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Gut beschützt. Geraint Thomas (im Bild 2. von rechts) und Chris Froome (ganz links) konnte sich auf ihre Mannschaftskollegen verlassen. Gerade auf den Bergetappen war kein anderes Team auch nur annähernd so stark aufgestellt.
©  Christophe Ena/dpa

Tour de France 2018: Tour de Britannica

Team Sky hat auch diese Frankreich-Rundfahrt dominiert und schon für die Zukunft vorgebaut. Dann soll es ein Kolumbianer richten.

Mehr als 100 Jahre lang war es keinem Briten gelungen, jenseits des Ärmelkanals allen davonzufahren. Dann kam das Team Sky – und mit ihm gleich drei Briten, die bei der Tour de France dominierten. Seit 2012 konnte nur einer, der Italiener Vincenzo Nibali, in diese neue Phalanx einbrechen – und das auch nur, weil Chris Froome bei der Tour 2014 ausgeschieden war.

Der erste britische Sieger Bradley Wiggins trat nach seinem Tourerfolg 2012 im Folgejahr nicht mehr an, weil er ein Comeback auf der Bahn anstrebte. Das machte seinerzeit den Platz frei für den nicht ganz loyalen Helfer Froome, der am Sonntag nun wiederum von seinem Landsmann Geraint Thomas im Gelben Trikot abgelöst wurde. Das Gute für Sky: Der britische Rennstall hat nun zwei Toursieger, die gerne weitermachen wollen. „Wir werden Chris jetzt nicht zum alten Eisen werfen“, sagte der Sportliche Leiter, Nicolas Portal. „Es ist großartig, was er in der Saison geleistet hat. Erst den Giro gewonnen und nun hier auf dem Podium. Er ist ein phänomenaler Fighter.“

Froome selbst wollte von Zukunftsplänen erst einmal nichts wissen. „Ich bin froh, wenn ich nach Hause kann und dort die Geburt meines zweiten Kindes erlebe“, sagte er nach dem Zeitfahren in Espelette am Sonnabend. Er deutete aber auch an, dass er alles andere als satt und selbstzufrieden ist: „Bis wann ich daran dachte, doch noch ins Gelbe Trikot zu kommen? Ehrlich gesagt, bis heute. Bei einer Tour de France kann so viel passieren.“ Froome ist so hungrig, dass Team Sky gar erwägt, ihn auch noch die Vuelta 2018 fahren zu lassen. Dort ist er Titelverteidiger – wenn auch aufgrund seiner Salbutamolaffäre ein umstrittener.

Anfeindungen brachten Thomas nicht aus der Ruhe

Wie die Aufgabenverteilung im nächsten Jahr aussehen wird, ist derzeit ungewiss. Die Toursieger selbst präsentierten sich geradezu soldatisch diszipliniert. „Das ist eine Entscheidung des Managements“, sagte Froome, ganz so, als würde er nicht bestimmen, welche Rennen er fährt und wer ihn dabei begleitet. Thomas wollte sich nicht einmal auf eine solche Diskussion einlassen. Anders als Froome, dessen Vertrag noch bis 2020 läuft, ist Thomas nur noch bis zum Ende der Saison an Sky gebunden. Verlängert er den Vertrag? Hat er andere Angebote? „Ich will erst einmal diese Tage genießen. Über den Rest reden wir später“, sagte der schlaue Waliser.

Thomas ist in einer guten Position, sein Salär bei Sky gewaltig aufzubessern. Andere Teams dürften aber ebenfalls an ihm interessiert sein. Er hat bei dieser Tour gezeigt, dass er ein Leader sein kann. Er war physisch der stärkste Mann im Peloton – und nervlich auch. Die Anfeindungen, die er auch abbekam, obwohl sie in der Mehrheit Froome meinten, brachten ihn nicht aus der Ruhe.

Thomas ist für Sky auch als Werbeträger die interessantere Figur. Er kommt von der Insel, stammt aus dem Bahnradprogramm und ist – Stand jetzt – in keinen Skandal verwickelt. Obwohl der 33 Jahre alte Froome die Erfahrung hat, den Abschwung bei großen Rundfahrten abzumildern, zeigt seine Leistungskurve allmählich nach unten. Der ein Jahr jüngere Thomas hingegen könnte versucht sein, seine Klasse auch gegen Sky zu beweisen, als Chef eines Herausfordererrennstalls. Das wäre ein echtes Ziel.

Egan Bernal gehört die Zukunft

Viele Jahre in der Führungsrolle bei Sky bleiben ihm ohnehin nicht. „Ich habe jetzt schon das Team zusammen, das ich in drei Jahren haben will - und auch schon unseren nächsten Grand-Tour-Leader für diesen Zeitraum“, sagte Teamchef Dave Brailsford. Der Mann heißt Egan Bernal. Der 21-jährige Kolumbianer war der jüngste Teilnehmer der aktuellen Tour und begleitete Thomas stets bis zum letzten Berg. Und wenn Froome zurückfiel, half er auch noch dem. Der Tourdebütant leistete ein Mammutprogramm und brillierte noch dabei. „Ich war mir unsicher, ob ich ihn zur Tour mitnehmen soll. Er ist ja noch so jung. Er ist dann aber so gefahren, dass ich denke, es war genau die richtige Entscheidung“, meinte Brailsford.

Jetzt wird er Schnelllerner Bernal nur noch eine Saison zur weiteren Ausbildung geben. 2020 ist für ihn die Chefrolle prädestiniert. Ein Jahr haben die Thirtysomethings Froome und Thomas also noch Zeit für ihre Revierkämpfe. Danach bleibt ihnen bestenfalls die Rolle als Elder Statesmen. Angesichts der Verpflichtung von Großtalent Bernal geht es für die Konkurrenz auch weiterhin nur noch um niedere Stufen auf dem Podium. Dem Spektakel Tour de France ist diese Entwicklung abträglich.

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