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Nach der Werbung geht's weiter. Reiner Calmund macht sich 2003 bei Aufnahmen für einen Mobilfunkanbieter nass.
© Peter Kneffel/dpa

Kolumne Fußball spielen: Strafen wie bei Calli Calmund

An diesem Wochenende startet auch der Amateurfußball voll durch. Unser Kolumnist weiß, worauf es in der Kreisliga B ankommt – er spielt selbst mit.

Von David Joram

Die Leidenszeit ist beendet, jene der Liegestütze und Luftsprünge, der Medizinbälle und Marathonläufe. Die Bundesliga startet, unser aller liebstes Kind, Hochglanzprodukt einer Hochleistungsgesellschaft. Sie ist so hübsch wie ihr kleiner Bruder hässlich – und damit zum Amateurfußball, der an diesem Wochenende ebenfalls wieder die Punktehatz aufnimmt!

Mir hat es ein krisengeschüttelter Kreisliga-B-Klub angetan, zweite Mannschaft. Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge vor einem Jahr. Die Perspektive fehlte, das Bier schmeckte, die Duschen gaben warmes Wasser. Der Trainer, der nicht Icke heißt, sich aber so nannte, berlinerte akzentfrei. Ich unterschrieb, mündlich und auf Lebenszeit – trotz zahlreicher Lockrufe der ersten Mannschaft. Ich hörte auf mein Herz. Immerhin hat die „Zweite“ für den Fall der Fälle eine Plastik-Meisterschale in der Kabine hängen und einen Strafenkatalog, der so umfangreich ist wie Calli Calmund.

Strafenkataloge sind wichtig. Sie fördern den Teamgeist. Strafen stehen auf das erste Tor (eine Kiste Bier), das erste Spiel (eine Kiste Bier), Eigentore (eine Kiste Bier), Zeitungsfotos (eine Kiste Bier), einen Platz in der „FuWo-Elf des Spieltags“ (eine Kiste Bier) und vielem mehr (ebenfalls eine Kiste Bier). Keine Kiste Bier, sondern lediglich 50 Cent kostet es, den Ball über den Zaun hinterm Tor zu schießen. Vermutlich weil das sonst die Biervorräte im Clubhaus übersteigen würde. Wir schießen nämlich nicht nur im Training über den Zaun, weshalb die letzte Runde ein einziger Überlebenskampf war.

Hoch und weit bringt Sicherheit

Genauso spielten wir auch, denn hoch und weit bringt Sicherheit. Erst kurz vor Saisonende entkamen wir dem Absturz in die Kreisliga-C-Hölle. Den entscheidenden Sieg holten wir in Treptow, tief im Wald auf einem Rasenplatz ohne Markierungen. Nur so war es möglich, dass aus meinem taktisch motivierten Trikotzupfer weit, weit, weit außerhalb der Strafraumgrenze plötzlich ein Elfmeter für den Gegner resultierte. Der Trainer tobte. Der Videoschiedsrichter blieb stumm. Wir gewannen trotzdem 3:2. Das war auch in dieser Höhe verdient, zumal auf einem Platz, gegen den jeder Kartoffelacker ein Teppich ist. Edelfan Teo goutierte die Willensleistung mit einer Kiste Edelstoff, die offenbar zum Träumen anregte.

Unser neuer Trainer, der nicht mehr Icke heißt, will in dieser Saison aufsteigen. Ins zweitägige Trainingslager Nahe Dresden wollte er uns deshalb scheuchen. Doch der Termin kollidierte mit den Nebenjobs und Urlaubsplanungen der Herren Amateurprofis. Und einige der auf dem Papier vorhandenen 45 Spieler gestalteten ihr Training lieber individuell in der lokalen Partyszene. Übrig blieben sieben Anmeldungen, aber nichts vom Trainingslager. Trotzdem hält der Coach an seinen Zielen fest. Aufstieg also, Meister werden! Eine Ansage, die mich so verwirrte, dass ich im jüngsten Pokalspiel prompt ein Eigentor köpfte. Zeit für die nächste Kiste. Gut für den Teamgeist. Und Sonntag ist endlich Spieltach!

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