Fußball-Bundesliga: Videobeweis: So geht's nicht
Der 1. FC Köln ärgert sich nach dem Spiel gegen Hannover 96 mal wieder über den Videobeweis - weil es beim Thema Abseits keine einheitliche Handhabung gibt.
Fußball ist, wie der Name schon sagt, ein Spiel, das vornehmlich mit dem Fuß und mit einem Ball gespielt wird. Der Ball ist so wichtig, dass ihm in den Fußballregeln ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Unter „1. Eigenschaften + Abmessungen“ heißt es dort, der Ball müsse „kugelförmig sein“. Hört sich plausibel an. Wenn man sich allerdings die brisanteste Szene des Bundesliga-Wochenendes anschaut, könnte man auf die Idee kommen, Fußball werde mit einem Rugby-Ei gespielt.
Es ist die Szene kurz vor Schluss in Köln, der Moment, in dem der Ball auf die rechte Seite gespielt wird, zu Marcel Risse, der daraufhin mit einer Flanke das vermeintliche 2:1 des FC durch Claudio Pizarro einleitete. Nach Intervention des Videoassistenten wurde der ekstatisch bejubelte Treffer wieder zurückgekommen: Risse hatte im Abseits gestanden. Im Standbild ist das auch ohne die sogenannte kalibrierte Linie, die nach wie vor nicht vorhanden ist, gut zu erkennen. Allerdings ist der Ball auf diesem Standbild auch nicht kugelförmig, sondern ein Ei.
Arnd Zeigler hat darauf am Sonntagabend in seiner Sendung „Zeiglers wunderbarer Welt des Fußballs“ im WDR-Fernsehen hingewiesen. Der Moment des Abspiels ist also in Wirklichkeit gar nicht der Moment des Abspiels, sondern ein Moment, kurz nachdem der Ball gespielt worden war. Na gut, könnte man sagen, müsste man das Bild halt einen Tick zurückspulen. Aber es gibt den Moment des Abspiels nicht – zumindest nicht unter all den Einzelbildern des Fernsehens, den sogenannten Frames. Was helfen also kalibrierte Linien, wenn man den Moment der Ballabgabe gar nicht exakt bestimmen kann?
Die ganze Diskussion um den Videobeweis ist von einer gewissen Unsachlichkeit durchzogen. Dieselben Fans, die in der Hinrunde noch gejault haben, der inflationäre Eingriff des Videoassistenten verändere den Charakter des Spiels, fragen jetzt: Warum greift der Videoassistent eigentlich nicht ein? In der ohnehin hitzigen Debatte ist das Thema Abseits aktuell das hitzigste. „Es heißt immer, dass es keine skalierbaren Linien gibt, um klar festzustellen, ob es Abseits ist. Deshalb soll der Videoassistent in diesen Situationen eigentlich nicht eingreifen“, hat Köln Torhüter Timo Horn nach dem 1:1 gegen Hannover geklagt. „Bei uns hat er es getan. Mal ja, mal nein, das ist das, was mich und meine Mitspieler so aufgeregt hat.“
Die Kölner haben auch schon profitiert
Im Abstiegskampf ist es ganz hilfreich, wenn man unangenehme Wahrheiten einfach ausblendet – trotzdem sollte sich Horn noch daran erinnern können, dass auch die Kölner von dieser vermeintlichen Willkür vor gar nicht allzu langer Zeit profitiert haben. Erst vor zwei Wochen wurde das vermeintliche 2:0 von Borussia Dortmund zurückgenommen, weil dem Schützen Michy Batshuayi, ebenfalls ohne kalibrierte Linie, eine Abseitsstellung nachgewiesen wurde.
Generell aber hat Horn Recht. Die derzeitige Praxis ist unbefriedigend – und sie führt den Videobeweises letztlich ad absurdum. Es sollte schließlich darum gehen, Ungerechtigkeit zu minimieren. Stattdessen potenziert sich das Gefühl der Ungerechtigkeit – wenn die Schiedsrichter trotz technischer Hilfsmittel immer noch falsch entscheiden. So wie beim regelwidrigen 1:1 des HSV in Leipzig.
Sollen also Abseitsentscheidungen vom Videobeweis ausgenommen werden, solange es keine kalibrierten Linien gibt? Aber was ist, wenn jemand so deutlich im Abseits steht, dass es mit bloßem Auge zu erkennen ist? Und ab wann ist das der Fall? Ab 50 Zentimeter? Oder doch erst ab 51? Vermutlich können diese Frage nur Philosophen beantworten – was der beste Beweis ist, dass der Videobeweis so nicht praktikabel ist.