Premier League: So geht England mit den Milliarden TV-Geld um
Die Bundesliga blickt neidisch auf die reiche Premier League – aber ist Englands Modell nachahmenswert? Fans und Experten beklagen, das Geld wandere nur in die Taschen der Spieler, während Vereinsmitarbeiter nicht mal das Existenzminimum verdienen.
Am vergangenen Samstag hielten die Fans des FC Bayern in der Münchner Arena ein Banner hoch, auf dem eine klare Ansage stand: „Nein zum englischen Modell.“ Anlass war der Rekordvertrag der englischen Premier League, der den Klubs durch den Verkauf der Fernsehrechte zwischen 2016 und 2019 rund 6,9 Milliarden Euro bescheren wird. Daraufhin hatten auch die Manager der Bundesliga vorsichtig vorgeschlagen, dass man in Deutschland etwas tun müsse, um wirtschaftlich mit England Schritt zu halten.
In England blicken allerdings zumindest die Fans neidisch auf die Bundesliga, die Fankultur, die erschwinglichen Eintrittspreise und die Nachwuchsarbeit. Während DFL-Geschäftsführer Christian Seifert die Liga offenbar nach englischem Vorbild noch stärker mit dem Pay-TV verzahnen will und auch weitere Anstoßzeiten ins Gespräch brachte, sehnen sich die meisten englischen Fans insgeheim nach dem Bundesliga-Modell.
Vor allem der letzte Woche angekündigte TV-Vertrag hat die Debatte um Geld im englischen Fußball wieder ausgelöst. Die 6,9 Milliarden Euro sind übrigens nur ein Teil des Geldes, das die Premier League durch Fernsehrechte bekommen wird. Denn es geht dabei nur um die Vereinbarung mit britischen Sendern. Der Verkauf der Rechte im Ausland wird weiteres Geld einbringen.
Was tun also mit den Milliarden? Für die Vereine und Premier-League-Geschäftsführer Richard Scudamore gibt es eine einfache Antwort. Sie werden tun, was sie immer getan haben: Die besten Spieler verpflichten, die höchsten Gehälter zahlen, die anderen Ligen finanziell im Schatten der Premier League halten.
Fans verlangen endlich billigere Tickets
Aber es gibt auch einen Hauch Widerstand gegen dieses Modell, das seit zwanzig Jahren den englischen Fußball regiert. Nach der Ankündigung des neuen Fernsehdeals verlangte Großbritanniens größte Fanorganisation „Supporters Direct“ sofort eine Änderung. Es sollte mehr Geld an die unteren Ligen verteilt werden – und vor allem sollten die Eintrittskarten billiger werden.
„Da diese Fernsehverträge einen Einfluss auf Anstoßzeiten haben, ist es besonders wichtig, dass wir weiterhin um die Reduzierung der Eintrittspreise kämpfen“, erklärte die Organisation. Dabei bekam sie nicht nur von den Fans Unterstützung, sondern auch von ehemaligen Spielern. Jamie Carragher betonte, „mit diesen Summen müssen auch billigere Tickets kommen“. Jamie Carragher ist nicht nur eine Legende beim FC Liverpool, sondern auch reichlich entlohnter Experte des übertragenden Pay-TV-Senders Sky.
Sein Kollege im Sky-Studio, Gary Neville, hat sich ebenfalls für billigere Tickets ausgesprochen. Zudem verlangte er von der Premier League, dass „mehr Geld in die Nachwuchsarbeit investiert wird“. Die leidet nämlich seit Jahren daran, dass die Vereine für große Summen gestandene Spieler aus dem Ausland einkaufen.
Der Widerstand gegen die Allianz zwischen Premier League und Sky kommt also nicht nur von ausgebeuteten Fans, sondern auch aus den eigenen Reihen. Und dabei geht es weit über die Grenzen von Fankultur und Nachwuchsarbeit hinaus. Laut Prognosen wird der neue Geldfluss zum Großteil in noch höhere Spielergehälter investiert werden. Mancher Spieler könnte bald sogar bis 500 000 Euro verdienen – pro Woche. Die Diskrepanz zu den anderen Mitarbeitern in einem Fußballklub würde dann noch größer. Bei fast allen Premier-League-Vereinen verdienen Stadionbetreuer, Putzleute und Cateringpersonal weniger als das Existenzminimum, das in England mit etwa zehn Euro pro Stunde angesetzt wird.
Die Premier League sei keine Hilfsorganisation, sagt ihr Chef
Das soll sich nun ändern. Vor dem Stadion des FC Arsenal verteilt seit Wochen die Lobbygruppe „Citizens UK“ Informationen über die unwürdige Bezahlung der Mitarbeiter bei Fußballvereinen. Die Kampagne scheint zu wirken: Im Dezember versprach der FC Chelsea als erster Premier-League-Klub, allen Mitarbeitern das Existenzminimum zu zahlen. West Ham United will folgen.
Es bleibt aber ein kleiner Schritt. Im Großen und Ganzen weist die milliardenschwere Premier League jegliche sozialpolitische Verantwortung von sich. „Es ist nicht die Verantwortung der Liga, dass die Klubs das Existenzminimum zahlen“, sagte der Liga-Geschäftsführer Richard Scudamore letzte Woche. Nicht einmal den eigenen Fans gegenüber sieht sich die Liga in der Pflicht. Zwar hat sie in den letzten drei Jahren 225 Millionen Euro in Sozialprojekte investiert. Doch diese Summe macht nur drei Prozent des Geldes aus, das die Premier League durch den aktuellen TV-Vertrag verdient. Auf die Frage, ob die reichste Fußballliga der Welt nicht etwas mehr für solche Projekte ausgeben sollte, erklärte Geschäftsführer Scudamore knapp, dass die Liga keine Hilfsorganisation sei.
Dennoch hegen einige die leise Hoffnung, dass es in England angesichts des neuen Reichtums zu einer Umstrukturierung kommt, dass auch Fans, Mitarbeiter, Nachwuchs und Gesellschaft von den Milliarden profitieren werden. Wahrscheinlicher ist, dass im englischen Modell alles beim Alten bleibt.
Kit Holden