Der Kopf Gottes: Vor 12 Jahren streckte Zinedine Zidane Marco Materazzi nieder
In seinem letzten Spiel als aktiver Profi lässt sich Zinedine Zidane von Marco Materazzi provozieren. Wenige Weltmeisterschafts-Szenen sind ähnlich ikonisch.
Jean Paul Engelen von der katarischen Museumsverwaltung war guter Dinge: „Es ist ein beeindruckendes Stück, eine gewaltige Skulptur im Stile der Statuen der alten Griechen, aber sie feiert die menschlichen Schwächen, nicht die Stärken. Sie zeigt, dass Fußballer Menschen sind, obwohl wir sie wie Götter behandeln.“
Für einen nicht genannten Betrag hatte Katar 2013 die fünf Meter hohe, aus Bronze gefertigte Skulptur „Headbutt“ erworben, in der der Künstler Adel Abdessemed einen der denkwürdigsten WM-Momente aller Zeiten verewigt hatte: Den Kopfstoß Zinedine Zidanes an Marco Materazzi in der 109. Minute des Weltmeisterschaftsfinales 2006. Fortan zierte im Zuge eines Projektes öffentlich zugänglicher Kunst ein wütender Zidane und der darniedersinkende Materazzi die Strandpromenade Dohas.
Wenige Weltmeisterschafts-Szenen sind derart ikonisch, dass sie eine eigene Statue verdienten. Maradonas Hand Gottes oder der blutjunge, jubelnde Pele. Dass sich vor allem Zidanes Kopfstoß für eine Skulptur anbot, liegt auch an der feinen Linie zwischen Genie und Wahnsinn, auf der Zidane stets wandelte und die er im finalen Moment seiner Karriere ein weiteres, letztes Mal überschritt. Zidane hat zahllose Titel gewonnen, er gilt als einer der besten Fußballer aller Zeiten. Außerdem hat er insgesamt 15 Rote Karten gesehen, hat geschlagen, geschubst, getreten. Als er Frankreich 1998 zum WM-Titel führte, verpasste er zwei Spiele, weil er im Spiel gegen Saudi Arabien auf einen am Boden liegenden Gegner gesprungen war. Der Jähzorn, das Unbeherrschte gehörten stets genauso zu Zidane wie elegante Pässe oder entscheidende Tore. Oft war nur die Frage, in welche Richtung das Pendel ausschlagen würde.
2007 gab Materazzi zu, Zidanes Schwester beleidigt zu haben, was überhaupt erst zu dessen Ausraster geführt hatte. In der 7. Minute hatte Zidane einen Elfmeter an die Unterkante der Latte und ins Tor gechippt, Materazzi hatte später ausgeglichen. Aber an ihre Tore erinnern sich die Leute erst im zweiten Moment. Zu einer möglichen Entschuldigung an Materazzi sagte Zidane noch im März 2010: „Lieber würde ich sterben. Ich bitte den Fußball, die Fans und die Mannschaft um Vergebung, aber niemals ihn.“ Im November des gleichen Jahres trafen sich beide dann zufällig, Materazzi schilderte später: „Ich habe ihm einiges gesagt, was nur wir beide wissen. Am Schluss reichte er mir die Hand und ich habe sie solange gehalten, bis er mir direkt in die Augen geschaut hat. Das war das, was ich wollte. Für mich war es ein schöner Augenblick."
Übrigens: Nach nicht einmal vier Wochen musste Abdessemeds „Headbutt“ am Strand von Doha wieder abmontiert werden. Konservative Stimmen sahen in der Skulptur ein schlechtes Beispiel für die Jugend, religiöse Hardliner gar Götzenverehrung. Mittlerweile steht sie im Arabischen Museum für Moderne Kunst, und feiert dort die menschlichen Schwächen.
Stephan Reich
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