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Keine Durchfahrt möglich. Die Tour-Veranstalter hatten keine Wahl, sie mussten die Etappe abbrechen.
© dpa

Tour de France: „So viel Hagel habe ich noch nie gesehen“

Auf der 19. Etappe der Tour de France verhindert das Wetter ein reguläres Finish. Egan Bernal springt ins Gelbe Trikot.

Dramatische Szenen spielten sich in den französischen Alpen ab. Hagelschauer stürzten auf die Strecke der Tour de France herunter. Ein Erdrutsch machte zudem einen Teil des Parcours unpassierbar. Tourdirektor Christian Prudhomme entschloss sich zum Abbruch des zuvor bereits ereignisreichen Rennens. Gewertet wurden die Zeiten auf dem Col d'Iseran, dem eigentlich vorletzten Gipfel des Tages. Sieger dort war Egan Bernal. Im doppelten Sinne. Denn der Kolumbianer übernahm auch das Gelbe Trikot.

„Siehst du den Hagel hier auf dem Auto“, meinte Carsten Jeppesen, Technischer Direktor von Team Ineos zum Tagesspiegel, als er mit seinem SUV zum Teamhotel Villa Montana in Tignes vorfuhr. Jeppesen war einer der ersten, die die Sturmzone verlassen hatten. „Es lag eine fünf Zentimeter dicke Schicht Hagel, alles war weiß, als sei es eine Schneedecke“, sagte der Däne. Unterwegs hatte er noch gesehen, wie Bulldozer versucht hatten, die Folgen des Erdrutsches zu beseitigen. „Es war wirklich schweres Gerät im Einsatz. Und ich verstehe, warum sie das Rennen abgebrochen haben.“

Diese Einschätzung teilten alle Beteiligten. „Die Rennleitung hat die richtige Entscheidung getroffen“, sagte David Brailsford, Teamchef von Ineos. „Es war schon überraschend, aber man hat gesehen, dass es einfach nicht möglich war. So viel Hagel habe ich noch nie gesehen“, meinte der erneut starke Emanuel Buchmann. Mit dem Verlauf des Rennens war der Bora hansgrohe-Kapitän zufrieden. „Wir sind richtig schnell gefahren, ich denke, im Ziel wäre auch noch etwas gegangen.“

Hier hatte allerdings Bernal die stärksten Akzente gesetzt. Er löste sich bereits am vorletzten Gipfel des Tages, dem Col d'Iseran, von der Favoritenruppe. Mit spielerisch leicht aussehendem Tritt entfernte er sich Meter für Meter und sammelte dann die Fahrer der Fluchtgruppe des Tages auf. Als Solist passierte er den Gipfel. Dort hatte der Kolumbianer einen Vorsprung von über zwei Minuten auf den bisherigen Gesamtführenden Julian Alaphilippe herausgefahren. Seinen Teamkollegen Geraint Thomas, den Niederländer Steven Kruijswijk und Emanuel Buchmann hatte er da um etwa eine halbe Minute distanziert.

Egan Bernal: "Ich wusste nicht, was überhaupt los war"

Nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden des Franzosen Thibaut Pinot - er stieg wegen einer Muskelverletzung vorzeitig ins Teamauto - war Bernal der stärkste Kletterer im Feld. Einen Angriff seines Ko-Kapitäns Geraint Thomas parierte noch Bora-hansgrohe-Fahrer Gregor Mühlberger. Gegen die unmittelbar folgende Konterattacke Bernals waren aber alle machtlos. Der Kolumbianer stürmte entschlossen davon und war von den weiteren Favoriten nicht einzuholen.

In der Abfahrt ereilte ihn die Nachricht, dass das Rennen abgebrochen worden sei. „Ich wusste nicht, was überhaupt los war. Ich war in vollem Tempo unterwegs. Und sie sagten mir, dass ich anhalten solle. Ich sagte: ‚Nein, nicht jetzt!' Dann sagten sie mir, dass das ganze Rennen gestoppt war. Ich konnte dann kaum glauben, als sie mir mitteilten, dass ich das Gelbe Trikot hätte. Bei mir war der Asphalt noch trocken, aber weiter vorn konnte man wohl nicht weiterfahren“, schilderte Bernal die Situation. Er ist jetzt in Gelb, und er kann der jüngste Fahrer werden, der jemals die Tour de France gewinnt. Daran wollte er in diesem Moment noch nicht denken: „Der Samstag wird auch schwer.“

Buchmann hat weiterhin Chancen

Im Teamhotel von Ineos herrschte derweil auch nur verhaltene Freude. „Es lief heute sehr gut, aber das Rennen ist noch nicht gewonnen“, sagte Teamchef Brailsford dem Tagesspiegel. Er zeigte sich aber zufrieden damit, dass sein Team erstmals bei dieser Tour in den Bergen dominant aufgetreten war. „Wir hatten geplant, bereits am vorletzten Berg anzugreifen. Es war auch abgesprochen, dass Geraint zuerst attackiert, denn wir nahmen an, dass ihm die anderen Fahrer nachsetzen. So war es dann auch. Sie haben die Arbeit gemacht. Und dann ist Egan angetreten“, lautete seine sportliche Bilanz.

Damit ist die Tour wie immer: Ein Fahrer des britischen Rennstalls hat das Gelbe Trikot, ein weiterer besetzt einen Podiumsplatz. Zu diesem gewohnten Bild bedurfte es bei dieser Tour allerdings besonderer Umstände. Sicher fühlen darf sich Bernal aber nicht. "Ich habe mich noch nie so gut in einer dritten Woche gefühlt. Morgen will ich noch einmal alles geben umd dann schauen, was dabei herauskommt", sagte der fünftplatzierte Buchmann. Er liegt 1:42 Minuten auf Bernal zurück.

Tom Mustroph

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