Matheus Cunha überzeugt bei Hertha BSC: Vom Mitläufer vom Leistungsträger
Matheus Cunha ist erst seit dem Winter bei Hertha BSC - und doch schon eine prägende Figur. Jetzt trifft er auf seinen Ex-Klub Rasenballsport Leipzig.
Matheus Cunha besitzt ganz offensichtlich viel Liebe fürs Detail und noch dazu ein ausgeprägtes Gespür für den richtigen Moment. Als der Offensivspieler von Hertha BSC am vergangenen Freitag gegen den 1. FC Union zum zwischenzeitlichen 3:0 traf, setzte er den Ball mit einem präzisen Schlenzer so hart neben den Pfosten, dass Rafal Gikiewicz im Tor des Lokalrivalen keine Abwehrchance hatte. Und auch der Zeitpunkt war perfekt. Viel länger hätte Cunha nicht warten dürfen, sonst hätte er womöglich etwas verpasst, was noch viel wichtiger ist als ein 4:0-Erfolg im Derby gegen Union.
Gleich nach seinem Treffer wurde Cunha von Herthas Trainer Bruno Labbadia vom Feld genommen. Nur pro forma nahm er kurz auf der Ersatzbank Platz, dann verabschiedete er sich zu seiner Frau ins Krankenhaus – und schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Geburt seines ersten Kindes in den Kreißsaal.
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Im Nachhinein sah es fast aus, als hätte Labbadia mit der Auswechslung bewusst bis zum nächsten Treffer des Brasilianers gewartet. In der Fußball-Bundesliga hat Cunha nun in vier Spielen hintereinander jedes Mal getroffen. Doch seine Auswechslung hätte auf jeden Fall stattgefunden, auch ohne sein obligatorisches Tor.
Hoch oben im Olympiastadion saß, der besseren Übersicht wegen, Labbadias Assistent Olaf Janßen. Das gesamte Spiel über stand er per Funk mit Co-Trainer Eddy Sözer in Kontakt. Cunhas Auswechslung nach einer guten Stunde war längst besprochen; die Idee, für ihn Maximilian Mittelstädt zu bringen, war auch von Janßen für gut befunden – weil Mittelstädt jemand sei, der noch mal neue Energie ins Spiel bringen könne. Also genau das, was Cunha bis dahin nur bedingt gelungen war.
Cunha kann ja so viel
Janßen hatte schon nach zehn Minuten zur Bank gefunkt: „Matheus ist ein bisschen aus dem Spiel.“ Und von dieser Meinung ließ er sich auch in der Folge nicht abbringen. Immer wieder fluchte und stöhnte Janßen – was man in gewisser Hinsicht ja durchaus als Kompliment an Matheus Cunha verstehen konnte: Er kann doch so viel mehr.
Bruno Labbadia sah es ähnlich wie sein Assistent oben auf der Tribüne. Als am Tag nach dem Derbysieg ausführlich über Matheus Cunha gesprochen wurde, über seinen aktuellen Lauf im Hertha-Trikot, seine Torserie und natürlich auch die Geschichte mit der Geburt seines Sohnes, da gab Labbadia erst einmal den Party-Crasher. „Ich finde, dass er kein gutes Spiel gemacht hat. Da bin ich ganz offen“, sagte Herthas Trainer. „Er hat nicht das gezeigt, was er in sich hat. Gerade in der ersten Halbzeit hat er nicht so die Bindung gehabt, er hat auch nicht die Wege gemacht, die er machen kann.“
Aber es ist eben auch eine Qualität, wenn in der Nachbetrachtung nicht über deine taktischen Verfehlungen geredet wird und deine Trägheit im Defensivverhalten, sondern mal wieder nur deine wahnsinnigen Offensivfähigkeiten thematisiert werden. So war es auch schon in der Woche zuvor nach dem Spiel gegen Hoffenheim, in dem Cunha nach einem famosen Solo zum 3:0-Endstand getroffen hatte – und niemand mehr über seine auffälligen Schlampigkeiten vor allem in der ersten Halbzeit sprechen wollte.
"Er hat was Besonderes", sagt Labbadia
Olaf Janßen jubelte im leeren Olympiastadion jedenfalls besonders laut, als Cunha gegen Union zum 3:0 traf. Dann konnte er gar nicht anders, als sarkastisch zu lachen. „Es spricht einfach für Matheus, dass er mit einer einzigen Aktion etwas bewirken kann“, sagte Labbadia. „Er hat viel, er hat was Besonderes. Aber bei solchen Spielern habe ich auch den höchsten Anspruch.“
Längst gibt es verlässliche Hinweise, dass Cunha diesen Ansprüchen nicht nur punktuell, sondern auch auf Dauer gerecht werden kann. Die ersten Eindrücke jedenfalls sind vielversprechend. Für 18 Millionen Euro hat Hertha Cunha im Winter vom Ligakonkurrenten Rasenballsport Leipzig verpflichtet. Seitdem er in Berlin ist, stand er in jedem Spiel in der Startelf. In sechs Partien erzielte er vier Tore und eigentlich noch ein fünftes, das jedoch aus unerfindlichen Gründen als Eigentor des Paderborners Jamilu Collins gewertet wurde.
Mit seinem Offensivgeist, seiner anarchischen Ader, aber auch mit seiner Gier nach Erfolg ist Matheus Cunha in kürzester Zeit zu einer prägenden Figur für das Spiel von Hertha BSC geworden – anders als bei seiner vorherigen Station in Leipzig, wo er bei allem Talent nicht über den Status eines Mitläufers hinausgekommen ist.
In sechs Einsätzen für die Berliner bringt es Cunha schon jetzt auf mehr Torbeteiligungen (fünf) als bei seinen 35 Einsätzen für Rasenballsport (vier/zwei Treffer, zwei Vorlagen). In Berlin ist er im Schnitt alle 90 Minuten an einem Tor beteiligt, in Leipzig benötigte er 280. Und während Cunha bei Hertha bisher immer von Anfang an gespielt hat, stand er bei RB nur bei jedem dritten seiner Einsätze (11 von 35) in der Startelf.
Matheus Cunha hat also noch etwas zu beweisen, wenn er heute (18.30 Uhr, live bei Dazn) mit Hertha BSC in Leipzig auf seine früheren Kollegen trifft. „Ich hoffe, dass er jetzt noch mal einen Schub bekommt“, hat Bruno Labbadia mit Blick die Geburt seines Sohnes gesagt. Der Zeitpunkt wäre perfekt für einen großen Auftritt. Matheus Cunha hat am Spieltag Geburtstag. Er wird heute 21.