Biathlon-WM in Kontiolahti: Und noch ein Kracher
Mit fünf WM-Medaillen rehabilitieren sich die deutschen Biathleten nach der schwachen Bilanz bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi.
Am Sonntag hatte es auch der Teppich in der „Biathlon-Taverne“ von Kontiolahti geschafft. Das schwarz-graue Geläuf, das in dem großen weißen Zelt im Zentrum der WM-Anlage ausgelegt war und mit jedem Tag einen stärkeren Geruchsmix aus verschüttetem Kaffee und Alkohol verbreitete, war reif für den Sondermüll. Wobei die finnischen Zuschauer zuvor vor allem dem Frustsaufen gefrönt haben dürften. Denn auch beim finalen Massenstart lief Kaisa Mäkäräinen, die Vorzeigebiathletin aus dem nahen Joensuu, der Konkurrenz erneut hinterher, wurde 15. Während sich auf dem Siegerpodest wieder eine dieser jungen, enthemmten Deutschen tummelte.
Am ersten WM-Sonntag war es Laura Dahlmeier, 21, mit Platz zwei in der Verfolgung, sieben Tage später tat es ihr nun die gleichaltrige Franziska Preuß gleich. Hinter der Ukrainerin Walj Semerenko holte sich die Biathletin aus Albaching Silber im Massenstart und versetzte damit nicht nur die versammelte Weltelite ins Staunen. Sondern auch sich selbst.
Erst mit 15 war sie durch einen Schnupperkurs in ihrer bayerischen Heimat zum Biathlon gekommen – und sechs Jahre später zeigte Franziska Preuß Weltklasse-Konkurrentinnen wie der Weißrussin Darja Domratschewa (Platz vier, ohne Medaille in Kontiolahti) oder der Finnin Mäkäräinen, die immerhin Bronze im Einzel holte, die Hacken. „Ich hätte nie gedacht, dass das klappt. Das ist grandios, ein Traum, den man gar nicht fassen kann“, stammelte sie, als die Sonne über Nordkarelien ihre silberne Medaille funkeln ließ.
Wegen der guten Ergebnisse in diesem Winter hatten viele Experten für die Weltmeisterschaften in Finnlands Osten eine Renaissance des deutschen Biathlons prophezeit. Nun waren die Prognosen eingetreten, mit Preuß’ Silber im Massenstart plus den Jagdmedaillen von Erik Lesser (Gold) und Dahlmeier sowie den souveränen Staffelsiegen bei den Frauen wie bei den Männern lag die Ausbeute des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) bei fünf Medaillen. Bei der letzten WM zwei Jahre zuvor in Nove Mesto und bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi waren es nur jeweils zwei gewesen.
Auch das Team der Männer hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt
Von den Männern, für die Simon Schempp im abschließenden Massenstart beim Sieg des Slowenen Jakov Fak als bester Deutscher auf Platz acht landete, waren die guten Ergebnisse wegen der guten Basisarbeit erwartet worden. Das Team von Bundestrainer Mark Kirchner hat sich in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich entwickelt und mit wechselnden Kandidaten in der internationalen Spitze etabliert. „Wir haben im Moment eine Situation, dass wir in Deutschland sicherlich neun Männer mit Weltcup-Niveau haben. Aber es können eben nur sechs laufen“, beschreibt Arnd Peiffer das aktuelle Luxusproblem von Chefcoach Kirchner – und dreht den Gedanken auf die Situation bei Staffelrennen weiter: „Das ist bei uns eigentlich das Schöne: dass jede Position wirklich top besetzt ist. Ich freu’ mich immer beim Wechsel, weil ich weiß: Da kommt noch ein Kracher bei uns.“
Entsprechend ließen es Erik Lesser, Daniel Böhm, Peiffer und Schempp am Samstag als Quartett krachen, schafften das erste Staffel-Gold für den DSV seit dem Heimspiel 2004 in Oberhof. 24 Stunden zuvor hatten die Teamkolleginnen überraschend erfolgreich vorgelegt, gemeinsam konnten sich beide Teams am Samstagabend auf dem Marktplatz von Joensuu feiern lassen. Zum ersten Mal seit 18 Jahren siegten wieder beide deutschen Staffeln bei Weltmeisterschaften – für Laura Dahlmeier ein guter Grund, ihre glitzernde Trophäe genauer unter die Lupe zu nehmen.
„Kontiolahti ist falsch geschrieben – das ist voll peinlich“, amüsierte sich die junge Garmischerin, als sie den auf ihrer Medaille eingravierten Buchstabendreher entdeckte: Nun sind sie und all die anderen Biathleten eben Medaillengewinner von „Kontiolathi“. Die wichtigste Erkenntnis für den DSV aber ist: Die deutschen Biathleten sind zu einem echten Team geworden. Der Mannschaftsgeist war auch vorher schon viel stärker als in früheren Jahren - aber mit den jüngsten Erfolgen dürfte er jetzt noch ein bisschen kräftiger ausfallen.