24-Stunden-Rennen in Daytona: Trophäen, Trinkgelage und Trump
Zehntausende zieht es jedes Jahr nach Daytona zum 24-Stunden-Rennen. Ein Besuch an der Rennstrecke.
Daytona ist Kult, und Hurley Haywood die dazu passende Legende. Der 68-Jährige ist einer der erfolgreichsten Sportwagenfahrer der Motorsportgeschichte. Fünf Mal hat er das 24-Stunden-Rennen in Daytona gewonnen. „Das erste Mal war ich 1969 hier“, sagt der braungebrannte Amerikaner. Wenn Haywood an einer Rennstrecke auftaucht, muss er viele Autogramme schreiben und von seinen Erlebnissen erzählen. 40 Mal ist er beim 24-Stunden-Klassiker in Florida an den Start gegangen, das letzte Mal vor fünf Jahren. Haywood hat auch die kennengelernt, deren Namen nicht nur mit dem Motorsport verknüpft sind: die Hollywoodgrößen Steve McQueen und Paul Newman.
Das berühmte Langstreckenrennen gilt als Mythos. Und zu seiner Geschichte gehört, dass es dieses Rennen ohne Alkoholverbot vermutlich nie gegeben hätte. Wegen des Alkoholverbotes in den 1940er und 1950er Jahren in den Südstaaten frisierten Schmuggler ihre Autos und lieferten sich wilde Verfolgungsjagden mit der Polizei, aus denen die ersten Autorennen entstanden. Die Sieger erhielten Preise wie Zigarrenkisten oder eine gute Flasche Alkohol.
Gefahren wurden die Rennen zunächst auf dem harten Sand von Daytona Beach, ab 1959 auf der neu eröffneten Rennstrecke. Zum 55. Mal wird das 24-Stunden-Rennen an diesem Wochenende ausgetragen, das der Saisonauftakt der amerikanischen IMSA-Rennserie ist und zu dem auch Porsche wieder Journalisten eingeladen hat.
Nancy und Jack haben kein einziges Rennen in den vergangenen Jahren verpasst. Seit 27 Jahren steht das Paar auf demselben Platz im Campground. Draußen vor ihrem Wohnwagen sind Campingstühle mit Stars-and-Stripes-Bezügen aufgestellt. Von ihrem Platz direkt an der Rennstrecke haben sie den perfekten Blick auf die Steilkurve. Jack, 67, in langen Hosen und einer Jacke mit einem 24- Stunden-Daytona-Emblem, verkauft im Sonnenstaat Florida Swimmingpools. Die beiden fangen an, ungefragt über Politik und ihren Präsidenten zu sprechen. Republikaner seien sie zwar nicht, aber dieses Mal hätten sie Trump gewählt. „Nach den beiden schlechtesten Präsidenten, die wir gehabt haben kann es nur besser werden“, sagt Jack.
Haywood kennt sie alle
Rennsport-Legende Haywood weiß auch eine Geschichte zum neuen Präsidenten zu erzählen. Er habe Trump inmitten von „beautiful women“ auf einer Party in Aspen einmal die Hand geschüttelt. Und er sei sich sicher, dass er gut sein werde für den Motorsport. „Der Mann hat gute Ideen, und er wird eine bessere Steuerpolitik machen für diejenigen, die Motorsport betreiben.“
Daytona ist ein großer Rummelplatz mit einem Riesenrad, Fressständen und monströsen amerikanischen Wohnmobilen auf dem Gelände. Amerikanische Fahnen hängen an den Autos, vor denen die Motorsportfans sitzen, grillen oder ein „Bud“, ein Budweiser, trinken. „Die Atmosphäre ist hier total relaxed“, erzählt Melody. Die Bankangestellte fährt jedes Jahr mit Freunden von Baton Rouge, der Hauptstadt von Louisiana, mehr als 1000 Kilometer nach Daytona zum 24-Stunden-Rennen.
Hier in Daytona dabei zu sein, sei ein „Privileg“, sagt sie. Die Zuschauer seien alle „sehr freundlich“ im Gegensatz zu Motorsportfans der in den USA beliebten Nascar-Tourenwagenrennen. „Lassen Sie es mich so sagen: In Daytona ist eine andere Klasse von Zuschauern, die eine bestimmte Haltung haben.“ Und das Wort „attitude“ hört man häufig hier in Daytona. Eine Haltung für puren Rennsport, die Begeisterung für Sportwagen, Prototypen und das Mitfiebern mit den Teams und den Fahrern.
Die begehrte Rolex
Seit 2002 fährt Jörg Bergmeister in Daytona. Der 40-jährige Porsche-Werksfahrer ist einer der erfolgreichsten deutschen Porsche-Piloten in den USA. Er gewann mehrere Titel in den amerikanischen Rennserien, wurde in Daytona 2003 Gesamtsieger und belegte den ersten Platz in der GT-Klasse 2002 und 2009. „Hier zu fahren ist ein Klassiker“, sagt Bergmeister. Technisch anspruchsvoll ist die Strecke, die im Gegensatz zu Le Mans nachts beleuchtet ist, für die meisten Profis nicht. Nach etwa 740 Runden in 24 Stunden geht es vielen Fahrern auch darum, in ihrer Kategorie eine Rolex zu gewinnen. Der Genfer Uhrenkonzern ist seit 25 Jahren offizieller Sponsor des Rennens. Diese spezielle Rolex Daytona gibt es für die Sieger in jeder Kategorie. Ihr Wert: geschätzte 50 000 Euro. Wertzuwachs inklusive angesichts der langen Liste von Sammlern, die scharf auf ein solch spezielles Exemplar sind.
Einer der berühmtesten Rolex-Liebhaber war auch Hollywood-Schauspieler Paul Newman. Der Legende nach schenkte ihm seine Frau Joanne Woodward seine erste Rolex Daytona, als er in den 1970er Jahren mit dem Rennfahren anfing. Hurley Haywood beginnt zu schwärmen, wenn er über „seinen Freund“ Paul Newman erzählt. Ein feiner Mensch sei er gewesen, ein Enthusiast, der nicht nur Motorsport mochte, sondern als Amateur auch verdammt gut habe fahren können. 1979 holte er im Alter von 54 Jahren im Team von Dick Barbour beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans auf einem Porsche 935 Platz zwei. Mit 70 Jahren holte Newman 1995 noch einen Klassensieg in Daytona. Sein Schauspielkollege Steve McQueen spielte gern den Outlaw. Auch im wahren Leben gab McQueen Gas mit seinen Motorrädern oder Autos. Daytona-Legende Haywood kann sich nicht daran erinnern, dass McQueen jemals in Daytona gefahren ist. Auch in der offiziellen Statistik kann man nichts darüber in Erfahrung bringen. Aber „Mister Cool“ passt als tougher Typ gut zu Daytona.
Zehntausende Motorsportfans kommen jedes Jahr zum 24-Stunden-Rennen auf den Daytona International Speedway. Die Streckenbetreiber werben mit dem Zusatz „World center of racing“. Der 5,7 Kilometer lange Kurs ist einzigartig: Er besteht aus einem Hochgeschwindigkeits-Trioval und einem Infield mit kurvigem Geschlängel, in dem man praktisch nicht überholen kann. Das Besondere an der Strecke sind die Steilkurven mit satten 31 Grad Neigung. Die physikalischen Kräfte, die auf die Fahrer einwirken, können einige Besucher leibhaftig erfahren. Automobilhersteller bieten sogenannte „Hot Laps“ an, „heiße Runden“, in denen ein Instruktor Rennfans über die Strecke fährt. Die Piloten sind fast alle Profis.
Am Anfang der Strecke wartet James in einem Porsche 911 Turbo auf seine Kundschaft. Hinter seinem Fahrzeug stehen die „Taxis“ der anderen in Daytona vertretenen Hersteller. Sobald die Strecke freigegeben ist, gibt James Gas – und zwar richtig Gas. Entsprechend hoch sind die Fliehkräfte im kurvenreichen Infield, entsprechend hoch ist bei den meisten Beifahrern die Pulsfrequenz. Etwas entspannter ist die Fahrt in den Steilkurven. Dort sind die seitlichen Fliehkräfte bei hohem Tempo wegen der Überhöhung der Kurven kaum zu spüren. Aber dann wartet die Bus-Stop-Schikane. Dort kommt es auf den richtigen Bremspunkt an: Links, rechts, rechts, links und dann wieder in die nächste Steilwandkurve.
Für die Fahrer geht es auf der Strecke sehr viel ernster zur Sache. Hurley Haywood durfte am Sonnabend zum ersten Mal die grüne Flagge zur Startfreigabe schwenken. Für ihn eine neue Perspektive. Bei seinen 40 Starts hatte er Grün immer nur aus dem Cockpit heraus gesehen.
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