Fußball-Bundesliga der Frauen: Runtergewirtschaftet
Wenig Zuschauer, wenig Vermarktung, wenig Geld: Im deutschen Frauenfußball muss sich einiges ändern.
Es ist ein Allgemeinplatz, dass allzu viele Erfolge zum Ausruhen verleiten. Insofern war der Ort für die Eröffnungsveranstaltung der neuen Saison in der Fußball-Bundesliga der Frauen vielleicht gar nicht so schlecht gewählt. In das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund hatten die Verantwortlichen geladen: ins Ruhrgebiet also, den Ort, der vielleicht so sehr wie sonst keiner in Deutschland für harte und ehrliche Arbeit steht. Ja, der deutsche Frauenfußball, vor allem die Liga, muss hart an sich arbeiten. An diesem Wochenende beginnt die neue Punktspielsaison. Und daran, was die Klubs sich einfallen lassen auf und neben dem Rasen, wird vieles hängen – alles sogar: Wohin es mit dem deutschen Frauenfußball in der Zukunft gehen kann.
Die Bundesliga der Frauen galt stets als das Maß der Dinge. Immer wieder produzierte sie neue Superlative. Auch in der vergangenen Saison: Der VfL Wolfsburg wurde Meister, Pokalsieger und Champions-League-Finalist. Fast wäre das Triple wirklich geworden. Dazu hat das Team einen Punkterekord aufgestellt. 56 Zähler zur Meisterschaft: Das kann man positiv oder negativ deuten. Ist die Liga so wahnsinnig unausgeglichen?
In den vergangenen sechs Jahren machten Wolfsburg und Bayern München die Meistertitel unter sich aus. Das wird in dieser Saison aller Voraussicht nach genau so sein. Der Sprache nach sind beide auf Augenhöhe. Favorit will keiner sein. Thomas Wörle, Trainer der Münchnerinnen, nennt Wolfsburg zwar die „Nummer eins“. Sagt aber auch: „Wir wollen versuchen, den Abstand zu verringern.“ Ralf Kellermann, der Wolfsburger Coach hält dagegen: „Bayern ist mittlerweile komplett auf Augenhöhe, auch in der Breite des Kaders. Daher wird es auch in der Liga sehr schwierig“, sagt er auf der Eröffnungsveranstaltung der Liga.
Seine Spielerinnen sind da etwas mutiger. Joelle Wedemeyer vom VfL Wolfsburg will nun in diesem Jahr sogar „alle drei Titel holen“, wie sie in einem Interview beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sagte. „Wir wissen, dass wir die Qualität haben." Aber: „Uns ist auch bewusst, dass die Gegner Jahr für Jahr stärker werden.“ Der Start in den ersten Wettbewerb ist auf jeden Fall schon geglückt: Die Champions League hat bereits angefangen. Sowohl Wolfsburg in Island, als auch Bayern in Serbien haben ihre Spiele gewonnen. Aber Island und Serbien sind eben nicht der Maßstab.
Spätestens im Viertelfinale, das wissen alle Beteiligten, wird es schwierig. Weil andere Ligen längst mehr investieren. In den europäischen Verbänden gibt es nach Aussage der Uefa inzwischen 1,4 Millionen Spielerinnen – Tendenz steigend. Nur in Deutschland, da fehlt der Boom nach der Heim-Weltmeisterschaft 2011. Zwar spielen Mädchen inzwischen selbstverständlich auch an Leistungs- Stützpunkten und an Sportschulen. Aber der Frauenfußball hat es verpasst, eine Identität zu entwickeln. Er ist akzeptiert, aber nicht attraktiv. Statt Fortschritte gibt es sogar Rückschritte zu verzeichnen: Der Zuschauerschnitt der Bundesliga ist inzwischen unter 900 pro Spiel gefallen. Vierstellige Zahlen können nur noch Potsdam, Wolfsburg, Frankfurt und Essen vorweisen. Selbst Titelanwärter Bayern spielt im Grünwalder Stadion fast immer vor annähernd leeren Rängen.
In anderen europäischen Ligen wird viel mehr investiert
Und in der Vermarktung der Liga läuft es nicht besser. Der TV-Spartensender Sport 1 überträgt zwar einige Spiele auch in dieser Saison, er muss aber mit schwachen Quoten rechnen. Das liegt auch daran, dass die Spielerinnen weitgehend unbekannt sind. Oder kennen Sie Pernille Harder, die Torschützenkönigin der Liga vom VfL Wolfsburg? Die Dänin ist Europas Fußballerin des Jahres, neben Kroatiens Vize-Weltmeister Luka Modric – den kennt jeder Fußballfan.
Aber mangelnde Medienpräsenz ist nur ein Faktor: Die Bundesliga droht offenbar auch, ihren wichtigsten Sponsor zu verlieren. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, denkt der namensgebende Versicherer über einen Rückzug nach. Der Vertrag mit der Allianz läuft zum Ende dieser Saison aus. Man will ihn dem Bericht nach nicht verlängern, zumindest liefen Gespräche, das Engagement zu beenden, heißt es. Damit würden den Klubs weitere Einnahmen im sechsstelligen Bereich fehlen, um international wettbewerbstauglich zu bleiben.
Die Liga muss aufpassen, dass sie den Anschluss nicht verliert. Wie andere Nationen investieren, konnte man zuletzt schon bei den Nationalmannschaften beobachten. Auch da steigt das internationale Niveau. Nur Deutschland, der einstige Titel-Garant, scheint nicht mitzuwachsen. Zuletzt wurde das beim Viertelfinal-Aus bei der Europameisterschaft 2017 in den Niederlanden deutlich.
Andere Ligen zahlen inzwischen auch andere Gelder. Während in der Bundesliga immer noch die meisten Spielerinnen studieren oder arbeiten, sind in England, Spanien und Frankreich längst Profis am Ball. Die können sich voll auf den Fußball fokussieren. Das hebt auch spielerisch das Niveau der Ligen – und macht die Ligen auch für deutsche Topspielerinnen attraktiver. Noch hat eine Abwanderung nicht stattgefunden. Zurzeit spielen aus der Nationalmannschaft nur Tabea Kemme (Arsenal London) und Dzsenifer Marozsan (Olympique Lyon) im Ausland. Frankfurts Manager Siegfried Dietrich warnte allerdings: Man könne es den Spielerinnen kaum verübeln, wenn sie in Städten wie London, Paris oder Barcelona ein Vielfaches verdienen könnten.
Die Bundesliga steht vor großen Herausforderungen. Meistern will man die auch mit der neuen Bundestrainerin. Martina Voss-Tecklenburg hat schon angekündigt, künftig enger mit den Vereinen zusammenarbeiten zu wollen. Dabei ist ihr nicht nur der Austausch mit den anderen Trainern und den Nachwuchsleitern wichtig – auch der mit den Männern, wie sie betont. Hier müsse man „Synergien zum Männerfußball nutzen“, sagt sie.
Mit den Aufsteigerteams Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach sind inzwischen acht von zwölf Teams in der Liga Männervereinen angeschlossen. Bislang bringt das Wohl und Wehe: einerseits professionelle Strukturen und Gelder. Andererseits stehen die Frauen aber auch im Schatten der Männer und werden kaum wahrgenommen. Vielleicht kann die Bundestrainerin daran etwas ändern. Voss-Tecklenburg ist auch noch gewählter Aufsichtsrat beim Männer-Bundesligisten Fortuna Düsseldorf. Womöglich entstehen dort neue Impulse. Dem Frauenfußball in Deutschland könnte es sicher nicht schaden.