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Mit eine bisschen Abstand kann man auch in Corona-Zeiten nebeneinander radeln.
© dpa

Radkolumne „Abgefahren“: Und notfalls hilft der Ergotrainer

Unser Kolumnist ist ebenfalls von der Corona-Krise betroffen. Doch Radfahren könnte helfen – und das macht ihm Hoffnung.

Michael Wiedersich ist Sportjournalist und Radsporttrainer. Hier schreibt er im Wechsel mit Läuferin Jeannette Hagen.

Heute geht es hier ausnahmsweise auch um die Coronavirus-Pandemie. Dieses fiese Virus raubt derzeit fast der ganzen Welt im wahrsten Sinne des Wortes den Atem. Klar, dass auch der gemeine Radfahrer davon betroffen ist.

Die Absagen der berühmten Frühjahrsrennen in Italien, Belgien und den Niederlanden sind vermutlich noch das geringste Problem für die Radsport-Fans. Wenn man schon in Quarantäne ist, kann man so noch nicht mal Radfahren im Fernsehen anschauen. Das Virus kennt eben keine Grenzen. Vielleicht werden aus den Frühjahrsklassikern wegen erfolgreicher Terminverschiebungen wenigstens noch Herbstklassiker. Und wer ganz große Sehnsucht hat, tröstet sich mit Aufzeichnungen epischer Rennen aus der Vergangenheit.

Auf Mallorca sind zahlreiche Radtouristen gestrandet

Dass das anstehende Trainingslager auf Mallorca mit meinen Kunden abgesagt werden musste, ist schade, aber die beiden Jungs und ich werden es vermutlich überleben. Schlechter haben es die vielen Rad-Urlauber, die derzeit auf der Balearen-Insel gestrandet sind. Wegen der Ausgangssperre dürfen sie seit Sonntag ihre Hotelzimmer nicht verlassen. Bei Sonnenschein und milden Temperaturen die schönsten Trainingstrecken vor der Nase zu haben, dort aber nicht fahren zu dürfen, ist wirklich hart.

Nein, die Fragen, die nicht nur mich umtreiben, sind eigentlich ganz einfach: Kann man hier noch raus an die frische Luft und radelnd die durchbrechende Märzsonne unbeschwert genießen? Oder ist es aus epidemiologischen Gründen besser, sich in die eigenen vier Wände einzuschließen und abzuwarten? Leider bin ich kein Virologe.

Aber wenn ein Experte spricht, höre ich aufmerksam zu. Wie am vergangenen Sonntag, als der Arzt und Kolumnisten-Kollege Alexander Kekulé bei der Talkshow von Anne Will zu Gast war. Nach seiner Meinung ist es ganz okay, mit der Familie draußen eine Runde spazieren zu gehen, er rät von einer rigorosen Ausgangssperre ab. Da wurde ich hellhörig. Wenn ich das aufs Radfahren übertrage, müsste doch eigentlich auch eine Runde Radfahren in Ordnung sein, vorausgesetzt man fährt nicht in einer großen Gruppe durchs Land.

Ins gleiche Horn stieß auch Gerd Antes. „Fahrrad für alle, die in der Lage sind“ sei „wahrscheinlich hocheffektiv“, sagte der Epidemiologe und frühere Chef des Deutschen Cochrane-Zentrums in Freiburg vor einigen Tagen im Tagesspiegel. Die Vermeidung öffentlicher Verkehrsmittel durch Radfahren zum Selbstschutz und zum Schutz anderer sowie das daraus resultierende Mehrangebot an Platz in Bussen und Bahnen leuchtet mir ein. Radfahren gegen den Virus, das hört sich sehr gut an.

Ich jedenfalls bin Optimist und bleibe zuversichtlich. Denn: am Ende wird sicher alles gut und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende. Für den Fall der Fälle, wenn die Ausgangssperre doch noch kommt, bin ich radfahrtechnisch vorbereitet. Ähnlich wie Will Smith im Kino-Film „I am Legend“ halte ich mich dann zuhause auf dem Ergotrainer fit. Nur in der Badewanne nachts mit dem Gewehr im Arm werde ich nicht schlafen.

Michael Wiedersich

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