisse so herausragende Kicker wie Nationalspieler Nils Petersen, der dem Klub 2015 sogar in die Zweite Liga folgte.

„Selbst wenn der SC Freiburg alle Jahre ausnahmsweise absteigt, bleiben alle im Verein ruhig und kommen ein Jahr später wieder zurück“, sagt Hertha-Manager Preetz über den heutigen Gegner. „Von außen betrachtet machen sie wirklich einen überragenden Job.“ In Freiburg dürfte Kulttrainer Streich wohl auch im Falle eines weiteren Abstiegs bleiben.

Ob das für Pal Dardai ebenfalls gilt? Herthas Trainer hat diesbezüglich seine ganz eigenen Beobachtungen in der Fußball-Branche gemacht. „Es ist völlig egal, ob du einen Zwei-, Vier- oder Sechs-Jahresvertrag bei einem Verein unterschrieben hast“, sagt Dardai auf seine andauernde Amtszeit bei Hertha BSC angesprochen. „In Wirklichkeit ist es doch so: alle haben einen Vertrag für die nächsten sechs Wochen – wenn du sechs Mal verlierst, bist du nämlich weg vom Fenster.“

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