Zeitfahrten bei Olympia: Tony Martin enttäuscht, Fabian Cancellara siegt
Der deutsche Radprofi Tony Martin hatte extra sein Gewicht reduziert, doch das nützt ihm auf der steilen Strecke wenig. Es siegt Fabian Cancellara. Doch der Schweizer steht unter Dopingverdacht.
Im Zielbereich an der Strandpromenade von Pontal stand Christus, der Erlöser. Nicht der große, der thronte wie eh und je auf dem Corcovado, sondern eine kleine Nachbildung, die einen Strandimbiss beschützte. Ein paar Meter vom kleinen Jesus entfernt stand Tony Martin, und der Radfahrer wirkte weniger erlöst als enttäuscht. „Ich bin überhaupt nicht in den Rhythmus gekommen“, sagte der 31-Jährige. Er war mit Medaillenambitionen zum olympischen Zeitfahren angereist, doch am Mittwoch blieb ihm beim Sieg des Schweizers Fabian Cancellara nur der 12. Platz. Er lag damit nur knapp vor dem Berliner Simon Geschke (13.), der alles andere als ein begnadeter Zeitfahrer ist.
Auch die deutschen Frauen hatten in ihrem Zeitfahren zuvor eine Medaille verpasst. Die frühere Weltmeisterin Lisa Brennauer wurde Achte, „natürlich bin ich enttäuscht“, sagte sie. „Anhand von dem, was mir unterwegs auf dem Tacho angezeigt wurde, war das eigentlich ein Top-Rennen.“ Doch am Ende hatte sie 56 Sekunden Rückstand auf die US-Amerikanerin Kristin Armstrong, die ihr drittes Olympiagold holte. Trixi Worrack kam als 16. ins Ziel. Die gebürtige Cottbuserin war darüber aber nicht so unglücklich, sie war nach ihrem Sturz im Frühjahr mit nur einer Niere an den Start gegangen. „Die Fahrer, die Chancen aufs Podium haben, nehmen Risiko“, sagte sie. „Ich nicht. Es war sehr schwer, viel Regen, viel Wind.“
Tony Martin hatte extra sein Gewicht reduziert
Am Mittwoch war Rio von einem Sprühregen eingenebelt worden. Der Kurs am Küstenabschnitt Pontal war nass und rutschig, dabei war auch schon so fordernd genug. Er führte über zwei knackige Anstiege und bevorteilte deswegen eher Bergspezialisten als klassische Zeitfahrer. Die Männer mussten im Gegensatz zu den Frauen sogar zwei Bergrunden drehen. Um besser über die Anstiege zu kommen, hatte Tony Martin extra sein Gewicht reduziert. Der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister wollte nach Olympiasilber in London unbedingt eine weitere Medaille. Doch Martins Formkrise setzte sich in Rio fort, im Ziel hatte er mehr als drei Minuten Rückstand auf den Sieger.
Nicht ganz so wie erhofft endete die wellige Berg- und Talfahrt durch den Regen von Rio auch für Chris Froome. Der Brite hat vor wenigen Wochen das dritte Mal die Tour de France gewonnen und wollte sein Jahr mit dem Olympiagold krönen. Froomes Landsmann Bradley Wiggins ist das 2012 gelungen, er wurde daraufhin von der Queen zum Sir geschlagen. Sein Nachfolger aber kam am Mittwoch noch hinter dem Niederländer Tom Dumoulin wie schon 2012 nur auf Rang drei. Ob auch Bronze für ein Rendezvous mit der Queen reicht? „Wer weiß, das wäre eine nette Überraschung“, sagte Froome. „Manche sehen Bronze vielleicht als Enttäuschung, aber ich bin glücklich. Ich habe alles gegeben.“
Olympiasieger Cancellara unter Doping-Verdacht
Die höchsten Weihen genoss Fabian Cancellara, der mit der Schweizer Flagge über die Schultern feierte. „Was will ich mehr als das hier?“, fragte er. Er wird am Jahresende aufhören, „ich bin so stolz, noch einmal die Goldmedaille gewonnen zu haben“. Der 35-Jährige ist ein alter Bekannter, viermal war er Weltmeister im Zeitfahren, in Peking wurde er Olympiasieger. Sein Erfolg hat nicht ganz den schalen Beigeschmack des Erfolgs von Alexander Winokourow, der als überführter Doper 2012 in London das Straßenrennen gewann. Aber ein Zeichen des Aufbruchs für den Radsport ist sein Sieg auch nicht unbedingt. Cancellara ist nie positiv getestet worden, Dopinganschuldigungen begleiteten ihn jedoch im Grunde während seiner ganzen Karriere. Er hat mit dem umstrittenen Arzt Luigi Checchini zusammengearbeitet und war im Team CSC, in dem unter Bjarne Riis systematisch gedopt worden sein soll. Zuletzt wurde ihm auch noch Motordoping vorgeworfen, der unerlaubte Einsatz eines versteckten Zusatzmotors.