Geisterspiele in der Fußball-Bundesliga: Warum die Vereine keine Show machen wollen
Geisterspiele sind eine triste Veranstaltung. Dabei gibt es durchaus Ideen, um dennoch Stimmung ins Stadion zu bringen. Doch die Klubs halten nichts davon.
Das Ploppen des Balles wird deutlich hörbarer zu vernehmen sein als sonst, genauso die Kommandos der Spieler und der Trainer sowie die vielen Geräusche, die ein hochintensives Fußballspiel eben mit sich bringt: das Schnaufen, Stöhnen, Schimpfen oder Schreien der Akteure. Möglich machen es die sogenannten Geisterspiele, also die Spiele ohne Stadionbesucher, die beginnend an diesem Wochenende im deutschen Profifußball ausgetragen werden. Die Fernsehzuschauer dürften dem Geschehen auf den Bundesliga-Plätzen in den kommenden Wochen so nah wie nie zuvor kommen.
So zumindest sehen es jene, die auch Regenwetter grundsätzlich nur Gutes abgewinnen können. Die große Mehrheit allerdings hält Geisterspiele für eine triste Veranstaltung, die den Unterhaltungsfaktor des Fußballs erheblich einschränken. Für den Sportsoziologen Gunter Gebauer sind Geisterspiele gar „wie das Schwarzbrot für den Gourmet. Er hat was zu beißen, aber viel mehr ist das nicht.“
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So ähnlich sieht das auch der harte Kern der Fans, Ultras und überhaupt alle, für die der Stadionbesuch einen festen Platz in der Alltagsstruktur einnimmt. Die Ultras Düsseldorf etwa haben jüngst die Spielzeit für sich für beendet erklärt. „Für uns hat die Saison unter den momentanen Umständen keinen Wert“, hieß es in einer Stellungnahme vor wenigen Tagen.
Für die Deutsche Fußball Liga (DFL) und die Klubs gilt das Gegenteil. Die vielen Millionen Euro, die die Spiele erlösen sollen, sind für einige Vereine sogar überlebenswichtig. Nun befindet sich der deutsche Profifußball in einem Dilemma: Auf der einen Seite will er sein Produkt möglichst reichweitenstark vorzeigen. Auf der anderen Seite aber ist er durch die fehlende Atmosphäre diesbezüglich stark eingeschränkt.
Ein im Sport nicht ganz neuer Kniff könnte sein, künstlich Atmosphäre zu erzeugen, etwa durch das Einspielen von Torjubel. Unter Fußball-Traditionalisten gilt das als geradezu frevelhaft. Schon vor ein paar Jahren, als ein paar Klubs wie etwa Hertha BSC künstlich den Torjubel verstärkten und dies anschließend mit technischen Pannen erklärten, zeigten sich die Fußballanhänger bestürzt darüber. Ähnliche Reaktionen wären wohl für jede Form der in Fankreisen verbrämten Eventisierung der Geisterspiele zu erwarten.
Man könne nicht Normalität vorgaukeln, wo es keine Normalität gebe
Vielleicht auch vor diesem Hintergrund gab die DFL nun die Empfehlung an die Bundesliga-Klubs heraus, auf vermeintliche die Stimmung unterstützende Effekte zu verzichten. Man könne nicht Normalität vorgaukeln, wo es keine Normalität gebe, heißt es von der DFL gegenüber dem Tagesspiegel.
Angebote, genau das zu tun, hat die DFL in den vergangenen Wochen viele bekommen. Das Ideenreichtum der Eventagenturen ist grenzenlos: Vorgeschlagen wurde unter anderem, die Zuschauertribünen mit LED-Projektionen oder Werbebannern zu überblenden, richtiggehende Klangteppiche von Fangesängen über das Spiel zu legen bis hin zur Verwendung einer sogenannten Virtual Audience, also der Einblendung von Zuschauern, die in Wirklichkeit gar nicht im Stadion sind. Doch das verstößt auch gegen die Berufsethik der Sender. „Unsere Aufgabe ist es die Realität abzubilden, nicht sie zu manipulieren“, sagt etwa WDR-Sportchef Steffen Simon dem Tagesspiegel. Beim Pay-TV-Sender Sky sieht man das etwas anders. Für Kunden des Abo-Fernsehens wird es eine extra Option geben, bei der passend zum Spielgeschehen zusätzlich Fan-Gesänge und Publikumsreaktionen eingespielt werden.
Grundsätzlich herrscht bei der DFL aber die Auffassung, dass es nicht angemessen ist, aus den Geisterspielen ein Event zu machen. Schließlich handele es sich um ein aus der Not heraus geborenes Konstrukt, teilt die DFL mit. Die Deutsche Fußball Liga kann in diesem Punkt allerdings nur Empfehlungen aussprechen. Wie die Vereine damit umgehen, bleibt ihnen selbst überlassen.
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Offenbar gibt es aber eine große Mehrheit, die den DFL-Empfehlungen folgen wird. Dazu zählt auch der Berliner Bundesligist 1. FC Union, der am Sonntag den FC Bayern München im Stadion An der Alten Försterei empfängt. „In unserem speziellen Fall ist es so, dass wir ja auch sonst auf Publikumsanimation verzichten. Wir haben keine Einlaufmusik, keine Tormusik, kein Unterhaltungsprogramm in der Halbzeit“, sagt Unions Pressesprecher Christian Arbeit. „Ein Geisterspiel ist für uns besonders schlimm, weil unsere Fußballatmosphäre von den Menschen erzeugt wird, die zu uns ins Stadion kommen. Aber wir werden nicht ansatzweise versuchen, die abwesenden Menschen durch technische Mittel zu ersetzen.“
Auch die TSG Hoffenheim, am Samstag Gastgeber der Begegnung gegen Hertha BSC, verzichtet auf eine Stadionshow im bekannten Sinn, wie Sprecher Holger Kliem mitteilt. Vorgesehen sind in Sinsheim immerhin Musik beim Warmmachen und Einlaufen der Teams, die Torhymne sowie Tordurchsagen. Dieses Mindestmaß an Normalität ist auch von der DFL ausdrücklich erwünscht.
Doch mehr an Bundesliga-Alltag wird nicht drin sein. Das beginnt schon beim Einlaufen, weder Einlaufkinder noch Maskottchen sind hier erlaubt. Und der obligatorische Handshake bei der Platzwahl fällt ebenfalls aus, bevor sich dann die Fußballer in den traurig-tristen Wettkampf stürzen.