Angelique Kerbers Triumph: Tennis? Wimbledon? War da was?
Nach dem Sieg von Angelique Kerber in Wimbledon wird sich an der Wahrnehmung von Tennis in Deutschland nicht viel ändern. Ein neuer Boom ist nicht zu erwarten.
Vor 30 Jahren gewann Steffi Graf erstmals den Titel in Wimbledon. Da war Angelique Kerber sechs Monate alt. Tennis war damals eine ganz große Nummer in Deutschland. Mit Boris Becker und eben Graf durfte sich die Nation über gleich zwei Jahrhunderttalente freuen. Die Deutschen taten es voller Begeisterung und Hingabe. Tennis war seinerzeit für viele Menschen gleichermaßen neu wie spannend.
Der Boom hielt 15 Jahre an. Inzwischen ist Tennis auf Normalmaß zurückgestutzt worden. Den Finalsieg von Kerber in Wimbledon am Samstagnachmittag sahen in der Spitze etwas mehr als drei Millionen Menschen im Fernsehen, das ZDF hatte das Endspiel kurzfristig ins Programm genommen. Fast dreimal so viele Zuschauer hatte das parallel in der ARD gesendete Spiel um Platz drei bei der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Belgien und England.
Es sind ernüchternde Werte, aber logische in einem Land, das sich in den vergangenen 20 Jahren in Richtung einer sportlichen Monokultur entwickelt hat. Wenn selbst das vergleichsweise unbedeutende „kleine Finale“ bei der Fußball-WM für viele interessanter ist als ein Wimbledon-Endspiel mit deutscher Beteiligung, sagt das ziemlich viel aus. Dass Kerber einen neuen Tennis-Boom auslöst, wie das seinerzeit Becker und Graf schafften, darf deshalb als ausgeschlossen gelten.
Einen zweiten Tennis-Boom wird es in Deutschland nicht geben
Zumal Kerber auch kein neuer Stern am deutschen Sportlerhimmel ist. Schon 2016 konnte sie zwei Grand-Slam-Turniere gewinnen und war die Nummer eins in der Weltrangliste. All das wurde in Deutschland wahrgenommen, viel mehr aber nicht. Und als Kerber im Folgejahr in eine sportliche Krise schlitterte, rief das bei den meisten Menschen nur Achselzucken hervor. Tennis? Wen interessiert’s?
In den kommenden Tagen und Wochen wird Kerber viel herumgereicht werden, reflexartig wird sicher auch wieder der Ruf nach mehr Übertragungen im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen laut. Doch so wie einst wird es nicht mehr werden in Sachen Tennis. Das liegt nicht an Angelique Kerber, die spätestens durch ihren Wimbledonsieg nun die Nummer drei hinter Graf und Becker in der deutschen Tennishistorie ist.
Weniger Hype ist für Kerber womöglich sogar mehr. Schon Steffi Graf war der ganze Trubel um ihre Person oft zu viel. Kerber tickt in dieser Hinsicht ähnlich. Lieber konzentriert sie sich auf ihren Sport. In dem hat sie es durch viel Arbeit und Fleiß zu Weltruhm gebracht. Dass ihr deswegen nicht gleich das ganze Land zu Füßen liegt, macht ihren Wimbledonsieg nicht weniger bedeutsam. Mehr als den Titel beim wichtigsten Turnier kann eine Tennisspielerin nicht gewinnen.