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Dank an 800 Fans! Die Spieler der Grashopper Zürich nach dem 4:0 Sieg gegen Lausanne.
© Imago/Just Pictures

Sachsen will Zuschauer ins Fußballstadion lassen: Sponsoren oder Dauerkartenbesitzer? Egal, fahrt erst mal hoch!

Bundesligafußball lebt auf den Rängen von Nähe und ist das Gegenteil von Abstand halten. Und trotzdem sind weniger Zuschauer besser als keine. Ein Kommentar

Als erstes Bundesland hat Sachsen dieser Tage laut überlegt, die Fußballstadien schrittweise wieder für das Publikum zu öffnen, was dem Wunsch der Deutschen Fußball-Liga entgegen käme. Mehr als 1000 Zuschauer pro Spiel sollen bald erlaubt sein. Ab 1. September – das hieße also in Leipzig, Aue und auch in Dresden könnte der Fan schon mit Beginn der kommenden Saison wieder Profifußball live verfolgen – wenn er denn zu den Auserwählten gehört.

Natürlich würde der Gang ins Stadion kein einfacher: Fiebermessen am Stadioneingang, Wärmebildkameras, die kontaktlos die Körpertemperatur des Zuschauers am Eingang messen und selbstverständlich Maskenpflicht auf den nur lückenhaft besetzten Tribünen.

Wer darf dann rein, wer muss draußen bleiben?

Und das steht so ziemlich im Gegensatz zu allem, was der gemeine Fußballfan mag. Die enge Stehtribüne, den Schweißgeruch, das Mitgrölen, das in den Kragen des Fantrikots hineinschwappende Bier beim Torjubel des Hintermanns. Ist nur logisch, dass nun Pläne über die Teilöffnung der Tribünen von angeblich vielen Fangruppen abgelehnt werden. Entweder alle oder keiner ist der Tenor.

Diese Haltung ist aus Sicht der Ultras und vieler Menschen, die eben wegen der Atmosphäre bis zum März diesen Jahres ins Stadion gepilgert sind, verständlich. Bratwurstgeruch liegt vielen näher als der Desinfektionsmittelmief.

Fußball im Bundesligastadion lebt auf den Rängen von Nähe und ist das Gegenteil von Abstand halten. Außerdem: Wie soll so was praktikabel zufriedenstellend sein, wenn ein Klub zig 1000 Dauerkarten verkauft hat und dann nur sagen wir mal 5000 Menschen ins Stadion dürfen? Wer darf dann rein, wer muss draußen bleiben? Und wie geht es zum Stadion hin, in der vollen U-Bahn?

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Die Angst, dass der Fan mit dem Stehplatzticket für den ohnehin schon klammen Klub draußen bleiben muss und der Edelfan dem Veranstalter näher liegt, ist berechtigt, wie sich zuletzt in der Schweiz zeigte. In der Super League lassen sie seit Ende Juni wieder wenige Zuschauer in die Stadien.

Beim Spitzenspiel zwischen dem Grashopper Zürich und dem FC Lausanne waren 1000 Zuschauer am Dienstagabend im Letzigrund live dabei, um die Vergabe der 800 verfügbaren Tickets gab es viel Ärger. 400 Karten gingen an Sponsoren, nur 400 Dauerkartenbesitzer durften ins Stadion.

Und trotz alledem: Die stoische Alle-oder-keiner-Haltung wird dem Profifußball auch nicht helfen. Auch die Gesellschaft versucht hierzulande nach dem – womöglich nur ersten – Höhepunkt der Pandemie seit Wochen den Betrieb behutsam wieder hochzufahren. Warum kann der Fußball das nicht auch?

Die Endzeitstimmung versprühenden Geisterspiele lassen den Schluss zu: Fußball vor wenigen Fans ist besser als Fußball ohne Fans

Momentan ist wenig so, wie es noch vor einem halben Jahr war. Sich die Vergangenheit zurückzuwünschen ist legitim, ist aber momentan und wer weiß wie lange noch unrealistisch.

In Dänemark, der Schweiz und bald in Frankreich (ab dem 11. Juli) sind ganz leere Tribünen erst einmal Geschichte. Die Endzeitstimmung versprühenden Geisterspiele der Bundesliga lassen ohne Zweifel den Schluss zu: Fußball vor wenigen Zuschauern ist besser als Fußball ohne Zuschauer. Eine Anzahlung ist besser als nichts.

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