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Die Schattenseite. Cristiano Ronaldo schweigt bisher zu den Vorwürfen der Steuerhinterziehung.
© Maxim Shemetov/Reuters

Reals Superstar: Warum Cristiano Ronaldo einen Abschied aus Madrid erwägt

Der beste Fußballspieler der Gegenwart will Real angeblich verlassen. Er ist nicht nur nachhaltig verstimmt, weil die spanische Steuerbehörde ihn der Steuerhinterziehung bezichtigt.

Bei Real Madrid gehört es zum guten Ton, die Dinge etwas pompöser anzugehen. Gemessen daran war die Bestätigung der dritten Amtszeit von Florentino Perez als Präsident ein Fehler im System. Gerade mal 20 Minuten dauerte der Akt am Montagabend. Eine kurze Rede, schmucklos vorgetragen, das war es. Wer gehofft hatte, Perez würde sich zum derzeit dringlichsten Thema äußern, der wurde enttäuscht. Kein Wort verlor der alte und neue Präsident über Cristiano Ronaldo. Der portugiesische Weltfußballer hält die Welt des Madridismo seit einigen Tagen von Russland aus in Atem, wo er mit der Nationalmannschaft beim Confed-Cup weilt und dort am Mittwoch im zweiten Gruppenspiel auf die Gastgebernation trifft (17 Uhr, live im ZDF).

Seit Ronaldo angeblich seinen Kollegen bei der Selecao gesteckt hat, dass er Real auf der Stelle verlassen möchte, gibt es auf der iberischen Halbinsel kein anderes Fußballthema. Aufgeregt wie jeden Sommer überbieten sich Zeitungen, Fernseh- und Radiosender täglich mit neuen Wasserstandsmeldungen, nur beim Klub selbst, bei Real, bleiben sie noch ruhig.

Ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass ihr teuerster und wichtigster Spieler mit Wechselabsichten von sich reden macht. Außerdem gilt als verbirgt, dass Ronaldo niemanden bei Real persönlich über seine Absichten informiert hat. Perez sagte am Montagabend mehreren Medien, dass es bisher kein offizielles Angebot für den hellsten Stern im realen Kosmos gibt. „Ronaldo ist Spieler von Real Madrid und wird es bleiben“, betonte der Klubchef. Erst für den 2. Juli, nach Ende des Confed-Cups, ist ein Treffen zwischen dem Spieler, Perez und Trainer Zinedine Zidane anberaumt. Dann soll erstmalig konkret gesprochen werden.

Ronaldo ein erneutes Ja-Wort abzuringen, dürfte aber nicht ganz so leicht werden, wie Perez öffentlich glauben machen will. Sein Wechselwunsch scheint dieses Mal ernster denn je. Oder ist alles doch nur wieder ganz großes Theater, so wie Ronaldos Posen auf dem Spielfeld? Es gibt Indizien, dass dieses Mal doch etwas dran sein könnte an dem Wechselvorhaben. Als Beleg für den Aufruhr hinter den Kulissen dient, dass sich selbst der FC Bayern dieser Tage veranlasst sah, eine Erklärung abzugeben, in der es heißt, der deutsche Rekordmeister habe kein Interesse an einer Verpflichtung.

Laut Medienberichten soll Ronaldo am 31. Juli vor einem Richter aussagen

Der aktuell beste Fußballspieler der Gegenwart ist verstimmt, weil die spanische Steuerbehörde ihn der Steuerhinterziehung im Wert von 14,7 Millionen Euro bezichtigt. Ein Verfahren droht. Laut Medienberichten soll Ronaldo am 31. Juli vor einem Richter zu den Vorwürfen aussagen. Der Beschuldigte schweigt bisher, aus seinem Umfeld dringt aber durch, dass er sich zum wiederholten Mal als Opfer einer Pressekampagne sieht.

Mit der aus seiner Sicht ungerechten Behandlung soll nun ein für alle Male Schluss sein. Ronaldo hat genug, er wolle das Land verlassen. Angeblich hätte er seinen Berater Jorge Mendes beauftragt, alle Offerten zu prüfen. Wenn das stimmt, dürfte der Wechsel die Fußballwelt endgültig aus den Angeln heben und die Preise noch weiter ad absurdum treiben.

Mindestens 200 Millionen Euro würden für den 32 Jahre alten Angreifer wohl allein an Ablöse fällig werden. Dazu um die 20 Millionen Euro Jahresgehalt. Müßig zu erwähnen, dass nie ein Sportler mehr Geld kostete. Die Bezeichnung als teuerster Spieler der Welt war und ist ihm wichtig, nicht umsonst versuchten sie bei Real so lange es ging zu verbergen, dass Gareth Bale noch mehr Geld kostete. Vergangenen Sommer überstieg dann der Transfer von Paul Pogba von Juventus Turin zu Manchester United alles bisher dagewesene. Nicht umsonst gilt United als Favorit, wenn es um eine Anstellung Ronaldos geht. Stemmen könnten solch einen Wechsel wohl nur Paris Saint-Germain, sowie chinesische oder andere englische Klubs.

Allein die kleine Auswahl potenzieller Kandidaten macht einen Verbleib bei Real wahrscheinlicher als einen Wechsel. Bei Manchester United spielte Ronaldo bis 2009. Dort schätzt ihn das Publikum immer noch. Anders als in Madrid an manchen Tagen.

Cristiano Ronaldo und Real Madrid, das war immer mehr Zweckgemeinschaft als Liebesbeziehung. Der glamouröseste Fußballer der Welt musste eben beim glamourösesten Klub der Welt spielen, das war im Selbstverständnis beider Parteien stets verankert. Nur fühlte sich der Portugiese seit seiner Ankunft 2009 nie so richtig wohl. Sein gockelhaftes Auftreten, sein Egoismus und die Unfähigkeit, sich für manchen Mitspieler zu freuen, eckten an, selbst im heimischen Bernabeu-Stadion pfiffen sie ihn mindestens einmal pro Saison aus. Eine irreale, bizarre Situation, ist Ronaldo doch längst der erfolgreichste Torschütze der Vereinsgeschichte. Seine 406 Tore in 394 Pflichtspielen sind ein Fabelwert, unerreicht selbst von Klubikonen wie Alfredo di Stefano, Ferenc Puskas oder Emilio Butragueno.

Zuletzt sicherte er Real quasi im Alleingang die Titelverteidigung in der Champions League, noch so eine historische Marke, aber alles, was er sich wünsche, sei „bloß nicht wieder ausgepfiffen zu werden“, wie er nach dem Weiterkommen gegen den FC Bayern sagte. Bei Real Madrid dürfte ihm das trotz aller Titel und Tore auch in Zukunft kaum gewährleistet sein. Erst recht nicht nach diesem Sommertheater.

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