zum Hauptinhalt
Emotional. Die TeBe-Fans, hier beim Oberliga-Spiel gegen Blau-Weiß 90, sorgen sich um ihren Verein.
© imago/Sebastian Wells
Update

Fußball-Oberliga: Tennis Borussia Berlin steht vor der Zerreißprobe

Die Mitgliederversammlung bei Tennis Borussia verläuft emotional. Fans sprechen von einer „Farce“, Vorstandschef Redlich versteht die Aufregung nicht.

Tobias Schulze hatte sich Zeit genommen. In Ruhe beobachtete das Vorstandsmitglied der Abteilung Aktive Fans (TBAF) das Prozedere beim Einlass zur außerordentlichen Mitgliederversammlung von Fußball-Oberligist Tennis Borussia am Mittwochabend in Charlottenburg. Dabei fiel ihm eine Gruppe von Bauarbeitern auf. Diese hätten nicht auf der Liste der Mitglieder gestanden, nach Vorzeigen der Personalausweise aber Stimmkarten erhalten. „Seltsam“ fand Schulze das. „Ich habe einen der Männer angesprochen. Er war sehr freundlich und sagte mir auf Englisch, dass ihr Chef sie hingefahren habe.“ Möglicherweise seien es Bulgaren gewesen, aber das spiele keine Rolle. „Auf jeden Fall hatten sie nichts mit unserem Verein zu tun“, sagt Schulze.

Andere Anwesende bestätigen die Eindrücke. Es habe mehrere dieser Gruppen gegeben. „Ich bin immer noch bestürzt über die Dreistigkeit der anderen Seite“, sagt Schulze am Donnerstag. Hauptvorwurf: Der Vorstand habe offenbar in großer Zahl Leute eintreten lassen – die oft gar nicht gewusst hätten, worum es genau ging – und so den Verein gekapert. Am Ende gab es inklusive der Stimmübertragungsrechte 570 Stimmberechtigte, viel mehr als bei früheren Mitgliederversammlungen. Bei den Wahlen der neu zu besetzenden Posten im Aufsichtsrat brachte der Vorstand um den Vorsitzenden Jens Redlich, der gleichzeitig Hauptsponsor ist, alle fünf Kandidaten mit etwa zwei Drittel der Stimmen durch und hat dort nun die Mehrheit.

Emotionen auf der Versammlung waren erwartbar

Emotionen waren aufgrund des heftigen Streits zwischen den Aktiven Fans und dem Vorstandschef erwartbar, es ging um die Frage: Wem gehört TeBe? Den Anhängern, die den Klub vor etwa zehn Jahren gerettet hatten, oder dem, der das Geld gibt? Zudem werfen die Fans Redlich einen autokratischen Führungsstil vor. TBAF hatte die Mitgliederversammlung durch eine Unterschriftenaktion erzwungen. Was vor Ort passierte, übertraf alle skizzierten Szenarien weit: Tumulte, Wortgefechte, Handgreiflichkeiten, eine Unterbrechung der Versammlung, jemand rief die Polizei. „Das war auch für mich erschreckend“, sagt Redlich. Bei Twitter war die fast siebenstündige, nicht-öffentliche Mitgliederversammlung des Fünftligisten plötzlich das beherrschende Thema.

Die Reaktionen waren fast einhellig: Entsetzen. Von Aushebelung der Demokratie war die Rede, vom Ende des Traditionsvereins, der in den 70er Jahren in der Bundesliga spielte. Von der Gefahr, dass so etwas auch woanders passieren könne. „Vieles von dem, was TeBe ausmacht, gibt es jetzt nicht mehr“, sagt Schulze. Er denkt an gesellschaftliches Engagement, sportliche Fairness, die ehrenamtliche Arbeit der Fanszene. Jens Redlich, Chef der Fitnesskette Crunch Fit, kann die Aufregung nicht nachvollziehen. „Wenn ich das mit den bulgarischen Bauarbeitern höre, muss ich den Kopf schütteln. Es waren drei Elternteile von Jugendspielern aus Serbien da. Zudem hatten wir viele ältere Mitglieder, die sonst nicht zu Mitgliederversammlungen gekommen sind. Ob jemand darüber hinaus gesagt hat, wir brauchen Unterstützung und Leute akquiriert hat, weiß ich nicht.“

Im Fokus: Der Vorstandsvorsitzender von Tennis Borussia, Jens Redlich.
Im Fokus: Der Vorstandsvorsitzender von Tennis Borussia, Jens Redlich.
© imago/Matthias Koch

Redlich spricht von gut 70 Neueintritten im Vorfeld, davon etwa 50 auf Seite der Unterstützer des Vorstands. „Es ist vollkommen legitim, Mitglieder zu werben. Das haben wir auch gemacht“, sagt TBAF-Vorstand Schulze. Allerdings seien das alles Leute gewesen, die eng mit dem Verein verbunden sind. Für großen Ärger bei den Aktiven Fans hatten am Mittwoch auch andere Dinge gesorgt. Zum Beispiel, dass mit Detlev Fricke jemand, der für den Aufsichtsrat kandidierte, Versammlungsleiter war. TBAF wollte einen zweiten Leiter stellen. Das wurde in einer Abstimmung abgelehnt. „Da war spätestens klar, wer die Mehrheit hat“, sagt Schulze.

Hoffmann bleibt Vorsitzende des Aufsichtsrates

„Es haben demokratische Abstimmungen stattgefunden. Das Ergebnis ist, dass ein bestimmter Weg sportlich und wirtschaftlich gegangen werden soll“, sagt Redlich, der mit TeBe in die Regionalliga aufsteigen will und nach eigenen Angaben bereits 2,5 Millionen Euro investiert hat. Bei TBAF herrscht Frust. Nicht wegen der Niederlage bei den Abstimmungen. Die musste einkalkuliert werden. Sondern wegen der Art und Weise. Nicht wenige sagen nun, sie gehen nicht mehr zu TeBe. Andere sagen, jetzt erst recht. Vorsitzende des Aufsichtsrates ist weiter Franziska Hoffmann. Über ihre Position wurde – anders als vom Vorstand geplant – nicht abgestimmt, da ihre Amtszeit im Gremium ebenso wie bei Christian Gaebler, dem Chef der Berliner Senatskanzlei, bis Sommer läuft.

„Eine Mitgliederversammlung ist dazu da, um Mehrheiten zu werben. Aber was hier passiert ist, ist schon sehr am Rande dessen, was die Satzung hergibt. Es ist ein gewisser Scherbenhaufen entstanden“, sagt Gaebler. Jetzt müsse man sehen, ob es gemeinsame Anknüpfungspunkte gibt. „Wenn Franziska Hoffmann und ich uns nicht vorstellen könnten, mit dem Vorstand zusammenzuarbeiten, hätten wir nicht drauf bestanden, unsere Amtsperiode zu Ende zu führen“, sagt Gaebler. Und Hoffmann führt aus: „Am Mittwoch hat sich besonders gezeigt, wie schwer und wichtig es ist, für die Demokratie zu kämpfen.“

Kritischer Twitter-Eintrag wieder gelöscht

Die Zusammenarbeit mit Redlich, der vor der Versammlung angekündigt hatte, Hoffmann zum Rücktritt aufzufordern, werde „eine Herausforderung“. Versuche ihrerseits, mit Redlich zu kommunizieren, waren oft gescheitert. Nun sagt Redlich: „Eine Zusammenarbeit ist absolut möglich. Das Vertrauen muss wieder aufgebaut werden.“ Auf dem Twitterkanal von TeBe war es zuletzt sehr ruhig. Den Fans, die diesen befüllt hatten, war der Zugang entzogen worden. In der Nacht zu Donnerstag tauchte ein neuer Eintrag auf: „Vielen Dank für die Solidaritätsbekundungen zu der Farce, die sich TeBe MV nannte. Wir werden immer noch da sein, auch wenn die Ära Redlich schon lange wieder vorbei ist. Forza TeBe!“ Der Beitrag ist inzwischen gelöscht worden.

Aber das Motto „Forza TeBe“ passte zumindest für Donnerstag schon wieder ganz gut. Am Abend qualifizierte sich der Klub nach einem 6:0 (2:0) gegen Fortuna Biesdorf für das Halbfinale im Berliner Pokal. Fußball gespielt wird bei Tennis Borussia nämlich auch noch.

+++

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite