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Augen zu und durch. Zuletzt erhielt Davie Selke den Vorzug vor Kapitän Vedad Ibisevic.
© dpa

Hertha BSC vor dem Spiel in Köln: Vor allem der Angriff macht Probleme

Die Konkurrenz im Angriff ist bei Hertha so groß wie lange nicht. Darunter leiden besonders die Routiniers Vedad Ibisevic und Salomon Kalou.

In jeder Mannschaftssportart gibt es Positionen, denen gewisse Klischees anhaften. Der österreichische Fußballtrainer Max Merkel, einer der Großen seiner Zeit, hat sich zum Beispiel mit folgendem wunderbaren Satz verewigt: „Torhüter und Linksaußen haben eine Macke.“

Auf den ehemaligen englischen Nationalspieler Gary Lineker, ohnehin nie um einen Spruch verlegen, geht indes die Charakterisierung eines guten Verteidigers zurück. „Abwehrspieler müssen vor allem eines beherrschen“, sagte Lineker, „mit einem herzlichsten Lächeln Stürmer in die Knochen treten.“

In dieser Woche hat sich nun Ante Covic, der Trainer von Hertha BSC, in philosophischer Mission versucht und ein kleines Grundsatzreferat über einen weiteren wichtigen Typus gehalten: den Stürmer.

„Das sind hochsensible Menschen, die im Spiel Erfolgserlebnisse brauchen, um ein gewisses Selbstverständnis zu entwickeln“, sagte Covic. „Sonst verkrampfen die Jungs“, ergänzte er, „und dazu dürfen wir es nicht kommen lassen.“

Wer diese Beobachtung zugrunde legt, der ahnt bereits, welcher Mannschaftsteil Covic im Auswärtsspiel beim 1. FC Köln am Sonntag (18 Uhr, live bei Sky) besonders interessieren wird: der Angriff natürlich. Die Kölner haben in der laufenden Saison – neben der TSG Hoffenheim – als einziges Team noch weniger Tore erzielt als die Berliner. Obendrein muss Covic auch am fünften Spieltag eine Situation moderieren, die es durchaus in sich hat.

Setzt er, wie zuletzt gegen Paderborn, in vorderster Front auf den bisher glücklosen Davie Selke? Oder darf sein Kapitän, darf also Vedad Ibisevic mal wieder von Beginn an ran? Läuft Hertha womöglich sogar mit zwei Spitzen auf? Und was wird eigentlich aus Dodi Lukebakio, dem mit 20 Millionen Euro Ablöse teuersten Zugang der Vereinsgeschichte?

Ibisevic und Selke - beide sind verbissen

Angesichts der verschiedenen Optionen unterliegt Covic dem Zwang, sich festlegen und mindestens einen der drei besagten Profis auf die Bank setzen zu müssen. Gerade Ibisevic und Selke gelten als extrem ehrgeizig und selbstbewusst, bisweilen bewegen sie sich an der Grenze zur Verbissenheit.

Bislang haben die beiden arrivierten Angreifer zwar keine öffentliche Kritik geäußert. Und sollte es intern Misstöne gegeben haben, so haben diese die Umkleidekabine nicht verlassen. Trotzdem darf man davon ausgehen, dass Ibisevic und Selke die Gemengelage genau weiter beobachten werden.

„Wir haben eine gute Atmosphäre in der Kabine“, sagt Covic auf den Konkurrenzkampf angesprochen. „Aber das darf sich auf dem Platz natürlich nicht widerspiegeln, indem wir händchenhaltend herumrennen.“

Die Trainingseinheiten, die den Terminus „intensiv“ in dieser Woche wirklich verdienten, seien schließlich dazu da, sich zu präsentieren und um die Plätze zu kämpfen. „Es wird bei mir keine geschenkten Minuten geben, das haben alle Spieler verstanden“, sagt Covic.

Zuletzt hat der Trainer auch häufig auf einen bei Fans wie Kollegen gleichsam geschätzten Spieler verzichtet: auf Salomon Kalou. Der Ivorer, unter Covic’ Vorgänger Pal Dardai nicht aus der Startelf wegzudenken, hat in der laufenden Saison gerade einmal 97 Bundesliga-Minuten absolvieren dürfen: Gegen den VfL Wolfsburg ging er nach 70 Minuten vom Feld, in Mainz wurde er in der Schlussphase eingewechselt.

„Für mich ist wichtig, dass alle Beteiligten und Sala wissen, dass wir seine Qualitäten noch benötigen und auf ihn zurückgreifen werden“, sagt Covic. „Aber ich weiß natürlich auch, dass er Sportler genug ist und jedes Spiel mitmachen möchte.“

Andererseits haben Kalous Mitbewerber für die Planstellen auf den offensiven Außenbahnen zuletzt nachweislich Werbung in eigener Sache betrieben: Beim 2:1-Sieg gegen Paderborn trafen vor acht Tagen sowohl Javairo Dilrosun als auch der frisch verpflichtete Marius Wolf. „Die Jungs haben das gut gemacht“, sagt Covic.

Allerdings dürfte auch dem Berliner Anhang auf den Tribünen und daheim vor dem Fernseher eine Besonderheit aufgefallen sein: dass nämlich sowohl Kalou als auch Ibisevic zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit nicht in Herthas Startformation auftauchten. In der Saison 2018/19 kamen die beiden Veteranen aufs insgesamt 18 Tore und sechs Vorlagen – und waren damit an knapp der Hälfte aller Berliner Tore beteiligt.

Trainer Covic lässt rotieren

Später begründete Covic seine Personalrochaden auch mit der Herangehensweise des Gegners. „Wir waren gegen Paderborn aufs Umschaltspiel bedacht, hatten also längere Wege zum Tor.“ Deshalb habe er sich für Selke und die Flügelflitzer Dilrosun sowie Wolf und gegen Ibisevic und Kalou entschieden.

Gegen den FC, sagte Covic, könne das schon wieder ganz anders aussehen. „Es geht darum auf das reagieren zu können, was uns der Gegner anbietet.“

In Köln gilt eine Variante mit einem Stürmer als sehr wahrscheinlich, aller Voraussicht nach wird wieder Davie Selke beginnen dürfen. „Ich bin überzeugt davon, dass Vedad und Sala erfahren genug sind um zu wissen, dass sich ihr Stellenwert nicht nur auf dem Platz widerspiegelt, sondern dass sie eine Vorbildfunktion für alle in der Mannschaft haben“, sagt Covic, „die jungen Spieler schauen permanent zu beiden hoch.“ Jedenfalls so lange, wie sie zumindest noch hin und wieder ein Tor erzielen.

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