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Bitter. Warriors-Superstar Kevin Durant verletzte sich schwer in Toronto.
© Gregory Shamus/AFP
Update

Toronto lässt erste NBA-Titelchance liegen: Schock um Durant schlägt Spaß bei Golden State

Das Verletzungsdrama um Superstar Kevin Durant vermiest den Golden State Warriors den zweiten Sieg in der NBA-Finalserie. Es fließen sogar Tränen.

Ein Häufchen Elend. Bob Myers, Geschäftsführer der Golden State Warriors, sitzt nach dem fünften Spiel der Finalserie in der NBA um den Titel in der größten Basketball-Liga der Welt alleine vor der Presse und wirkt in diesem Moment, als säße aller Schmerz der Welt auf seinen Schultern. Eben noch hat sein Team durch einen atemlosen 106:105-Sieg bei den Toronto Raptors den ersten Matchball abgewehrt und in der Serie auf 2:3 verkürzt.

Doch Myers ist von Freude darüber so weit entfernt wie Kalifornien von Ontario. Ihm schießen die Tränen in die Augen, als er schluchzt: „Es ist eine Achilles-Verletzung. Ich weiß nicht, wie schlimm es ist. Er wird morgen ein MRT machen.“

Er, das ist Kevin Durant. Der 30-jährige Flügelspieler holte in den letzten beiden Jahren den NBA-Titel mit den Warriors. In beiden Finalserien wurde er zum besten Spieler gewählt, ein weiteres Mal war er MVP der Hauptrunde. In der Liga gilt er als „unguardable“, als nicht zu verteidigen. Mit seinen schlaksigen 2,06 Metern und den langen Armen, seiner Eleganz und seinem Ballhandling wird er immer seinen Wurf los – Gegenspieler wirken bei ihm wie lästige Pappaufsteller. Bereits viermal war er der beste Scorer der Liga. Kevin Durant ist ein Superstar.

Montagnacht, in Spiel fünf gegen Toronto, hatte er nach vier Wochen Verletzungspause sein Comeback gegeben und direkt wieder aufgedreht: Nach zwölf Minuten standen elf Punkte auf seinem Konto, seine drei Dreierversuche waren alle durchs Netz gerauscht. Dann suchte er mit einem explosiven Dribbling den Weg in Richtung Korb – und ging sofort zu Boden. Er hielt sich das rechte Bein und humpelte gestützt von Kollegen und Assistenten verletzt in die Kabine. Direkt nach der Rückkehr eine erneute Verletzung – ein Schock für sein Team.

„Wir haben alle gerade ein sehr bizarres Gefühl“, sagte sein Trainer Steve Kerr nach dem Spiel. „Es ist ein unglaublicher Sieg und eine grausame Niederlage zur selben Zeit.“ Sollte Durants Achillessehne wie befürchtet gerissen sein, droht eine lange Pause. Bei seinem Teamkollegen DeMarcus Cousins hatte es zuletzt ein knappes Jahr gedauert, bis er nach der gleichen Verletzung aufs Parkett zurückkehrte.

Es ging auch ohne Durant – bis zum Finale

Durants vorheriger Ausfall hatte sein Team lange Zeit kaum beeindruckt. Auch ohne ihn jagte Golden State seit Anfang Mai durch die Play-offs. Der Ball lief flüssiger als sonst, der eingespielte Kern des dominierenden NBA-Teams der vergangenen Jahre aus den beiden Scharfschützen Steph Curry und Klay Thompson sowie den Alleskönnern Draymond Green und Andre Iguodala spielte teilweise wie zu alten Zeiten, als Durant noch nicht in Kalifornien angeheuert hatte.

Zwischenzeitlich hatte es gar Gerüchte gegeben, der Flügelspieler würde gar nicht mehr in dieser Saison zurückkommen. Im Sommer läuft sein Vertrag aus, vieles deutet darauf hin, dass Durant dann das Team wechseln wird, um etwa in New York oder Los Angeles noch einmal als alleiniger Superstar auf dem Parkett zu stehen. Seit seinem Abgang aus Oklahoma City im Sommer 2016 zu den Warriors muss er sich Vorwürfe gefallen lassen, mit seinem Wechsel als bester Spieler zum besten Team den leichtesten Weg in Richtung NBA-Titel gegangen zu sein. War Durants Rückkehr für die letzten Spiele da überhaupt noch einmal nötig?

Im Finale gegen die bissigen Raptors machte sich sein Ausfall dann doch bemerkbar. Den Warriors fehlte ein Spieler, der gegen die harte Verteidigung auch einmal mit dem Kopf durch die Wand gehen kann. Sie sehnten Durants Rückkehr herbei. Mit der Serienniederlage vor Augen stand er nun erstmals wieder für das Team auf dem Parkett – vielleicht zu früh.

„Wir haben uns gut gefühlt mit dem Verlauf“, sagte Geschäftsführer Myers nach dem Spiel über Durants Genesungsprozess. Und wurde dann noch einmal von seinen Gefühlen übermannt: „Ich glaube nicht, dass man jemandem die Schuld geben kann. Aber ich weiß, dass unsere Welt so funktioniert. Und wenn es sein muss, dann gebt mir die Schuld.“

Leonard Brandbeck

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