Zweite Liga: Union Berlin spielt wie ein Bundesligist
"Scheiße, wir steigen auf": Union Berlin setzt sich langsam in der Spitzengruppe der Zweiten Liga fest - und lässt sich durch nichts aus dem Konzept bringen.
Lange nach dem Spiel des 1. FC Union Berlin gegen die Würzburger Kickers stand ein leidenschaftlicher Musiker hinter der Alten Försterei und spielte auf seinem Dudelsack. Eine andächtige, langsame Melodie erfüllte die Dunkelheit und drang zu den Ohren an den Bierständen durch. Dort lag sich eine Gruppe Berliner Fans bierseelig in den Armen und bereicherte die Melodie um eine Textzeile. „Scheiße, wir steigen auf“, sangen die Männer so andächtig sie zu dieser späten Stunde und nach einigen Getränken noch konnten. „Scheiße, wir steigen auf.“ Das klingt irgendwie nach Unfall.
Die Geschichte, die ihre Fußballer gerade dabei sind zu schreiben, mag für die eigenen Anhänger noch immer ungewohnt sein. Es gab Zeiten, da war Union weiter von der Bundesliga entfernt als Erich Ribbeck von einer Rückkehr als Bundestrainer. Ungewohnt mag es sein. Aber ein Unfall ist das nicht, was sich da gerade zuträgt am äußeren südöstlichen Berliner Stadtrand. Union Berlin gelang beim 2:0 am Freitagabend gegen die Würzburger Kickers der fünfte Sieg infolge, der Klub bleibt einer der ersten Anwärter auf einen Platz in der Bundesliga im kommenden Sommer.
Verletzungsprobleme, Sperren oder Hinausstellungen, alles unkalkulierbare Faktoren im Laufe einer Saison, können der Berliner Erfolgsserie nichts anhaben. „Man hat gesehen, warum sie das Team der Stunde in der Zweiten Liga sind“, sagte Würzburgs Trainer Bernd Hollerbach, der die Niederlage seiner Mannschaft äußerlich so gelassen hinnahm wie einer, der sich eh nichts ausgerechnet hatte. Hollerbach imponierte die unaufgeregte Spielweise des Gegners, obwohl der 48 Minuten lang in Unterzahl spielen musste nach einem Platzverweis für Roberto Puncec. „Wir sind so gefestigt, dass uns so etwas nicht aus der Bahn wirft“, sagte Verteidiger Toni Leistner.
Emanuel Pogatetz ersetzte Puncec und kam auf den schier unglaublichen Wert von hundert Prozent gewonnener Zweikämpfe. „Wir entwickeln uns gerade mit jedem Spiel ein kleines Stückchen weiter. Dieses Spiel war schon wieder eine Steigerung im Vergleich zur Vorwoche gegen 1860“, sagte Daniel Mesenhöler.
Das Ziel ist klar
Der ist 21 Jahre alte Mesenhöler stand am Freitag zum ersten Mal in seinem Leben während eines Zweitligaspiels im Tor. Vor knapp 20.000 euphorischen Zuschauern. Und er wirkte ganz ruhig, ganz abgeklärt. Wie einer, der aus alles schon zwanzigtausend Mal erlebt hat. „Er hat viel Sicherheit ausgestrahlt“, sagte Leistner. Erstaunlich, wie Union derzeit Widrigkeiten scheinbar mühelos hinter sich lässt. Stammtorhüter Jakob Busk war nicht der einzige Ausfall, auch Kristian Pedersen stand nach seiner Muskelverletzung erneut nicht im Aufgebot. Pedersen war einer der Gründe für Unions starke Saison bisher, auf der Position des Linksverteidigers gibt es wenig Bessere diese Saison in der Zweiten Liga.
Pedersens Fehlen machte sich trotzdem nicht bemerkbar, weil sein Ersatz Michael Parensen genau so gut spielt. Beim 1:0 durch Sebastian Polter leistete Parensen mit einem Kopfball die Vorarbeit. „Wir können jeden Spieler ersetzen“, sagt Trainer Jens Keller. Was nach Floskel klingt, stimmt tatsächlich. Auch ohne Stammtorwart, ohne gewohnten Linksverteidiger und mit einem Mann weniger ließ sich Union nicht verunsichern. Als eine schöne Momentaufnahme bezeichnete Angreifer Polter die Gegenwart.
Die kommenden Aufgaben beim FC St. Pauli und daheim gegen Nürnberg werden wohl deutlich anspruchsvoller als das jüngste Pflichtprogramm. „Wir werden sehen, wo uns unser Weg hinführt.“ Das war dann tatsächlich eine Floskel, nicht nur intern ist längst kommuniziert, wo Union am Ende landen will. In der Bundesliga.