Hertha BSC im Trainingslager: Ronny: Ein Begabter mit Handicap
Ronny wäre die Lösung für die kreative Armut bei Hertha BSC, doch das Spiel ist nicht auf den Brasilianer ausgelegt. Doch Trainer Jos Luhukay gibt die Hoffnung nicht auf.
Ronny ist ein kleiner Mogler. Das ewige Rennen wird nie seine Sache werden. Wenn die Spieler von Hertha BSC im Trainingslager in Belek ihre Runden um den Platz drehen, findet man Ronny immer irgendwo am Schwanz der Gruppe. Er sucht sich sein Tempo, schwatzt fast nie, wählt dafür aber immer den kleinstmöglichsten Radius. Gerade so, dass die kleine Mogelei nicht allzu aufreizend rüberkommt. Ronny ist in dieser Hinsicht ein sehr ökonomisch denkender Mensch. So spart er mit jeder Runde ein paar Meter, die in ihrer Summe dann eine halbe Runde ausmachen.
Trainer Jos Luhukay und seine Assistenten sehen großzügig darüber hinweg. Auch sie werden aus Ronny keinen Marathon-Mann mehr machen. Sie nehmen ihren Brasilianer, wie er ist, denn er hat ja auch was, das sonst keiner hat in der Gruppe. „Ach Ronny, ich bin schon lange ein Liebhaber von ihm“, sagt Luhukay. „Er trägt eine Portion Extra-Qualität in sich, die selten ist.“ Und dann zählt der Niederländer eine ganze Reihe von Dingen auf, die Ronny so wertvoll machen. Sein Ballgefühl, seine Schusstechnik, seine Intuition.
Wenn Jos Luhukay über Ronny spricht, dann hört sich das ein bisschen so an, als würde er über einen großen Jungen sprechen, dessen kindliche Verspieltheit gleichermaßen betörend wie nervenaufreibend ist. Der 28-Jährige ist eben ein Begabter mit Handicap. So ist es für den Trainer jedes Mal eine Herausforderung abzuwägen, wie viel Begabung Hertha braucht und wie viel Handicap das Team verträgt.
Über kreative Begabung verfügt der Berliner Bundesligist nicht gerade im Überfluss. In der Hinrunde offenbarte die Mannschaft von Jos Luhukay eine selten erlebte spielerische Armut. Und auch am Freitag, im Spiel gegen den FC Thun aus der Schweiz, dem letzten Test vor Beginn der Rückrunde, blieb das trotz des 1:0 (1:0)-Sieges durch ein Tor von Sandro Wagner ein Manko. Ronny saß auf der Bank.
Ronny ist stark am Ball, aber weniger stark in der Balleroberung
Ronny kann, Ronny muss die Lösung sein. Luhukay befindet sich dabei in der Klemme: „Wir müssen fußballerisch im Spiel nach von zulegen, aber dafür haben wir zu wenig Spieler, die die Qualität dafür haben.“ Alexander Baumjohann, der von seinen Fertigkeiten Herthas Spiel aus dem Zentrum heraus gestalten könnte, fällt auch das zweite Bundesligajahr aus.
Bleibt Ronny. Ein Spieler von hoher Begabung, aber auch mit einem gewissen Restrisiko. „Eigentlich muss Ronny immer auf den Platz stehen“, sagt Luhukay, schon aus Mangel an Alternativen im kreativen Bereich. Aber das zwingt den Trainer zu Kompromissen. „Wenn ich Ronny von Beginn an bringe, brauche ich im zentralen Mittelfeld die richtige Ergänzung zu ihm. Also einen Spieler, der stark in der Balleroberung ist und dazu einen weiteren, der viel Dynamik mitbringt.“
Die Sache ist nämlich die: In Ronnys Füßen, insbesondere im linken, steckt nicht nur Wucht, sondern jede Menge choreographisches Geschick. Nur muss er dazu den Ball erst einmal am Fuß haben. Ist Hertha im Ballbesitz, ist Ronny erster Zielspieler. Weil er in ein, zwei Sekunden Situationen erkennen und lösen kann, die andere nicht mal erahnen. Im optimalen Fall verleiht Ronny dem Spiel mit seinen schneidigen Pässen Schnelligkeit und Tiefe. Nur so entsteht heutzutage Torgefahr.
Das Problem ist, dass Herthas Spiel nicht so sehr auf Ballbesitz ausgelegt ist, was keine Frage der Spielphilosophie, sondern dem Personal geschuldet ist. So hat meist der Gegner mehr Spielanteile. Das wiederum ist nicht Ronnys Spiel. Er wird zum Handicap, wenn der Gegner Ballbesitz hat. Dann wirkt es oft so, als habe Hertha einen Spieler weniger auf dem Feld. „Aber daran“, sagt Luhukay, „daran arbeiten wir weiter mit Ronny.“ Runde für Runde.