4:1-Sieg im Olympiastadion gegen Hertha BSC: Der 1. FC Union gewinnt auch das dritte Stadtderby in dieser Saison
Nach Siegen im Bundesliga-Hinspiel und im DFB-Pokal krönt sich der 1. FC Union mit dem 4:1 im vollen Olympiastadion endgültig zum Berliner Stadtmeister.
Als Genki Haraguchi nach einer halben Stunde zum Gästeblock rannte, konnte man den einen oder anderen Buhruf aus der Ostkurve vernehmen. Der Japaner war ja selbst einmal Hertha-Spieler. Dass er sich nach seinem Führungstreffer für den 1. FC Union beim Jubeln nicht zurückhielt, nahm ihm so mancher Herthaner offenbar übel.
„Es war schon ein komisches Gefühl, hier gegen Hertha zu treffen“, sagte er nach dem Spiel. „Ich habe viel Respekt vor Hertha und schöne Erinnerungen an meine Zeit hier. Aber ich bin jetzt Unioner.“
Er ist jetzt Unioner, und es ist mittlerweile eine ganz andere Fußballwelt in Berlin. Als Haraguchi Hertha 2018 verließ, war Union noch Zweitligist und Hertha die unangefochtene Nummer eins in der Hauptstadt. Nun sind die Rollen vertauscht: Am Samstag feierte Union mit einem hochverdienten 4:1 schon den dritten Derbysieg in dieser Saison.
„Es ist einfach schön, die Hertha dreimal wegzuhauen und zurecht Stadtmeister zu sein“, sagte Grischa Prömel, der mit seinem Tor zum 2:1 einen wesentlichen Anteil an dem vollzogenen Derby-Triple hatte.
Erstmals fand ein Bundesliga-Derby im Olympiastadion vor vollen Rängen statt
In den Stunden vor dem Spiel schallte vor allem ein Gesang durch das Olympiastadion und die breiten Straßen drum herum: „Scheiß Union!“ Neben dem Kampf um den Klassenerhalt ging es für die Herthaner im ersten Bundesliga-Derby in einem vollen Olympiastadion schließlich auch um den Stolz. Seit 2020 gab es für Hertha keinen Derbysieg mehr, und das sollte sich diesmal möglichst ändern.
Die Bühne war dafür hätte nicht besser sein können: Das Stadion war zum ersten Mal seit 2020 ausverkauft, und die Stimmung trotz des launischen April-Wetters entsprechend elektrisch. Doch bei der Hertha gibt es in diesen Tagen einfach viel mehr Regen als Sonnenschein. Das zeigte sich auf den Rängen, wo die Fans in der Ostkurve auf einem Transparent gleich den Rücktritt von Investor Windhorst und Präsident Gegenbauer forderten. Es zeigte sich auch auf dem Platz, wo der Gastgeber klar unterlegen war.
„Wir haben gegen eine gute Mannschaft verloren, was natürlich enttäuschend ist wegen der Kulisse, aber gegen bessere Mannschaften kann man verlieren“, sagte Hertha-Trainer Felix Magath und wies darauf hin, dass sich die Tabellensituation trotz allem nicht groß verändert habe.
Mit dem Sieg verteidigten die Köpenicker Platz sieben, und sie können weiterhin neben dem Pokalsieg auch auf einen internationalen Platz in der Liga hoffen. Hertha bleibt auf einem direkten Abstiegsplatz. Vom sicheren Rang 15 sind die Charlottenburger weiter nur einen Punkt entfernt. „Wir haben es selbst in der Hand“, sagte Magath. Doch der erhoffte Schub im Abstiegskampf blieb an diesem emotionalen Samstag aus.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handyhaben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Weil Andreas Luthe erkrankt ist und Alexander Schwolow sich vergangene Woche in Leverkusen verletzte, mussten beide Trainer auf ihre Stammtorhüter verzichten. Zudem sorgte Felix Magath für eine Überraschung, als er Bundesliga-Debütant Julian Eitschberger als Ersatz für den verletzten Marvin Plattenhardt als Linksverteidiger einsetzte.
Für den 18-Jährigen wurde der Einsatz sofort zur Feuertaufe, denn Union war von Anfang an spielbestimmend. Schon nach vier Minuten zwang Timo Baumgartl Herthas Torwart Marcel Lotka zu einer ersten Parade.
Es war bei weitem nicht das letzte Mal, dass der Torhüter in der ersten halben Stunde seine Mannschaft rettete. Auch einen Schuss von Grischa Prömel wehrte er erfolgreich ab, und behauptete sich kurz danach stark im Eins-gegen-Eins mit Taiwo Awoniyi. Bei einem Hochkaräter von Sheraldo Becker reagierte er ein weiteres Mal stark.
Als Union aber nach 30 Minuten verdient in Führung ging, sah der bisher so starke Keeper plötzlich schlecht aus. Eine Flanke von Becker schätzte er falsch ein, und Haraguchi traf per Flugkopfball über den Innenpfosten ins leere Netz. Die Heimfans ließen sich trotz der Unterlegenheit nicht unterkriegen, und wurden kurz nach der Pause belohnt, als es im Rauch der Pyrotechnik aus dem Gästeblock etwas wilder wurde. Ein kluger Ball von Lucas Tousart fand auf der rechten Seite Ishak Belfodil, dessen flache Hereingabe Union-Verteidiger Timo Baumgartl nur ins eigene Tor lenken konnte.
Die Freude bei den Gastgebern war aber flüchtig. Als Prömel mit einem eleganten Kopfball zum 2:1 für Union traf, hing die Rauchwolke noch in der Luft. Zwischen Ausgleich und erneuter Führung vergingen nur vier Minuten.
Als Sheraldo Becker nach einem Konter den Ball zum 3:1 einschob, war die kurz aufgekommene Hoffnung bei Hertha endgültig dahin. Fünf Minuten vor Schluss streute Sven Michel noch Salz in der Wunde, als er mit seinem ersten Tor für Union auf 4:1 erhöhte.
Als Herthas Argentinier Santiago Ascacibar nach dem Spiel schimpfend durch die Katakomben lief, brauchte man keine großen Spanischkenntnisse, um seinen Tenor zu verstehen. Der Klassenerhalt ist nach wie vor möglich für Hertha. Der Stolz hingegen bleibt bis zur nächsten Saison verletzt.