Russland kämpft um Rehabilitation im Sport: Warum für Wladimir Putin so viel an dem Cas-Urteil hängt
Russland kämpft vor Gericht um seine Wiedereingliederung in den Sport. Wie stehen die Chancen und was steht für Putin auf dem Spiel?
Russland soll über Jahre systematisch gedopt und Daten manipuliert haben. Deswegen durften russische Sportler zuletzt international nicht für ihr Land starten. Gegen dieses Urteil hat Russland Berufung eingelegt, worüber nun verhandelt wird. Ein Überblick.
Worum geht es?
Russland klagt ab Montag vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas gegen den vierjährigen Ausschluss von großen Sportveranstaltungen durch die Welt- Anti-Doping-Agentur Wada. Laut dem Wada-Urteil vom vergangenen Jahr darf Russland unter anderem nicht an den Olympischen Spielen im nächsten Jahr in Tokio sowie an den Winterspielen ein Jahr später in Peking teilnehmen. Auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar ist Russland ausgesperrt.
Bei all dem gilt allerdings: Russland darf laut Urteil nicht als Nation an den Wettbewerben teilnehmen. Die dopingunbelasteten russischen Sportler könnten aber als neutrale Athleten unter neutraler Flagge antreten – also auch als neutrales Team bei der Fußball-WM in Katar. Der russischen Staatsführung um Präsident Wladimir Putin ging das Urteil dennoch zu weit. Russland legte Berufung ein.
Was wird Russland zur Last gelegt?
Systematisches Doping vor und während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi sowie Datenmanipulation. Labordaten von knapp 150 verdächtigen Athleten sollen manipuliert worden sein, um mutmaßliches Doping zu verschleiern. Aufgeflogen war der Skandal, weil ein Whistleblower 2017 die Daten der Wada zugespielt hatte. Mit den manipulierten Daten, so der naheliegende Verdacht, wollte sich Russland vom Vorwurf des systematischen Dopings befreien.
Wie sind die Chancen, dass Russlands Einspruch stattgegeben wird?
Nicht besonders gut. Ein Großteil der Sportverbände hat sich für eine harte Bestrafung Russlands ausgesprochen. Die Verbände wiederum haben gewichtigen Einfluss auf das rechtsprechende Organ. So stellt ein Gremium namens Icas die Richterliste des Internationalen Sportgerichtshof Cas – wer in diesem Gremium sitzt, bestimmen zum größten Teil die Sportverbände selbst. Die Unabhängigkeit dieses Gerichts darf daher durchaus angezweifelt werden.
Dennoch: Ausgeschlossen ist ein Erfolg Russlands vor dem Cas nicht. Zumal die Russen immer mehr Gehör in der Hinsicht bekommen, dass – so ihre Argumentation – an ihnen im Kampf gegen Doping ein Exempel statuiert werden soll und in anderen Ländern auch gedopt wird. Russland fühlt sich in dieser Sicht dadurch bestätigt, dass der Cas zuletzt zahlreiche Sperren gegen russische Sportlerinnen und Sportler wieder aufgehoben hat.
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Welche Position nimmt der deutsche Sport in der Frage ein?
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband des deutschen Sports plädiert überraschend deutlich für harte Sanktionen gegen Russland. „Wir erwarten ein klares und hartes Urteil als sichtbares Signal für den weltweiten Kampf gegen das Doping“, sagte DOSB- Präsident Alfons Hörmann der Deutschen Presse-Agentur. „Alles andere wäre nach dem, was in Russland offenkundig an Verwerflichem passiert ist, eine bittere Enttäuschung.“
Wie wichtig ist das Urteil für Russlands Präsident Wladimir Putin?
Für Putin war und ist der Sport – ganz in der Tradition des Riesenreichs – immer ein bedeutendes Propaganda-Instrument nach innen wie nach außen. Die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi waren Russland Kosten in Höhe von geschätzt über 33 Milliarden Euro wert, ein einsamer Rekordwert in der Geschichte der olympischen Bewegung. Von daher: Das Urteil ist für Wladimir Putin, der sich gerne in Eishockeymontur ablichten lässt und Sport vorlebt, von immenser Bedeutung.
Wann ist ein Urteil zu erwarten und ist dieses dann letztinstanzlich?
Sicher ist nur, dass es in dieser Woche noch kein Urteil geben wird. Das hat der Cas bereits verlauten lassen. Die Entscheidung wird dabei nicht letztinstanzlich sein. Es gibt juristische Möglichkeiten, das Urteil anzufechten. Zum einen vor dem Schweizerischen Bundesgericht. Und zum anderen könnten russische Athleten wohl auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen ihre Sperren in Berufung gehen.