Zweite Liga: Union ärgert sich nach "brutaler" Niederlage in letzter Minute
Gegen St. Pauli gleichen die Berliner vier Minuten vor Schluss aus. Doch der "Fußballgott" schlägt zurück. Mit dem Auftritt kann Union aber zufrieden sein.
Wer den Kult um den FC St. Pauli begreifen will, kommt um den Namen Nico Patschinski kaum herum. Patschinski, inzwischen 42 Jahre alt, gehörte jener legendären Elf an, die 2002 den Weltpokalsieger FC Bayern aus dem Stadion schoss. Beim 2:1-Sieg traf Patschinski zum 2:0, vorbei an Welttorhüter Oliver Kahn. Konsequenterweise nannten sich die Besieger des Weltpokalsiegers „Weltpokalsiegerbesieger“ – und bis heute (und möglicherweise für immer) fallen sie am Hamburger Millerntor in die Kategorie „Unsterblich“. Manchmal, wie am Montagabend, mischen sich die einstigen Helden sogar unter die Sterblichen im Stadion, um zu begutachten, was ihre Nachfolger anstellen.
Am Montag, als der 1. FC Union zum Spitzenspiel der Zweiten Liga beim FC St. Pauli gastierte, schaute auch Nico Patschinski vorbei. Und es war geradezu logisch, dass einige die Meinung des Weltpokalsiegerbesiegers zum turbulenten 3:2 (1:0)-Sieg des FC St. Pauli hören wollten. Die Antwort fiel kurz aus: „Och“, sagte Patschinski und lachte herzhaft.
Das Spitzenspiel war ja auch zugunsten von Patschinskis Paulianern ausgegangen, inklusive einer Schlussphase, die mit „och“ dann aber doch unzureichend beschrieben war.
Union glich vier Minuten vor Schluss aus
Eigentlich schien bis sechs Minuten vor dem Ende ja alles klar: 2:0 führten die Gastgeber, die in der zweiten Halbzeit elanvoller und frischer gewirkt hatten, während die Spieler des 1. FC Union die wenigen guten Gelegenheiten einfach nicht ins Tor brachten. Bis Grischa Prömel einen Ball über die Linie drückte – auf Kopfballvorlage Sebastian Anderssons. 2:1. Zwei Minuten später drosch Akaki Gogia den Ball aufs Tor – und Suleiman Abdullahi den Abpraller ins Tor. 2:2.
Was dann folgte, umschrieb Unions Trainer Urs Fischer so: „Das ist unheimlich schwierig. Die Jungs hören auf einen nicht mehr bei der Atmosphäre.“ Hätten sie ihn doch gehört, wären sie vielleicht mit einem Punkt nach Hause gefahren. Fischer hätte das 2:2 durchaus gekauft. Es wurde ihm und seinen Spieler auf brutale Weise entrissen.
Meier ist schon wieder der "Fußballgott"
Die 90 Minuten waren bereits überschritten, als Abdullahi seinen Gegenspieler Buchtmann im Strafraum am Trikot zupfte. Es gab Elfmeter, Alex Meier trat an, Tor, Abpfiff. Ein Jubelsturm in den Farben braun und weiß brach los, „Fußballgott“, schrien die Fans des FC St. Pauli und meinten natürlich Alex Meier, während jene des 1. FC Union fassungslos im Block verharrten.
„Das ist ein Prozess fürs nächste Mal“, fand Fischer, der zuvor eine gute Leistung seiner Elf gesehen hatte. Sie war körperlich präsent, kompensierte die Ausfälle (Trimmel, Reichel, Polter) gut und bewies eine tolle Moral. Die Personalentscheidungen des Trainers fruchteten ebenfalls. Berkan Taz, der seine ersten Saisonminuten bekam, hatte direkt die Chance zum 1:2 und belebte das Spiel der Berliner. Gogia bereitete das 2:2 durch Abdullahi vor, wobei jener dann zum Pechvogel avancierte."Er muss den Arm weglassen", bewertete Hübner den Einsatz seines Mitspielers, der zum Elfmeter führte – und in der Folge zu einer großen Leere im Berliner Lager.
Union hatte das Glück nicht auf seiner Seite
Felix Kroos und Manuel Schmiedebach rauschten wortlos durch die Katakomben, beide mit versteinertem Gesicht. Auch Torwart Rafal Gikiewicz wusste nicht, was er sagen sollte. Dann sprach er doch: „Das gleiche Spiel wie in Aue. Wir haben den Ball, wir haben Torchancen, Pauli schießt die Tore. Ich verstehe nicht, warum wir das machen.“
Beim ersten Gegentor war er allerdings auch nicht ganz unschuldig. Sicher, St. Paulis Sami Allagui trat den Ball traumhaft schön ins obere linke Eck. Aber Gikiewicz war ja irgendwie dran, nur eben nicht dran genug. „Mit ein bisschen Glück kann ich den vielleicht halten.“ Aber das Glück hatten die Unioner an diesem Abend eben nicht auf ihrer Seite. „Das ist brutal“, fand Florian Hübner, „einen Punkt musst du hier mitnehmen, wenn nicht gar drei Punkte.“
"Zwei Tore sind nicht ganz verkehrt", sagte Meier
Der Mann, der das verhinderte, hieß Alex Meier, der nun auch auf St. Pauli zum Fußballgott gereift ist – so schnell, wie es nur wenigen Fußballgöttern zuvor gelang, nach seinem ersten Saisoneinsatz über 90 Minuten nämlich. Zwei Aktionen reichten ihm. Beim 2:0 nach etwas über einer Stunde setzte er sich im Luftkampf gleich gegen drei Unioner durch. Und dann in jener 94. Minute beim Elfmeter, den er mit einer Selbstverständlichkeit in die rechte Ecke schoss, wie sie einem Alex Meier eben zu eigen ist. „Zwei Tore sind, glaube ich, nicht ganz verkehrt“, sagte der 36-jährige Meier hinterher. Es ist gut möglich, dass sie ihn am Millerntor bald in dieselbe Kategorie einordnen wie Nico Patschinski.
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