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IOC-Präsident Thomas Bach
© AFP

Dopingvorwürfe gegen Russland: Thomas Bach setzt Olympia aufs Spiel

Nicht genug, dass in Rio vieles nicht funktioniert. Der deutsche IOC-Chef gefährdet mit seiner Haltung gegenüber Russland die olympische Idee. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der Countdown läuft, wir zählen die Tage bis zum Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Von wegen Copacabana, Sonne, gute Laune, Caipirinha. Die Wirklichkeit ist eine andere. Vor diese Wirklichkeit werden Kulissen geschoben, damit man nicht dahinter schaut.

Was der australischen Chefin de Mission nicht die Sprache, aber jedes Verständnis geraubt hat, ist ja bloß der äußere Eindruck: ein olympisches Dorf, in dem Toiletten verstopft sind und Wasser von den Wänden rinnt. Sicher, das wird irgendwie geregelt werden. Aber es hätte alles schon längst geregelt sein müssen. Es ist ja auch erst ein paar Jahre bekannt, wo die Spiele stattfinden werden, und wann.

Apropos sicher: Sie finden statt in einer Umgebung, in der von Sicherheit schwerlich die Rede sein kann. Rio ist neben dem Mythos eine Stadt der Extreme, auch der extremen Armut. Und zwar gleich um die Ecke. Da wartet noch einiges auf die Sicherheitskräfte.

Staatskrise, Korruption, gesellschaftliche Implosion

Dazu kommt Brasiliens Staatskrise, die Korruption. Aus einem vielbewunderten Schwellenland auf dem Sprung zur regionalen Großmacht, die Anspruch auf einen Sitz im Weltsicherheitsrat erhebt, ist ein Land an der Schwelle zur gesellschaftlichen Implosion geworden. Wenn nicht gar an der zur Explosion der Unzufriedenheit. Wer weiß, wohin die führen würde. Brasilien hat auch Erfahrungen mit dem Militär gemacht…

Da hilft eigentlich nur noch der vielbeschworene olympische Geist. Der muss helfen, über all die Mängel und die Umstände hinwegzusehen, vor allem das Positive zu erkennen, sich selbst die Zika-Mücke wegzudenken. Bloß wird dieser Geist gerade vom Internationalen Olympischen Komitee, dem IOC, in weltrekordverdächtiger Geschwindigkeit ramponiert. Und es ist ausgerechnet der erste Deutsche an der Spitze des IOC, der dafür die Verantwortung trägt.

Als Thomas Bach gewählt wurde, war das ein bisschen so wie „Wir sind Papst“. Die Weltregierung des Sports, geführt von einem Deutschen. Bach sollte einen Weltsport repräsentieren, einen sauberen, wie er ihn vor seiner Wahl vollmundig zu fördern ankündigte. Heute präsentiert er sich als „Putins Pudel“.

Eine perfide Entscheidung

Die Entscheidung, einzelne russische Sportler zuzulassen, wenn sie denn geprüft und für sauber befunden sind, ist eine, man kann schon sagen: Perfidie. Es sind nämlich nun die einzelnen Sportverbände, die so wenige Tage vor Olympia in die Verantwortung eintreten müssen, die Bach und Konsorten nicht übernehmen wollten.

Wie sollen sie das schaffen, diese Prüfung? Aber nachher tragen sie dann die Schuld, wenn es Dopingvergehen gab? Dieses auch moralische Dilemma hat ihnen die oberste Funktionskaste des IOC übergeholfen, angeführt von Bach. Kein Wunder, dass es schon Rücktrittsforderungen gegen ihn gibt.

Ginge es doch nur um Thomas Bach allein, um einen dieser Skandale, wie wir sie von Sportfunktionären inzwischen leider gewohnt sind. Doch es geht um viele mehr: Die Bach-Dämmerung kann zur IOC-Dämmerung führen – und zur Frage, ob Olympia so Bestand haben kann. Die Mauer ist gefallen, die Fifa bröckelt. Wer sagt, dass das IOC ewig besteht?

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