Deutsche Fußball-Nationalmannschaft: Taktik von Joachim Löw: Hauptsache kompliziert
Joachim Löw verwirrt mit seiner Taktik gegen die Tschechen, verteidigt aber seinen Matchplan. Wird er ihn am Montag gegen Norwegen korrigieren?
Gut zwanzig Minuten vor Spielende wandte Joachim Löw sich vom Geschehen ab. Mit den Händen in den Hosentaschen vergraben, drehte der Bundestrainer gesenkten Kopfes bei. Ob er sich in diesem Moment gefragt hat, ob er den richtigen Plan für dieses Spiel in Prag vorgegeben hatte? Eben waren Matthias Ginter und Mats Hummels, die beiden deutschen Innenverteidiger mit den Köpfen aneinander gerasselt, so dass die Ärzte aufs Feld gespurtet kamen. Für den Moment sah es schlimmer aus, als es letztlich war. Ein Weilchen später köpfte Hummels dann noch den 2:1-Siegtreffer gegen Tschechien. Vieles von dem, was an diesem Freitagabend in der Eden Arena aufgeführt wurde, wirkte wie ein gespielter Witz.
Dass zwei Spieler derselben Mannschaft zusammenstoßen, kann passieren. Aber die Szene von Prag hatte Symbolik nicht für Eifer, sondern für Übermut. Das Spiel darf aus deutscher Sicht als ein missglücktes Experiment gelten.
Joachim Löw hatte für das WM-Qualifikationsspiel einen tollkühnen Spielplan ersonnen, doch schon seine Startelf offenbarte eine gewaltige Unwucht. In Timo Werner, Lars Stindl, Thomas Müller, Mesut Özil und Julian Brandt bot er fünf reine, oder doch zumindest verkappte Stürmer auf. Diese wurden dann nicht selten von den Außenspielern Jonas Hector auf der linken und Joshua Kimmich auf der rechten Flanke überlaufen. Bisweilen mimten Hector und Kimmich echte Außenstürmer, die sie aber niemals sind.
In dem Löwschen Gebilde sollten Müller und Özil hinter den beiden zentralen Spitzen zwei Spielmacher in den Halbpositionen geben, was fast nie aufging. Müller etwa wurde so um seine Qualität beraubt, Lücken in der gegnerischen Abwehr aufzuspüren, oder sie zu reißen. Und wenn der 27-Jährige mal den Tiefgang einlegte, standen dort schon vier, nicht selten sogar fünf seiner Mitspieler wie aufgefädelt auf einer Linie.
Andere Nationen hätten gern diese Sorgen
Weil zu viele deutsche Spieler die Tiefe suchten, gab es eigentlich gar keine Tiefe mehr. Die Tschechen hatten zwei Wälle aus neun Leuten dicht vor ihrem Tor aufgereiht. Das war erwartbar wie der nächste Sonnenaufgang. Die deutschen Spieler fanden an diesem Abend keine Lösungen, dieses Bollwerk zu knacken. Oder aber Löw hatte ihnen einfach den falschen Schlüssel mitgegeben.
Das Ergebnis sei gut, sagte hinterher Siegtorschütze Hummels, „das Spiel war es nicht“. Der Münchner sprach von einem Spiel der schlechteren Sorte. Es war ein ungewöhnlich wildes Spiel, „ganz untypisch für uns“. Der Mannschaft von Löw gelang es fast nie, ein gutes Positionsspiel aufzuziehen, es fehlte eine kluge Raumaufteilung. Also genau das, was die Deutschen sonst stark macht.
Das Resultat waren ungewöhnlich viele Ballverluste, die die Tschechen zu Gegenstößen einluden. „Man muss ehrlicherweise sagen, dass wir viel Glück hatten“, sagte Löw. Zwar verteidigte er seinen Matchplan, musste aber eingestehen, dass er nicht aufging. Im Verhältnis zur Ballbesitzzeit brachte es seine Elf auf abenteuerlich wenig Torabschlüsse. Nicht mal eine Handvoll waren es am Ende.
Man könnte auch sagen, die deutsche Offensivabteilung hat sich selbst lahmgelegt. Denn obwohl Löw die Zwecklosigkeit seines Spielplans aus nächster Nähe verfolgte, griff er nicht korrigierend ein. Vielleicht hat er sich auch nur von den vielen neuen Möglichkeiten verleiten lassen und wollte zu viel. Dieses Mal wirkte sein Matchplan um eine Windung überdreht.
Zugegeben, andere Nationen hätten gern diese Sorgen, Holland etwa. Anders als ihren Nachbarn ist den Deutschen die Qualifikation für die WM im kommenden Jahr kaum mehr zu nehmen. Gut möglich, dass der Titelverteidiger sie schon am Montag realisiert, wenn es in Stuttgart gegen Norwegen geht. Doch es werden sich bald andere Gegner in den Weg stellen, Löw sollte in seiner Arbeit wieder klarer und zielführender werden, gerade weil er plötzlich so viele personelle Möglichkeiten hat. Das Spiel in Prag hat nur gezeigt, wie es nicht geht.