Tennis: Serena Williams vereitelt deutsches Wimbledon-Finale
Julia Görges war chancenlos gegen die Tennis-Veteranin. Die steht jetzt trotzdem gegen eine Deutsche im Finale: Angelique Kerber gewann gegen Ostapenko.
Die Hoffnung währte nur eine Stunde. So lange durften die Tennisfans hierzulande noch vom ersten deutschen Frauenfinale in Wimbledon seit 1931 träumen. Angelique Kerber hatte ihren Teil bereits mit ihrem 6:3 und 6:3-Sieg über Jelena Ostapenko erledigt und sie freute sich in ihrer Pressekonferenz noch darauf, am Samstag gegen eine Landsfrau und Freundin spielen zu dürfen und wie schön das für Deutschland wäre, "denn eine Deutsche gewinnt ja auf jeden Fall". Und Julia Görges gab sich derweil auch große Mühe in ihrem Halbfinale auf dem Centre Court, doch Tennis-Legende Martina Navratilova machte den deutschen Fans als Kommentatorin für die BBC schon nach einer halben Stunde wenig Mut: "Es läuft alles so, wie Serena es will. Görges spielt gut, aber Serena noch viel besser."
Görges ist zufrieden
Und so mimte die siebenmalige Wimbledonsiegerin Serena Williams gestern die Spielverderberin für die deutsche Party im All England Club und beendete Görges' furiosen Lauf mit 6:2 und 6:4. "Ich bin trotzdem nicht enttäuscht", sagte Görges, "sie hat einfach die Erfahrung, um so ein Match zu gewinnen. Aber ich habe mein letztes Hemd auf dem Platz gelassen. Ich war so stolz und habe es genossen gegen sie auf diesem Court spielen zu dürfen."
Es kommt morgen also nicht zum deutschen Finale, sondern zur Neuauflage des Endspiels von 2016: Kerber gegen Williams. "Es ist verrückt, ich habe das nicht erwartet", staunte die 36 Jahre alte Amerikanerin, die in Wimbledon erst das vierte Turnier nach der Geburt ihrer Tochter bestreitet: "Ich hatte eine sehr schwere Geburt und es fast nicht überlebt. Daher ist es definitiv nicht normal für mich, wieder im Finale zu stehen." Doch auf dem Rasen schien es fast, als sei sie nie weggewesen. Derzeit steht die 23-malige Grand-Slam-Siegerin zwar nur auf Rang 181, aber ihr Ranking hatte nie eine Rolle gespielt. Serena Williams war und ist immer eine Ausnahmespielerin. Umso beeindruckender, wie Görges im ersten Grand-Slam-Halbfinale ihrer Karriere gegen sie auftrat. Von Nervosität war bei der 29-jährigen Schleswig-Holsteinerin nichts zu spüren, sie zog ihr aggressiv-offensives Spiel selbstbewusst durch. Und keiner der 15.000 Zuschauer hätte wohl geglaubt, dass Görges in den vergangenen fünf Jahren nie über die erste Runde in Wimbledon hinausgekommen war und mit Rasentennis so gar nichts anfangen konnte.
Williams war unschlagbar
Doch die Willensstärke und die Wucht, mit der Serena Williams zu agieren vermag, drückte Görges zunehmend in die Defensive und die große Favoritin übernahm die Kontrolle. Kampflos aufgeben wollte Görges dennoch nicht, auch nicht, als sie schon fast aussichtslos im zweiten Satz mit 2:5 zurücklag. Görges schnappte sich furios das Break, stachelte Williams' Ehrgeiz aber nur umso mehr an - diese bügelte den kleinen Patzer sofort wieder aus und nahm Görges das Aufschlagspiel zum Matchgewinn ab. "So machen das wahre Champions", schwärmte Navratilova von diesem Finish. Görges kann jedoch erhobenen Hauptes den All England Club verlassen. Sie hatte aller Welt bewiesen, dass sich der Neustart, den sie vor drei Jahren wagte, endlich ausgezahlt hat. "Ich verlasse London jetzt glücklich, stolz und motiviert", sagte Görges.
Nun ruhen die deutschen Hoffnungen allein auf Kerbers Schultern, und die 30 Jahre alte Kielerin hatte gegen die 21 Jahre alte Lettin Jelena Ostapenko eine reife Leistung geboten. Nicht selbstverständlich, denn Ostapenko verkörpert die wandelnde Risikobereitschaft. Sie spielt immer alles oder nichts, doch mit Kerbers Geduld und ihrer starken Defensivarbeit brachte sie die French-Open-Siegerin von 2017 schnell zur Verzweiflung. "Ich bin so stolz und glücklich, wieder im Finale zu stehen", freute sich Kerber, "2017 ist endgültig vorbei. Es fühlt sich toll an, wieder da zu sein." Kerber hatte es sich selbst einmal mehr bewiesen, dass sie das Formtief der vergangenen Saison vollkommen überwunden hat. Als einzige Spielerin stand sie bei den bisherigen drei Grand Slams in diesem Jahr mindestens im Viertelfinale. Und das verwundert kaum, denn Kerber hat ihre größte Stärke wiedergefunden: ihre Konstanz. Sie könnte ihr auch morgen helfen, gegen Serena Williams. "Angie hat ganz offensichtlich den Reset-Knopf gedrückt", lobte Tennis-Legende Billie Jean King, "sie kam mit dem ganzen Erwartungsdruck, den man als Nummer eins hat, einfach nicht zurecht. Aber sie ist zurück und wirkt, als wäre sie jetzt bereit." Bis zur Rückkehr zur Nummer eins liegt noch ein ganzes Stück vor ihr, doch der Anfang ist geschafft.