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Julia Görges jubelt über ihren Sieg.
© dpa/Nigel French

Halbfinale in Wimbledon: Der späte Erfolg der Julia Görges

Julia Görges ist der vergessene Teil der neuen deutschen Welle im Tennis. Mit ihrem Einzug ins Halbfinale von Wimbledon feiert sie den größten Erfolg ihrer Karriere.

Da stand sie nun, mitten auf dem Rasen von Court No. 1 in Wimbledon, und schlug die Hände vors Gesicht. Julia Görges verharrte dort wie angewurzelt, so als fürchtete sie, es könnte doch bloß ein Traum gewesen sein, der platzte, sobald sie sich auch nur einen Millimeter von ihrem Fleck bewegen würde. Es war aber alles real, nur konnte sie nicht glauben, dass sie es tatsächlich geschafft hatte.

„Ich habe so lange auf diesen Moment hingearbeitet“, beschrieb es Görges später, „und dann ist er da und ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll.“ Sie fühlte Erleichterung, Unglaube und natürlich auch ein bisschen Stolz. Sie wollte ja gar nicht jubeln, nur diesen Augenblick einfach in ihrem Inneren festhalten.

Und dann begriff Görges: Sie steht zum ersten Mal im Halbfinale eines Grand Slams. Nach so vielen Rückschlägen und enttäuschten Erwartungen hatten ihr viele den großen Wurf nicht mehr zugetraut. Doch Görges glaubte immer daran, dass ihr großer Moment noch kommen würde. Nun ist er da, im Alter von 29 Jahren – und das auch noch ausgerechnet in Wimbledon. „Ich hatte nie einen Bezug zu Rasen, außer in meinem Garten“, meinte Görges, „dass es in Wimbledon passiert, hätte ich nie erwartet – und es macht diesen Erfolg noch süßer.“

Ein geschichtsträchtiger Erfolg

Da es auch Angelique Kerber ins Halbfinale schaffte, umweht dieses Traditionsturnier an der Londoner Church Road nun umso mehr etwas Geschichtsträchtiges. In der Open Era seit 1968 hatten noch nie zwei deutsche Spielerinnen im All England Club die Runde der letzten Vier erreicht. Das einzige und bisher letzte deutsche Frauenfinale in Wimbledon fand 1931 statt. „Ich finde, ein deutsches Finale klingt ziemlich cool. Aber es ist auch ein bisschen verrückt, dass wir jetzt tatsächlich die Chance darauf haben“, sagte Görges: „Es ist toll für das deutsche Tennis.“

Kerber hat schon ein bisschen mehr Erfahrung, für die 30 Jahre alte Norddeutsche ist es bereits das siebte Halbfinale bei einem Grand Slam, und 2016 gewann sie sogar zwei dieser vier wichtigsten Turniere des Jahres. Aber für Kerber war es damals ein ebenso langer und schwieriger Prozess und der große Durchbruch kam bei ihr auch erst mit 28 Jahren. Auch sie brauchte Zeit, um ihren Weg in ihrer Karriere zu finden.

Julia Görges erlebte das ganz ähnlich. Sie war immer Teil der „neuen deutschen Welle“, wie die Generation um Kerber, Andrea Petkovic und Sabine Lisicki lange genannt wurde. Görges zählte als feste Größe zum Fed-Cup-Team, stürmte nach ihrem Triumph 2011 in Stuttgart bis auf Rang 16 – doch danach kam lange nicht mehr viel, besonders bei den Grand Slams scheiterte sie oft früh. In Wimbledon zuletzt fünf Mal in Folge in Runde eins.

Eine radikale Wende in der Karriere

„Ich hatte das Gefühl, ich nutze mein Potenzial nicht voll aus und bin nicht die Spielerin, die ich sein will“, sagt Görges mal. Vor drei Jahren entschied sie sich daher zu einem radikalen Schritt: Sie trennte sich von ihrem langjährigen Trainer Sascha Nensel und zog von Hannover nach Regensburg in die Nähe ihres neuen Coaches Michael Geserer, der mit Physiotherapeut Florian Zitzelsberger Görges’ neues Team bildet. Sie brauchte eine neue Ansprache, mehr Freude an ihrem Leben auf und abseits des Tennisplatzes. „Der Schritt war riskant, aber nötig“, sagte Görges, „wir arbeiten jeden Tag hart, aber der Erfolg kommt eben nicht über Nacht.“

Im vergangenen Herbst war der Formanstieg dann bereits sichtbar. Mit den Turniersiegen in Moskau, Zhuhai und Auckland schaffte Görges saisonübergreifend eine Siegesserie von 15 Matches in Folge. Nur bei den Grand Slams lief es weiter mäßig – bis jetzt. „Ich denke, wenn man älter ist und viel erlebt hat, dann weiß man genauer, was man von seiner Karriere noch erwartet. Und das setze ich jetzt um.“

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