zum Hauptinhalt
Neel Jani fährt den siegreichen Porsche nach 24 Stunden in Le Mans über die Ziellinie.
© AFP

24-Stunden-Rennen von Le Mans: Porsche profitiert vom Toyota-Pech

Nur drei Minuten fehlen Toyota zum Sieg beim Klassiker von Le Mans. Am Ende feiert deshalb wieder mal Porsche - zum mittlerweile schon 18. Mal.

Das war richtig bitter: Gut drei Minuten vor Ende des 24-Stunden-Rennens in Le Mans blieb das stundenlang führende Hybrid-Siegerauto Nummer 5 von Toyota auf der Strecke liegen. Bei den japanischen Fans auf der Tribüne sah man in entsetzte Gesichter, im Fahrerlager verstummten die Gespräche. Nach einem stundenlangen Kopf-an-Kopf-Rennen gewannen Neel Jani, Romain Dumas und Marc Lieb im 919 Hybrid mit der Startnummer zwei das Rennen am Sonntag vor dem zweiten Toyota. Den Toyota Hybrid mit der Nummer 6 fuhren Stéphane Sarrazin, Mike Conway und Kamui Kobayashi. Damit verpasste Toyota den ersten Gesamtsieg beim Langstreckenklassiker im Nordwesten Frankreichs. Für Porsche war es der 18. Sieg in Le Mans. Audi hatte beim diesjährigen Klassiker mit vielen Boxenstopps zu kämpfen und kam mit den beiden R 18 auf die Plätze drei und vier.

Neel Jani zeigte Mitgefühl mit den „Verlierern“. Es sei „unglaublich was passiert ist. Es gibt keine Worte“, sagte Jani, der den Porsche ins Ziel fuhr. Er habe jede Runde alles gegeben, sei „ans Limit gegangen um die Toyota zu jagen“. Das habe funktioniert. „Aber es bricht mir auch das Herz, wenn ich mich in die Toyota-Jungs hineinversetze“, sagte der Schweizer Porsche-Pilot. Warum der Toyota stehen geblieben ist, war zunächst unklar. Das Team twitterte: „Heart broken.“

Das von Taktik geprägte Rennen mit hohem Tempo entwickelte sich am Sonntag zunächst zu einem Duell um Sekunden. Die Führung wechselte mehrfach, sogar nach über 20 Rennstunden lagen diese drei Autos noch innerhalb weniger Sekunden fast gleichauf . Aber das ist Le Mans: Ausfälle, Wetterkapriolen, 24 Stunden Dauerbelastung für Mensch und Maschine beim härtesten Autorennen der Welt. Das Rennen begann gut für Toyota, die ohne Tankstopp 14 Runden fahren konnten. Das Porsche-Team wurde unruhig und versuchte das über eine andere Intervall-Taktik auszugleichen.

Bei einem Langstreckenrennen liegen Erfolg und Niederlage sehr nah beieinander. Das mussten auch die amtierenden Weltmeister Timo Bernhard, Mark Webber, Brendon Hartley erfahren. Nach gut acht Stunden Rennen war für das Team mit der Porsche-Startnummer 1 am Sonntagabend der Traum vom Titelgewinn in Le Mans ausgeträumt: Bernhard übergab an Hartley, der nach nur einer Runde wieder in die Box musste. Es war ein Defekt an der Wasserpumpe, die Reparatur dauerte mit einer Folgereparatur 2,5 Stunden. Der Porsche kam mit 39 Runden Rückstand wieder in das Rennen zurück und kämpfte sich bis zum Rennende auf Platz 13 zurück. Mit diesem Ergebnis haben die Porsche-Fahrer jedoch keine Chance mehr auf den Titelgewinn 2016.

Bitteres Ende für Toyota. Kurz vor dem Ende muss das führende Auto von Strecke geschoben werden.
Bitteres Ende für Toyota. Kurz vor dem Ende muss das führende Auto von Strecke geschoben werden.
© AFP

Daytona und Le Mans: Diese beiden Langstreckenrennen gelten als Mythos und locken jedes Jahr hunderttausende von Motorsportfans und Stars wie in diesem Jahr Brad Pitt, Keanu Reeves, Jackie Chan oder Patrick Dempsey. Für viele Rennfahrer ist die über 13 Kilometer lange Rennstrecke im Nordwesten Frankreichs, der Circuit de la Sarthe, eine ihrer Lieblingsstrecken. „Le Mans ist das Rennen, das du gewinnen willst“, sagte Ex-Formel-1 Fahrer Mark Webber.

Eine nicht vorhersehbare Komponente in Le Mans ist das Wetter. Pünktlich zum Start am Samstag um 15 Uhr begann es stark zu regnen. Dadurch ging die vom Le-Mans-Veranstalter ACO ausgedachte Dramaturgie für den Start nicht ganz auf: Hollywoodstar Brad Pitt stand im Regen, lächelte professionell, hielt die blaue Startfahne tapfer in der Hand und deutete die Startfreigabe an.

Den 13,6 Kilometer langen Kurs halten viele für das weltweit "anspruchsvollste Rennen"

Sieben Runden mussten die Boliden hinter dem Safety Car fahren. Das Sicherungsfahrzeug fuhr für einige Prototypen so langsam, dass diese Probleme mit der Temperatur bekamen. Viele Zuschauer pfiffen, weil sie die langsamen Runden für überflüssig hielten – obwohl auf den Monitoren deutlich Pfützen auf einigen Streckenabschnitten zu sehen waren, die von Streckenposten mithilfe von Besen weggeschoben wurden. Nach 53 langen Minuten startete das Feld mit 60 Rennwagen. Wie lange das Wetter beständig blieb, war am Samstag noch völlig offen. Prognosen mochte selbst Rennfahrer-Legende Hans-Joachim „Striezel“ Stuck noch Samstagnacht nicht abgeben. „Ich wette auf niemanden. Die Teams liegen so nah beisammen.“ Stuck gewann 1986 und 1987 Le Mans und freute sich, als Präsident des Deutschen Motor Sport Bunds (DMSB) bei dem Rennen mit 60 Teams und insgesamt 180 Fahrern als Gast dabei zu sein.

Der 13,6 Kilometer lange Kurs ist für Weltmeister Bernhard das weltweit „anspruchsvollste Rennen“. Zwei Drittel der Strecke verläuft über Landstraßen, auf denen viele Spurrillen sind. „Bei Regen sieht man extrem wenig“, sagte Bernhard. Auf der sechs Kilometer langen Hunaudières-Geraden errreichen die Fahrer Höchstgeschwindigkeiten bis zu 340 km/h, dann müssen sie schnell umschalten, wenn es mit 60 km/h in die Haarnadelkurven geht. „Die Geschwindigkeiten und die langsameren Fahrzeuge musst Du einkalkulieren“, sagte der Rennfahrer. „Denn in Le Mans gibt es wenig Raum, Fehler zu machen.“ Das 24-Stunden-Rennen in Le Mans zählt zur Langstrecken-WM (WEC), in der Autos in vier Klassen an den Start gehen. Neben den Prototypen fahren die seriennahen GT-Autos.

Brad Pitt steht im Regen. Aber nur kurz, der US-Schauspieler startet das Rennen von Le Mans.
Brad Pitt steht im Regen. Aber nur kurz, der US-Schauspieler startet das Rennen von Le Mans.
© AFP

Die Le-Mans-Nacht war eine der kürzesten des Jahres. Sonnenuntergang am Samstag um 22.01 Uhr, Sonnenaufgang am Sonntag um 5.59 Uhr. Während die Fahrer zum Beispiel in Daytona eine flutlichtbeleuchtete Strecke haben, fahren sie in Le Mans in der Dunkelheit. „Und wenn es regnet und Du in der Gischt fährst, siehst Du fast gar nichts mehr“, sagte Bernhard. Im Schnitt fährt ein Pilot drei bis maximal vier Stunden vor dem Wechsel. „Das ist ein extrem hoher Stress“, so der Weltmeister, "man kann in einer Pause nicht entspannen.“. Nach Massage, Physiotherapie, Essen und „Power-Napping“ in den Schlafcontainern im Fahrerlager beobachten die Fahrer wie die über 200 000 Zuschauer das Rennen genau. „Wenn Du wieder ins Fahrzeug einsteigst, weißt Du exakt, was los ist, wie der Rennverlauf ist.“

Viele Fans waren schon Anfang der Woche nach Le Mans gekommen und campierten auf einem der Zeltplätze. Eine ganze Le-Mans-Woche beinhaltet technische Abnahme, Trainings, Qualifyings, Besuche in der Boxengasse und die legendäre Fahrerparade im Zentrum am Freitagabend. Rund um die Uhr ist das Rennen ein Volksfest mit Riesenrad, Fressbuden, Fanartikel-Shops und Irish Pubs. Die Fans verteilen sich wie jedes Jahr auf Tribünen, sitzen vor ihren Zelten, trinken Bier, grillen, schieben sich in Massen durch das Gelände oder lassen sich zu Aussichtspunkten wie an die „Indianapolis“, eine scharfe Linkskurve, fahren.

Großes Interesse haben Formel-1-Fahrer, in der LMP1-Klasse mitzufahren. Fernando Alonso erhielt im vergangenen Jahr von McLaren/Honda keine Freigabe, Niko Hülkenberg fuhr mit im Porsche-Siegerauto. In diesem Jahr hatte sich das erübrigt: Bernie Ecclestone hat den Rennkalender dieses Jahres entgegen der ursprünglichen Aussage des Automobil-Weltverbandes (FIA) so gestaltet, dass sich der neue Grand Prix in Baku (Aserbaidschan) am Sonntag mit dem Langstreckenklassiker in Frankreich überschnitt. Die FIA hatte zuvor immer betont, dass man eine solche Konstellation verhindern werde, Ecclestone aber setzte sich durch. „ACO und FIA müssen sich vertragen“, ärgerte sich Stuck. So ein Verhalten sei für beide Seiten schlecht.

Zur Startseite