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Paris in Sicht. Beim Zeitfahren am Samstag ließ Geraint Thomas den Verfolgern Tom Dumoulin und Chris Froome zwar knapp den Vortritt, sein Gelbes Trikot geriet aber nicht mehr in Gefahr. Foto: Marco Bertorello/AFP
© Marco Bertorello/AFP

Tour de France: Geraint Thomas strahlt, Chris Froome verblasst

Nach dem Einzelzeitfahren am Samstag ist die Wachablösung im Team Sky wohl endgültig perfekt: Geraint Thomas steht kurz vor dem Tour-Sieg.

Das Gelbe Trikot sitzt fest auf den Schultern von Geraint Thomas. Daran änderte auch das Einzelzeitfahren am Samstag auf der vorletzten Etappe nichts mehr, auf der der Waliser die allerletzten Zweifel an seinem Sieg bei der 105. Tour de France mit Tagesrang drei beseitigte. Tom Dumoulin siegte mit einer Sekunde Vorsprung auf Chris Froome, was irgendwie zu dieser Tour passte. Der Brite, der jahrelang fast immer in Gelb fuhr, ist 2018 nur noch im blassen Sky-Dress unterwegs. Er ist dabei zwischenzeitlich so unscheinbar geworden, dass ihn nach Ende der 17. Etappe nicht einmal ein Polizist erkannte, als Froome bergab zum Teambus rollte. Er stoppte Froome, weil er ihn für einen Amateurfahrer hielt, der sich auf den Kurs geschmuggelt hatte. Froome bremste, stürzte und war erbost. Der einstige König der Tour – ein Nobody.

Ein Privileg blieb ihm noch. Leibwächter Fabien Rochefeuille schützt weiter ihn – und ist nicht zu Geraint Thomas gewechselt. Ansonsten gab es eine merkliche Ressourcenverschiebung bei Team Sky. „Wir sind in die Tour gekommen mit Chris als dem Kapitän und Geraint mit einer freien Rolle“, blickt Nicolas Portal, sportlicher Leiter von Team Sky, auf Anfang Juli zurück. Das spiegelte sich gleich bei der ersten Etappe wider. Froome war dort durch einen Sturz aufgehalten worden. Das komplette Sky-Team wurde zurückbeordert, nur Thomas durfte allein vorn bleiben. Froome verlor damals 51 Sekunden, der Helfer wurde zum 1b-Leader. In den Alpen fuhr Team Sky so kompakt, dass Froome wie Thomas gleichermaßen profitierten. Thomas allerdings zeigte sich im Bergsprint stärker. Sein Sieg auf der dritten Alpenetappe in L'Alpe d'Huez leitete die Ressourcenumverteilung ein, die in den Pyrenäen deutlich wurde. Als Froome dort zwischenzeitlich den Anschluss verlor, beorderte er Helfer Egan Bernal nach vorn zu Thomas, damit das Gelbe Trikot geschützt wird. Froome kam erst spät in die Gunst der Unterstützung des jungen Kolumbianers. Froome bekommt Helfer, wenn sie Thomas nicht mehr braucht.

Thomas konzentrierte sich zunächst auf den Bahnradsport

Der Waliser tritt die Nachfolge von Froome allerdings recht verspätet an. Schon 2010 schien er der bessere Grand-Tour-Kandidat. Froome schied in jenem Jahr beim Giro d'Italia aus, weil er sich entkräftet von einem Polizeimotorrad den Mortirolo hochziehen ließ. Thomas hingegen wartete zwei Monate später mit einem famosen zweiten Etappenplatz beim Tagesabschnitt über die Plastersteine von Roubaix auf und trug auch einige Tage das weiße Trikot des besten Jungprofis.

Dass er danach weiter lange Zeit in der Helferrolle unterwegs war, liegt an den Olympischen Spielen in London 2012. „Wäre Olympia zu Hause nicht gewesen, hätte Geraints Straßenkarriere mit Sicherheit einen anderen Verlauf genommen. Weil Olympiamedaillen sehr wichtig sind, erst recht bei den Spielen im eigenen Lande, bereitete er sich 2011 und 2012 vor allem auf die Bahnwettbewerbe vor“, sagt Rod Ellingworth, Bahncoach bei British Cycling und Straßencoach bei Team Sky. Thomas wurde 2012 Olympiasieger in der Mannschaftsvervolgung, wie auch schon 2008 in Peking. Ein treuer Diener seiner Heimat also.

In den Jahren danach verfolgte er vor allem seine Klassikerkarriere – und ging damit der direkten Konkurrenz mit Froome und dessen ambitionierten Edel-Adjudanten Richie Porte und Mikel Landa aus dem Weg. Anders als die beiden, inzwischen Kapitäne bei BMC und Movistar, blieb er aber bei Sky – und wartete geduldig auf seine Chance. Die kam, als Chris Froome sich mit seinem Grand-Tour-Quartett – Tour und Vuelta 2017, Giro und Tour 2018 – übernahm. Dank Froomes Schwäche wurde Thomas Chef beim stärksten Rennstall und fuhr auch dank dieser Unterstützung ins Gelbe. Anders als Froome, der wegen seiner Salbutamol-Affäre weiter umstritten bleibt, braucht er nicht einmal einen Bodyguard.

Tom Mustroph

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