Wada-Entscheidung im Doping-Skandal: Russland könnte einmal mehr glimpflich davonkommen
Wieder droht Russland im Doping-Skandal eine harte Strafe, wenn die Wada am Montag entscheidet. Allerdings ist fraglich, was daraus folgt.
Dmitri Medwedew beherrscht den Hundeblick ziemlich gut. Man würde ihm gerne glauben, blendete man die Vergangenheit komplett aus. Der russische Regierungschef ist der Ansicht, dass seinem Heimatland mal wieder übel mitgespielt werde. Am Montag entscheidet die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), ob Russland in den nächsten vier Jahren wegen erneuter Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen von sportlichen Großveranstaltungen ausgeschlossen bleibt. Wenn es schlecht läuft für Russland, darf das Land in diesem Zeitraum auch keine sportlichen Großveranstaltungen mehr ausrichten.
Ihn erinnere das an eine unendliche antirussische Serie, sagte Medwedew. Er meinte, dass in Sachen Doping mit dem moralischen Finger immer auf Russland gezeigt werde. Dabei würde auch in anderen Ländern gedopt. „Wir kennen diese Beispiele, aber sie werden unter den Tisch gekehrt, und auf uns wird dauernd geschaut“, sagte der Ministerpräsident.
Russland hat sich gehörig blamiert in der Vergangenheit
Die Aussage war dabei vor allem in eine Richtung interpretierbar: Wir dopen, aber die anderen tun es halt auch. Also, was wollt ihr von uns?! Vielleicht war es nur eine weitere ungeschickte Äußerung eines Politikers in dieser heiklen Angelegenheit. Viel wahrscheinlicher aber scheint inzwischen, dass es den russischen Machthabern schlicht egal ist, wie über ihren Umgang mit dem Thema Doping gedacht wird. Zumindest in der Heimat findet das Narrativ von der stigmatisierten russischen Nation noch ein wenig Anklang.
Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen. Das bekannte Zitat wurde zu DDR-Zeiten auch gerne im Sport angewandt. Die Athleten aus dem Sowjetreich waren bei Olympischen Spielen im Medaillenspiegel häufig ganz vorne. Es ist eine Sportnation zweifelsohne, die viele Helden produzierte. Doch die Zeiten, in denen man vom russischen Riesenreich im Sport etwas lernen konnte, sind lange vorbei. Die Russen haben sich gehörig blamiert in den vergangenen Jahren.
Nachdem bekannt geworden war, dass Russland vor und während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi systematisches gedopt hatte, wurde das Land von 2015 bis 2018 von der Wada suspendiert.
Den engen Verbindungen der russischen Staatsführung um Präsident Wladimir Putin zum Internationalen Olympische Komitee (IOC) war es geschuldet, dass es bei den Olympische Spielen 2016 in Rio de Janeiro sowie zwei Jahre später bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang keinen Komplettausschluss gab.
Ein Teil der russischen Athleten wurde zugelassen, die Sportler durften lediglich nicht unter ihrer Landesflagge einlaufen. Auch wurde bei Siegen durch russische Olympioniken nicht die Landeshymne gespielt.
Für die stolze Sportnation Russland war das ein schwerer Schlag, aber verschmerzbar. Zumal in Aussicht stand, dass der Bann schnell wieder vorbei sein würde. Die gesperrte russische Anti-Doping-Agentur Rusada, die eine maßgebliche Rolle beim groß angelegten Sportbetrug gespielt hatte, wurde im vergangenen Jahr wieder zugelassen.
Es war er erste Schritt in die Wiedereingliederung Russlands in den Weltsport. Und das, obwohl die Rusada weiter nicht wie von der Wada gefordert mit den Labordaten ihrer Sportler herausrückte. Inzwischen ist wohl bekannt, warum: In den Datensätzen von verdächtigen Athleten soll herumgepfuscht worden sein.
Informationen sollen manipuliert worden sein, die Datensätze von 145 Betroffenen sind angeblich nicht mehr rekonstruierbar. Dies bedeutet auch, dass es wegen der nicht vorhandenen Beweislage schwierig wird, diese Sportler von den Wettbewerben auszuschließen.
Für die Wada besteht offenbar kaum ein Zweifel an dem Manipulationsskandal. Ende November empfahl ein Wada-Gremium die erneute Strafe für Russland. Der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt glaubt, dass die Empfehlungen am Montag durch das Wada-Exekutivkomitee mindestens bestätigt werden. „Allerdings dürfte dies nicht das Ende des Liedes sein“, sagt Seppelt dem Tagesspiegel.
Zwar habe IOC-Präsident Thomas Bach erklärt, dass das IOC sich an die Entscheidung des Wada-Exekutivkomitees halten werde. „Doch das IOC hat sich nach meinem Eindruck in den vergangenen Jahren sehr fantasievoll gezeigt, was die Umsetzung von Regeln oder Beschlüssen in der Russland-Causa betrifft“, sagt er.
Thomas Bach pflegt inniges Verhältnis zu Wladimir Putin
Tatsächlich deutete sich schon im Vorfeld der Entscheidung vom Montag an, dass Russland einmal mehr einigermaßen glimpflich aus den aufgeflogenen Betrügereien im Sport herauskommt.
So soll laut einem „Spiegel“-Bericht IOC-Präsident Bach unmittelbar nach Bekanntwerden der Wada-Empfehlungen nach Nyon gereist sein, um den Präsident der europäischen Fußball-Union, Aleksander Ceferin, zu treffen. Kurz darauf sei Ceferin nach St. Petersburg geflogen und habe dort Putin mitgeteilt, dass sowohl die Spiele der Fußball-EM 2020 als auch das Finale der Champions League 2021 in St. Petersburg ausgetragen würden.
Der oberste IOC-Funktionär pflegt ein besonders inniges Verhältnis zu Russlands Machthaber Putin. Viele finden das unerträglich. Das russische Sportsystem habe seine Athleten verraten und Bachs laxer Kurs mit Russland schade weniger Russland als vielmehr den sauberen Athleten weltweit, sagt beispielsweise Seppelt: „Bei alldem stellt sich die Frage, was womöglich im Hintergrund zwischen dem IOC und Russland in den vergangenen Jahren gelaufen ist.“
Hintergrund für die Nähe Bachs zu Putin dürfte sicherlich sein, dass Russland auch wegen seiner ruhmreichen sportlichen Vergangenheit nie aufgehört hat, den Sport als Mittel der Repräsentation und Imagepflege nach außen wie nach innen einzusetzen. So investiert Russland viele Milliarden in den Sport und schafft sich Verbündete in den Sportverbänden. Doch all den Investitionen zum Trotz: Das Image Russlands durch den Sport könnte derzeit ramponierter kaum sein.
Martin Einsiedler