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Man kennt sich: In der vergangenen Saison schlugen Claudia Neto (rechts) und der VfL Wolfsburg am letzten Spieltag Gina Chmielinski und Turbine Potsdam mit 2:0.
© Peter Steffen/dpa

Turbine Potsdam fordert Meister VfL Wolfsburg: Titelhunger gegen Wissensdurst

Mit Entwicklungsarbeit will Turbine den Anschluss an die Topklubs halten. Doublesieger Wolfsburg wird nun zur ersten echten Prüfung der Saison.

Gleich nach den ersten Spielzügen des Trainingsspiels ruft Matthias Rudolph: „Stopp! Wir machen es richtig oder brauchen gar nicht zu spielen!“ Er moniert die „halbherzigen Zweikämpfe“, die er gerade beobachtet hatte. Das zeigt Wirkung bei den Bundesliga-Fußballerinnen des 1. FFC Turbine Potsdam, die sich an diesem Mittwochabend auf das Topspiel gegen den VfL Wolfsburg vorbereiten.

Am Samstag (13 Uhr) kommt der Doublesieger der vergangenen Saison ins Karl-Liebknecht-Stadion und wird auf einen gut vorbereiteten Gastgeber treffen. Ein paar Mal unterbricht Rudolph das Mittwochstraining, um zu korrigieren und zu erklären, zu präzisieren und einzustimmen.

Mit einer reinen Weste reisen die Wolfsburgerinnen in den Kiez. Mit drei Siegen aus drei Spielen hat der Erfolgsverein der vergangenen Jahre der Bundesliga die erwartete Ansage gemacht: Dass der Hunger auf Titel nicht gestillt ist.

Im Gegenteil: Allein mit den Nationalspielerinnen Svenja Huth und Felicitas Rauch sind im Sommer zwei Turbine-Führungskräfte nach Wolfsburg gewechselt, die heiß auf nationale Trophäen und die Champions League sind. Beide gaben in der Vorwoche beim 10:0-Sieg gegen KFF Mitrovica ihr Europapokal-Debüt mit dem VfL, bei dem Huth auch als Torschützin erfolgreich war. Am Samstag wird die Torjägerin allerdings aufgrund einer Knieverletzung fehlen.

Bei der Mission, den Titel zu verteidigen, nannte Wolfsburgs Führungsspielerin Lena Goeßling kurz vor dem Ligastart einzig den FC Bayern München und mit etwas Abstand den SC Freiburg als ärgste Widersacher. Turbine Potsdam hat sie nicht auf dem Radar, wenn es um die Meisterschaftsfrage geht.

Die Traditionsvereine wollen den Anschluss halten

Das wäre in der Tat vielleicht zu vermessen. Denn die Entwicklung der vergangenen Jahre, dass die Frauenabteilungen potenter Fußballklubs wie Wolfsburg und Bayern das Maß der Dinge sind, wird sich auch in dieser Saison widerspiegeln. Traditionsvereine wie Turbine oder der 1. FFC Frankfurt, die über Generationen hinweg die Meisterschaft unter sich ausmachten, werden weiter aufgefordert sein, den Rückstand aufzuholen oder zumindest den Anschluss zu halten.

Und sie tun das mit verschiedenen Mitteln. Während in Frankfurt eine Eingliederung der Frauen in den Männerklub der Eintracht geplant ist, nimmt sich Turbine die Zeit, junge Spielerinnen aufzubauen und zu entwickeln.

Die Partie gegen Wolfsburg illustriert dies vortrefflich: Routinierten Wölfinnen wie der 33-jährigen Goeßling, Nationalmannschaftskapitänin Alexandra Popp (28), der 64-fachen DFB-Torhüterin Almuth Schult (28) oder der 32-jährigen Schweizer Auswahlspielerin Lara Dieckmann steht ein Potsdamer „Jugend forscht“-Ensemble gegenüber.

Jüngstes Beispiel: Sophie Weidauer. Sie ist im Sommer mit der deutschen U-17-Nationalmannschaft Europameisterin geworden und war in der vergangenen Woche Torschützin beim Last-Minute-Sieg gegen Köln. Weidauer steht als Synonym für den Entwicklungsmodus, auf den Turbine geschaltet ist.

Die Sportschau ist mit dabei

Die drei Wolfsburger Siege dieser noch jungen Bundesliga-Saison schmückt eine 10:1-Torbilanz. Turbine-Trainer Rudolph erwartet daher geballte Offensivkraft und -qualität, weshalb er mit seinen Spielerinnen ausgiebig Rückzugs- und Abwehrverhalten einstudierte, sobald der Gegner in Ballbesitz gerät. Räume eng machen, Zweikämpfe, Kompaktheit, Balleroberung waren wiederkehrende Begriffe, die er diktierte und üben ließ. Der Angriffsmaschinerie aus Niedersachsen möglichst immer wieder Sand ins Getriebe zu streuen, wird eine vorrangige Potsdamer Aufgabe sein.

Wie gut dem ein eigenes Angriffsspiel entgegenzusetzen ist und Turbines junge Mannschaft den ersten wirklichen Härtetest in der Liga besteht, kann die interessierte Fußball-Gemeinde – insofern sie nicht ins „Karli“ kommt – am späten Nachmittag auch in der ARD-Sportschau sehen. Es gehört zur neuen medialen Vermarktungsstrategie der Frauenfußball-Bundesliga, neben dem Freitagabendspiel live auf Eurosport auch die Zusammenfassung eines Topspiels am Samstag im öffentlich-rechtlichen TV zu zeigen.

Einen Programmpunkt der Sportschau zu bilden, ist durchaus ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland. Und eine neue Note, die sich Turbine Potsdam auf den Steckbrief dieser Saison heften kann. Vielleicht springt dabei ja auch ein Achtungserfolg gegen den aktuellen Branchenprimus heraus.

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