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Genki Haraguchi traf für Union zum 1:0 und war zwei Stunden später immer noch aus dem Häuschen.
© Imago

Die Nummer eins im Berliner Fußball: Union lässt Hertha alt aussehen

Der 1. FC Union beendet die Berliner Stadtmeisterschaft mit drei Siegen aus drei Spielen. Abheben werden sie deswegen in Köpenick aber nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jörg Leopold

Was ließe sich nach diesem dritten Berliner Fußballderby in dieser Saison nicht alles über Hertha BSC schreiben: Chancenlos in der Niederlage, merkwürdig in den Erklärungsversuchen und von den eigenen Fans auch noch gedemütigt. Geht’s noch schlimmer? Durchaus möglich, bei Hertha jagt schließlich ein Tiefpunkt den nächsten.

Allerdings gehören zu einem Fußballspiel immer zwei Mannschaften, und damit wären wir beim 1. FC Union. Dem Stadtmeister der Saison 2021/22, der gar nicht mehr so neuen Nummer eins im Berliner Fußball und der Mannschaft, die in dieser Spielzeit fast so häufig im Olympiastadion gewonnen hat wie der eigentliche Hauptmieter (womit wir doch wieder bei Hertha BSC wären).

Union zeigte am Samstagabend zum wiederholten Male eine reife Derby-Leistung. Die Mannschaft nahm die Favoritenrolle an, trat dominant auf und ließ sich von der Atmosphäre auf den Rängen nicht beeindrucken. Nur für vier Minuten gab es Zweifel an einem Sieg, kurz nach dem unglücklichen Eigentor von Timo Baumgartl zum 1:1. Wie Union darauf reagierte, war fast schon lässig.

Nun könnten Urs Fischers Mannen anfangen zu träumen und die Fans gleich mit. Europa ist nicht weit, Hertha scheint in der eigenen Stadt kein wirklicher Kontrahent mehr zu sein. Wahrscheinlicher aber ist, dass sie bei Union tatsächlich von Spiel zu Spiel schauen und nichts für gegeben hinnehmen. Jeder neue Erfolg will erarbeitet werden, auf dem Platz und nicht als große Luftnummer.

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Es ist eine kleine Kunst für sich, all das auszublenden, was Union in dieser (und auch schon in der letzten) Saison erreicht hat. Und zu vergessen, dass wichtige Spieler den Verein verlassen haben und noch verlassen werden. Bei Union heben sie nicht ab, sie wissen, dass es bei jedem Spiel wieder bei null losgeht. Was beim Stadtrivalen stets neue Gefahr bedeutet, verstehen sie bei Union zuallererst als Chance.

Und so werden die Köpenicker auch die restlichen Saisonspiele angehen: Konzentriert, willig, aber eben auch nicht überrascht, wenn dabei nicht alles klappt. Und sollte Union am 21. Mai tatsächlich noch einmal ins Olympiastadion zurückkehren, könnte sich der Klub sogar final belohnen. Mit einem Titel, der noch größer wäre als der des Stadtmeisters.

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