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Alles andere als ein Luftikus. Herthas Mittelstürmer Vedad Ibisevic bei der Arbeit, hier im Frühjahr gegen den FC Bayern und Torwart Manuel Neuer.
© Schmidt/Reuters

Der Kapitän von Hertha BSC: Vedad Ibisevic: Alter schützt vor Toren nicht

Der 33 Jahre alte Vedad Ibisevic hat sich mit seinen Toren selbst reanimiert. Inzwischen ist er mit fünf Pflichtspieltreffern schon wieder bester Stürmer bei Hertha BSC.

Vedad Ibisevic drehte sich noch einmal um, bevor er im Kabinentrakt verschwand. „Jetzt könnt ihr wieder anfangen zu zählen“, sagte er. Und lächelte dabei.

Drei Wochen ist das her. Ibisevic hatte gerade mit Hertha BSC in Wolfsburg einen wichtigen Auswärtspunkt gewonnen; mindestens genauso wichtig aber war für den Kapitän des Berliner Fußball-Bundesligisten, dass er nach 900 Minuten ohne Tor seinen ersten Saisontreffer erzielt hatte. Ausgeflippt ist er deswegen nicht. Ibisevic ist 33, er hat als Mensch und als Fußballer eine Menge erlebt, und vermutlich kommt auch daher eine gewisse Grundgelassenheit. „Es ist wichtig, dass man die Ruhe behält“, sagt der Bosnier.

Nach seinem ersten Saisontreffer in Wolfsburg brauchte er 116 Minuten, bis er gegen Borussia Mönchengladbach seinen zweiten erzielte; 80 Minuten bis zum dritten, gegen den 1. FC Köln, und 47 Minuten bis zum vierten, ebenfalls gegen Köln. Und da er schon in der 64. Spielminute den 2:0 (1:0)-Endstand erzielt hatte, wartet Vedad Ibisevic inzwischen schon wieder dramatische 27 Minuten auf ein Tor.

Es ist schon paradox. Bis zum Wolfsburgspiel hat Ibisevic gar nicht getroffen, seitdem in jedem Bundesligaspiel. Vor drei Wochen noch war er ein ehemaliger Torjäger auf der Zielgeraden seiner Karriere, jetzt ist er mit fünf Pflichtspieltoren wieder Herthas treffsicherster Stürmer. Manager Michael Preetz, früher selbst Stürmer, hat schon nach dem Spiel gegen Mönchengladbach auf die Automatismen im Leben eines Angreifers verwiesen, auf die veränderte Körpersprache bei Ibisevic, nachdem der erstmals wieder getroffen hatte. Auch gegen Köln war das auffällig. Herthas Kapitän überzeugte durch Präsenz; sechs Mal schoss er auf das gegnerische Tor, so oft wie kein anderer Spieler auf dem Feld.

Vor dem Spiel hatte sich Ibisevic noch einmal seine persönliche Statistik ins Gedächtnis gerufen, sich daran erinnert, dass der FC „mein Fast-Lieblingsgegner“ ist. „Hier hat’s oft geklappt.“ Auf zehn Tore kommt er nun gegen die Kölner; gegen keinen anderen Bundesligisten hat er so oft getroffen. Verlässlich erklären kann man solche Phänomene nicht; deshalb benötigen Stürmer einen gesunden Fatalismus, um sich nicht irre machen zu lassen. Vedad Ibisevic hat es darin zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. „Je mehr es klappt, desto mehr Selbstvertrauen hat man“, sagte er. „Zu viel ist aber auch nicht gut, weil sonst die Gefahr besteht, dass du durchdrehst.“

"Ich kann das, weiß du"

Neben dem frischen Selbstvertrauen spielte im konkreten Fall auch Herthas Aufstellung eine Rolle. Wie schon gegen Gladbach bot Trainer Pal Dardai Davie Selke als zweiten Stoßstürmer neben Ibisevic auf. Der Ungar hatte diese Variante schon im Sommer öffentlich ins Spiel gebracht und war damit auf einige Skepsis gestoßen. Nach dem Sieg in Köln durfte er sich in seiner Idee bestätigt fühlen. „Sie passen zusammen“, sagte Dardai. „Davie macht sehr viele Wege, ist für den Gegner sehr unangenehm. Vedad ist der Erfahrene.“ Tatsächlich wies die Statistik für Selke (11,85 Kilometer) die höchste Laufleistung aller Hertha-Spieler hinter den beiden Sechsern aus. Ibisevic landete mit 10,3 Kilometern auf Platz acht.

„Es ist anders“, sagte Ibisevic über die Variante mit zwei echten Stürmern. „Es ist mehr los, und für die Gegner sind wir ein bisschen unberechenbarer.“ Selke erkannte Fortschritte im Vergleich zum ersten gemeinsamen Auftritt eine Woche zuvor. Mit jedem Spiel wächst das Verständnis für den anderen, auch die Abstimmung untereinander. Ibisevic erzielte gegen Köln beide Tore, die beiden Assists wurden Selke zugesprochen.

Am 1:0 waren sie sogar doppelt doppelt beteiligt. Nach einer Flanke in den Strafraum rannten sie sich gegenseitig über den Haufen. Der junge Kölner Lukas Klünter war davon offenbar so sehr irritiert, dass er den Ball mit dem Schienbein über die Torauslinie lenkte, anstatt ihn gepflegt mit dem Fuß mitzunehmen. Aus der folgenden Ecke resultierte Herthas Führung: Selke köpfte den Ball aufs Tor, Ibisevic zog im richtigen Moment den Kopf ein und irritierte damit Torhüter Timo Horn. Den Abpraller stocherte der Bosnier über die Linie. Das 2:0 erzielte er mit einem Elfmeter, den Kölns Kapitän Matthias Lehmann mit einem Foul an Selke verschuldet hatte.

Zwei Tore in einem Spiel waren Ibisevic exakt 364 Tage zuvor, beim 2:1 gegen Mainz, gelungen. Als er nach dem Spiel in Köln darauf angesprochen wurde, als wäre das ein mittleres Wunder, antwortete er: „Ich kann das, weißt du.“ Und es war keineswegs ätzend gemeint.

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