Bundesliga: VfL Wolfsburg: Fahrig, unkonzentriert, überfordert
Wolfsburg hat noch vor 13 Monaten in der Champions League gegen Real Madrid gespielt. Jetzt ist der VfL akut vom Abstieg bedroht.
Am 11. Juni wird es für den VfL Wolfsburg etwas zu feiern geben. Es jährt sich dann zum 20. Mal der Aufstieg des Klubs in die Fußball-Bundesliga. Auf den Videowänden im Stadion werden daher regelmäßig Szenen von damals eingespielt, auf den Werbetafeln des VfL ist ein eigenes Logo zu diesem Ereignis zu sehen: „20 Jahre Bundesliga 1997 - 2017“.
Im Moment wirkt es fast zwangsläufig so, als sei von einer abgeschlossenen Epoche die Rede.
Ein Spieltag steht noch aus, und noch ist nicht abschließend geklärt, ob der VfL, Meister 2009, Pokalsieger 2015 und Champions-League-Viertelfinalist 2016, im Spätsommer 2017 weiter erstklassig sein wird. Der Klub geht als Fünfzehnter in die letzte Runde, spielt beim Hamburger SV, dem Sechzehnten, und könnte bei einer Niederlage noch hinter den HSV auf den Relegationsrang zurückfallen.
Ob die Mannschaft dem Druck gewachsen sei, wurde Mario Gomez am Samstag, nach dem 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach, gefragt. Er sei kein Hellseher, antwortete der Nationalspieler, wisse daher nicht, was in der Zukunft passiere. Aber: „Ich weiß, dass wir nicht absteigen werden.“ Das Spiel gegen die Gladbacher hatte durchaus Argumente für diese Ansicht geliefert. Genauso hatte es Argumente dagegen geliefert.
Vor dem Anpfiff hatten sie am immer noch etwas aseptischen Bundesligastandort Wolfsburg versucht, Werder Bremen zu spielen. Die Fans versammelten sich am Stadiontor, um die Spieler bei ihrer Ankunft in Empfang zu nehmen. Im Vergleich zur Green White Wonderwall, dem Bremer Original, im Vergleich selbst zu Leverkusen, wo es am Samstag einen vergleichbaren Fanaufmarsch gegeben hat, war es eine überschaubare Menge, die sich beim VfL versammelt hatte. Das Stadion war, trotz der immensen Bedeutung des Spiels, nicht ausverkauft, und während sich die Hardcore-Fans mit grünem Glitzerpapier als Blätterkrokantpralinen verkleidet hatten, fingen die Zuschauer auf den besseren Plätzen bei erstbester Gelegenheit an, ihre eigene, zutiefst verunsicherte Mannschaft auszupfeifen.
Katastrophale erste 50 Minuten des VfL
Bodenlos sei das gewesen, sagte Mario Gomez – und meinte das Spiel der Mannschaft. Fahrig, unkonzentriert, überfordert, so präsentierte sich der VfL, der froh sein musste, zur Pause nur 0:1 zurückzuliegen. In der Form der ersten 50 Minuten dürften die Wolfsburger selbst gegen den HSV keine Chance haben.
Aber es gab auch noch die gut 25 Minuten danach, in der man „das wirkliche Wolfsburger Gesicht gesehen“ habe, wie Trainer Andries Jonker sagte; in denen – natürlich – Gomez das 1:1 machte und der VfL sich mehr und mehr die Hoheit über das Geschehen erarbeitete. Bis Schiedsrichter Christian Dingert das Spiel wegen eines Unwetters unterbrechen musste. Als „fast schon tragisch“ empfand Gomez die Entscheidung. „Vielleicht war das die Quittung für unsere Saison.“ Eine Saison, die schon jetzt als ziemlich verhagelt gilt.
Eine halbe Stunde lang mussten die Spieler warten. „Jeder fängt an, auf sein Telefon zu schauen“, berichtete Jonker. Auf dem Gang war plötzlich Jubel zu hören, als Schalke gegen den HSV vermeintlich in Führung gegangen war. Und als sie nach einer halben Stunde auf den Platz zurückkehrten, wussten die Wolfsburger: Mit einem weiteren Tor wären sie gerettet. Sie wussten aber auch: Ein weiterer Gegentreffer würde ihre Ausgangslage erheblich verschlechtern – weil es im Fernduell mit Augsburg auf jedes Tor ankommen könnte. Statt in der verbliebenen Viertelstunde voll auf Sieg zu spielen, entschied sich der VfL also für ein kalkuliertes Risiko. Trainer Jonker fand das Unentschieden zwar insgesamt enttäuschend, „aber: Volle Zuversicht. Wir werden das nächste Woche hinkriegen“. Die Regenwahrscheinlichkeit in Hamburg liegt am Samstag bei 40 Prozent.