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Sein Freund, der Ball. Joachim Löw hat sich als Bundestrainer um die Schönheit des deutschen Spiels verdient gemacht.
© Johannes Eisele/AFP

Deutschland gegen Tschechien: Wie Joachim Löw den Stil der Nationalelf revolutionierte

Im März 2007 spielte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Prag in der EM-Qualifikation - als Außenseiter. Doch mit dem damalige 2:1-Sieg gegen die Tschechen änderte sich alles.

Bundestrainer sind auch nur Menschen. Natürlich ist auch Joachim Löw schon als normaler Tourist in Prag gewesen, einem der Hotspots des Kontinents. Zweimal habe er die Stadt privat besucht, hat Löw am Donnerstag in der Pressekonferenz vor dem WM-Qualifikationsspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Tschechien erzählt. Mehr hat Löw nicht preisgegeben. Er hat auch kein Loblied auf die Stadt gesungen, ihre anerkannten Reize gepriesen. Dabei wäre das durchaus angebracht. Prag nimmt in der Biografie des Bundestrainers einen besonderen Platz ein. In Prag ist Joachim Löw zu dem geworden, als der er heute gesehen wird. Etwas mehr als zehn Jahre ist das jetzt her.

Wenn die Nationalmannschaft gegen Tschechien spielt, wird Oliver Bierhoff, ihr Manager, automatisch zum Zeitzeugen. Das war auch in den vergangenen Tagen wieder so. Vier seiner siebenunddreißig Länderspieltore hat Bierhoff gegen die Tschechen erzielt, in gerade mal 66 Minuten Nettospielzeit. Vor allem hat er – Stichwort Golden Goal – das wichtigste seiner siebenunddreißig Länderspieltore gegen Tschechien erzielt. Da kann Joachim Löw natürlich nicht mithalten. Aber auch für ihn und seine Entwicklung als Bundestrainer war ein Duell gegen die Tschechen ein Schlüsselspiel.

Wer in Deutschland gerade volljährig geworden ist, wird sich kaum noch daran erinnern, dass es mal einen anderen Bundestrainer gegeben hat als Joachim Löw. Im Sommer 2006, unmittelbar nach der Weltmeisterschaft im eigenen Land, ist er ins Amt gekommen. Und auch wenn das aus heutiger Sicht wie eine logische Fortschreibung dessen erscheinen mag, was Jürgen Klinsmann zwei Jahre zuvor begonnen hatte – so selbstverständlich war es nicht, dass Löw den Job von Klinsmann übernehmen durfte. Für den Geschmack der entscheidenden Personen beim Deutschen Fußball-Bund hätte es durchaus ein etwas renommierterer Kandidat sein dürfen. Löw, fachlich durchaus anerkannt, war damals noch nicht der coole Jogi, der alle zwei Jahre einen neuen modischen Trend setzt. Er war noch mehr Trainingsanzug als tailliertes Hemd. Dass sich sein Image recht schnell gewandelt hat, liegt auch an diesem einen Spiel in Prag im März 2007.

Europa staunte nach dem Spiel wieder über die deutsche Mannschaft

Deutschland und Tschechien trafen damals in der Qualifikation zur EM 2008 aufeinander. Heute kann man sich das kaum noch vorstellen, dass die Tschechen eigentlich als Favorit auf den Gruppensieg galten. Das Team von Trainer Karel Brückner mit den beiden früheren Dortmundern Tomas Rosicky und Jan Koller, dazu Milan Baros im Sturm, wurde fußballerisch als deutlich stärker eingeschätzt als die Deutschen, die ziemlich genau ein Jahr zuvor von Italien mit 1:4 filetiert worden waren. Der Schrecken der Nation hieß damals Jan Koller, 2,02 Meter groß und nach allgemeiner Einschätzung für die Abwehr der Nationalmannschaft kaum zu verteidigen. Nach dem Schlusspfiff aber redete niemand mehr von Koller oder der mehr als theoretischen Möglichkeit, die Qualifikation für die EM noch zu verspielen. Löw siegte mit seiner Mannschaft 2:1, und Koller war in 90 Minuten nur einmal aufgefallen: als er an der Seitenlinie seine Kontaktlinsen wechseln musste.

„Nie hat eine deutsche Nationalmannschaft so organisiert und modern gespielt“, sagte Innenverteidiger Christoph Metzelder nach dem Spiel. Vor dem Spiel war noch darüber diskutiert worden, ob Jan Koller in Manndeckung genommen werde. Doch Löw war klar, dass er damit nur an den Symptomen herumdoktern würde, das eigentliche Problem aber nicht würde beheben können. Ganz egal, ob er Per Mertesacker oder Christoph Metzelder gegen Koller stellen würde, in Kopfballduellen würde jeder von beiden dem tschechischen Riesen unterlegen sein.

Die Lösung war, es gar nicht erst zu Kopfallduellen kommen zu lassen, Koller aus dem Spiel zu nehmen, indem man die Zulieferdienste auf ihn effektiv unterbindet. Die Aufmerksamkeit des Bundestrainers galt daher nicht dem Stürmer der Tschechen, sondern deren Mittelfeld. Und wie Joachim Löw dieses Problem letztlich löste, sollte geradezu typisch für ihn werden. Einzige Ausnahme war das vercoachte EM-Halbfinale 2012 gegen Italien, als der Bundestrainer gewissermaßen wider seine eigenen Prinzipien handelte und Toni Kroos als Manndecker für Andrea Pirlo aufbot.

Das Spiel in Prag aber war eine frühe taktische Meisterleistung Löws. Europa staune wieder über Deutschland, war nach dem Spiel zu lesen. Seine Mannschaft sei von den Deutschen „an die Wand gespielt“ worden, sagte Karel Brückner. „Auf so einen starken Gegner sind wir schon lange nicht mehr getroffen.“ Gegen die Tschechen funktionierte aber nicht nur die Defensive, auch im Offensivspiel war erstmals eine neue Qualität zu erkennen. „Ist das wirklich Deutschland?“, fragte der Tagesspiegel nach dem Spiel in Prag. Mit diesem Auftritt sei die Nationalmannschaft „endgültig in der Moderne angekommen“. Und über den Bundestrainer, der zuvor als Assistent von Jürgen Klinsmann eher im Hintergrund gewirkt hatte, hieß es: „Jetzt zeichnet Löw auch formal verantwortlich für den mitreißenden Stil: die Spieleröffnung aus der Innenverteidigung, den Verzicht auf temporaubendes Quergeschiebe, den Mut zum schnellen Pass in die Tiefe.“

Was heute fast schon normal ist, war damals noch eine echte Attraktion.

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