Zabel und Ullrich nahmen Epo: Trau keinem Radprofi
Neben Gesamtsieger Marco Pantani haben bei der Tour de France 1998 auch Jan Ullrich und Erik Zabel mit EPO gedopt. Selbst bei ihren Dopinggeständnissen hatten sie die Einnahme von EPO bisher verneint.
Die Untersuchungskommission des französischen Senats, die sich im Rahmen der Vorbereitung eines neuen Antidopinggesetzes der „Effektivität des Kampfs gegen Dopung“ annahm, hat in ihrem Abschlussbericht die Namen mehrerer Radprofis veröffentlicht, die bei der Tour 1998 Epo genommen haben. Unter ihnen sind mit dem Gesamtzweiten Jan Ullrich und dem Sieger des Sprintrikots Erik Zabel auch zwei Männer, die bislang keine rhetorischen Pirouetten gescheut hatten, um ihre Spritzkuren mit Epo abzustreiten oder zu verharmlosen. Jetzt stehen sie als die Deppen der Nation da und untergraben zudem die zart wachsenden Pflänzchen des Vertrauens, das man ihrer Nachfolgergeneration entgegenzubringen bereit ist. Freilich geht die Senatskommission auch davon aus, dass das Epo-Doping jener Jahre nicht auf den Radsport allein beschränkt war.
Hat Jan Ullrich nicht immer wieder versichert, er hätte „nur“ Blutdoping betrieben, aber nie, nie, nie Epo genommen? Noch bei seinem letzten großen Interview im Nachrichtenmagazin Focus im Juni diesen Jahres hielt er daran fest. Jetzt ist es heraus: Bei der Tour 1998 ist er Epo-gedopt aufs Podium gefahren. Dass er seine direkte Konkurrenz dabei nicht betrogen hat, darf er sich weiter einreden. Sieger Marco Pantani wie auch der Dritte Bobby Julich standen ebenfalls unter Epo-Einfluss. Die Öffentlichkeit hat er dennoch schamlos betrogen.
Ebenso wie Erik Zabel. „Ich möchte nicht mehr lügen. Es ist an der Zeit, die Wahrheit zu sagen“, leitete der sechsfache Gewinner des grünen Trikots 2007 mit ein paar Tränen im Gesicht sein Geständnis ein. Er gab zu, im Jahre 1996 für 256 Mark Epo erworben und auch ausprobiert, das Präparat aber nach 20 Tagen wieder abgesetzt zu haben. Die Tränen, unter denen es dies erzählte, sind Krokodilstränen.
Zabel befand sich freilich in einem Milieu, indem viele dopten. „Ich habe gedopt, weil es ging", sagte er schon 2007. Epo-Doping ging, weil es bis zum Jahr 2000 keinen akzeptierten Nachweistest gab. Als der Test 2001 kam, fielen als erste zwar Radprofis auf. Drei Monate nach dem ersten überführten Epo-Doper überhaupt, dem Schweizer Coast-Profi Roland Meier, wurde die russische Halleneuropameisterin über 3000m Olga Jegorowa positiv getestet. Sie durfte wegen eines Formfehlers bei den Tests aber an der Freiluft-WM im August teilnehmen. Dort gewann sie – unter Buhrufen der Konkurrenz – den Titel. Die WM in Edmonton brachte mit dem italienische Marathonläufer Roberto Barbi den ersten positiven Epo-Fall ohne Formfehler in der Leichtathletik. Und die US-Leichtathleten Marion Jones, Tim Montgomery und Kerri White mussten aufgrund des Balco-Skandals nachträglich ihre Titel und Medaillen von der WM 2001 zurückgeben. Sie hatten nicht nur das Designersteroid THG, sondern auch Epo eingenommen.
Ihr Mentor Victor Conte begründete später: „Epo gibt Sprintern große Vorteile, weil sie damit mehr Wiederholungen ausführen und damit höhere Trainingsbelastungen durchstehen können.“
Was gut ist für Sprinter in der Leichtathletik, sollte für Sprinter im Radsport, aber auch für Schnellkraftathleten mit Pferdelungen in Ballsportarten gut sein. Daher rief die französische Senatskommission unter ihren 86 Zeugen auch den aktuellen französischen Fußballnationaltrainer Didier Deschamps zu einer Befragung. Deschamps war Mitglied jener Juventus-Truppe, bei der der Staatsanwalt Raffaello Guariniello systematisches Epo-Doping nachwies. Juves Teamarzt wurde in erster Instanz deswegen verurteilt. Über Olympique Marseille, Deschamps’ früheren Klub, urteilte der französische Sportarzt Jean Pierre Bourgeois: „Alle Welt weiß, dass Marseille bis 1993 dopte. Sie marschierten mit Synacthen, einem Kortikoid wie dem Testosteron, dass die Erholung verstärkt und Schmerzen lindert.“ Es dürfte sich also viel Sprengstoff im Bericht der Kommission befinden. Mal sehen, welcher Art von Sportlern danach noch zu trauen ist.
Einem vielleicht doch: Der Name des Berliner Radprofis Jens Voigt wurde in den bislang bekannten Teilen des Berichts nicht erwähnt. Er fuhr 1998 seine erste und 2013 seine bislang letzte Tour de France.
Tom Mustroph