Biathlon: Franziska Preuß auf dem Weg in die Weltspitze
Franziska Preuß zeigt beim Weltcup in Oberhof, dass sie die nächste deutsche Hoffnungsträgerin im Biathlon werden kann. An die neue Aufmerksamkeit muss sich die 20-Jährige aber erst noch gewöhnen.
Schneemann Flocke grinst ständig. Das Plüschkostüm gibt dem Oberhofer Maskottchen auch nur diesen einen Gesichtsausdruck. Als sich Flocke am Sonntag nach dem Biathlon-Massenstart der Frauen ganz eng an Franziska Preuß drückte, um mit ihr für ein Foto zu posieren, lächelte sie fast so breit wie der Schneemann. Dabei blieb es auch danach. Sie lächelte, als die Zuschauer in den ersten Reihen Selfies mit ihr schießen wollten. Sie lächelte, als sie deren Fahnen signierte – und als sie ihre Autogrammkarten verteilte. Preuß hatte auch allen Grund, zufrieden zu sein. Die 20-Jährige hat einen starken Weltcup in Oberhof hingelegt. Im Massenstart wurde sie beim Sieg der Weißrussin Darja Domratschewa als beste Deutsche Sechste (drei Fehler), beim Sprint am Freitag war sie auf Rang vier gelaufen.
„Dös is scho schee“, sagte Preuß. „I bin mehr als z’friedn.“ Preuß kommt aus Oberbayern und redet auch so. Sie sprach von einem brutal schweren Rennen – diesmal windete es nicht nur stark, es schneite auch. Und sie schilderte, dass sie beim letzten Schießen des Massenstarts bewusst mehr riskiert habe. Preuß lag als Fünfte in guter Position. Doch ihre ersten beiden Schüsse verfehlten das Ziel. Und so lief sie am Ende als Sechste ein. Franziska Hildebrand wurde Elfte, Vanessa Hinz erreichte Platz 16.
„Es war genau richtig, dass Franziska Preuß mehr Risiko gegangen ist“, sagte der Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig. „Wir wollen ja Draufgängerinnen und keine vorsichtigen Hühner.“ Überhaupt ist er mit der Entwicklung von Preuß überaus zufrieden. „Sie wächst immer mehr in ihre neue Rolle hinein. Sie traut sich, ihr Potenzial abzurufen.“
Mit 17 Jahren trumpfte Preuß bei den Jugend-Winterspielen groß auf
Das Potenzial war schon ein Thema, bevor ihre Karriere so richtig begonnen hatte. Mit 17 Jahren trumpfte die Biathletin bei den ersten Olympischen Jugend-Winterspielen groß auf. Sie gewann 2012 in Innsbruck drei Goldmedaillen und eine silberne. Prompt hatte sie den Stempel: die nächste Magdalena Neuner. Als Preuß ein Jahr später im Weltcup startete, bestätigte sie die Erwartungen. Sie kam dreimal unter die besten zehn, überzeugte in der Staffel – doch im wichtigsten Rennen der Saison lief alles gegen sie. Bei den Olympischen Spielen in Sotschi stürzte sie als Startläuferin der Staffel, schoss daneben und übergab mit so viel Rückstand an ihre Teamkollegin, dass die Deutschen keine Chance mehr auf eine Medaille hatten. Preuß verfolgte das Rennen danach mit Tränen in den Augen.
In ihrer jungen Karriere hat Preuß also schon einiges mitgemacht. Dass es nun wieder besser klappt, habe auch damit zu tun, wie sie die Rennen nach den Enttäuschungen von Sotschi mittlerweile angehe. „Ich habe meine Einstellung geändert“, sagt sie. „Ich mache mir weniger Druck vor den Wettkämpfen, ich freue mich mehr darauf.“ So ist die ohnehin gute Schützin noch sicherer geworden – und daraus zieht sie wiederum mehr Selbstbewusstsein in der Loipe. „Wir sind schon einen Schritt weiter als gedacht“, sagt Bundestrainer Hönig. „Und bis zur WM im März ist noch eine Steigerung möglich.“
Ihre rasante Entwicklung hat auch die Konkurrenz überrascht. Olympiasiegerin Domratschewa sagte: „Franziska hat viele im Feld beeindruckt. Sie hat eine große Zukunft.“ Preuß spürt und verinnerlicht das auch immer stärker. Ohne verbissen oder übermütig zu sein, formuliert sie als nächstes Ziel jetzt einen Platz auf dem Siegerpodest. Am liebsten in ihrem Wohnort Ruhpolding schon beim nächsten Weltcup, der am Mittwoch beginnt. Schließlich sei es ziemlich schee, an Gegnerinnen wie Domratschewa vorbeizulaufen, sagt sie.
Dass damit auch die Aufmerksamkeit wächst, ist für Preuß noch Gewöhnungssache. „Wenn die Leute meinen Namen rufen, frage ich mich meist immer noch: Meinen die jetzt mich?“ Aber so ungewohnt das für sie ist, sie lässt sich dadurch nicht verrückt machen: „Ich wurde ja gut aufgezogen.“ In Oberbayern eben.