Hertha BSC im Trainingslager: Gerüstbau in Belek
In der Hinrunde war bei Hertha BSC selten ein klarer Spielstil zu erkennen - auch, weil zentrale Stammspieler lange ausfielen. Im Trainingslager in der Türkei arbeitet Jos Luhukay daher an einer tragfähigen Achse für die Rückrunde.
Der tosende Baustellenlärm rings um das pingelig gepflegte Trainingsgeläuf hat Jos Luhukay erfinderisch werden lassen. Tausend Meter Luftlinie längs ins Land hat der Trainer von Hertha BSC einen neuen Übungsplatz gefunden, den der Bundesligakonkurrent FC Augsburg gerade erst geräumt hat. Es ist ein Platz, der das große Versprechen von Intimität und Intensität in sich trägt. Also verlegte der Niederländer justament alle Trainingseinheiten seiner Mannschaft. Die Profis fallen nun zwar nicht mehr von ihren Betten direkt auf das frische Grün, aber ein kleiner Bus war schnell organisiert, der die Spieler nun zur neuen Heimat kutschiert. „Hier können wir uns alle viel besser verstehen“, sagt Luhukay und lächelt.
Das kann nicht schaden, weil es Luhukay drängt, ununterbrochen mit der Trillerpfeife dazwischenzufahren, wenn ihm mal wieder etwas nicht gefällt. Er redet im energischen Ton auf seine Spieler ein, er korrigiert, er motiviert. „Wir wollen und müssen intensiv arbeiten“, sagt Luhukay. Was er nicht sagt, aber meint: Hertha BSC muss schnell Fortschritte machen und sich rasch entwickeln. Vor allem aber muss sich schnell eine belastbare Formation finden lassen, die das Grundgerüst für die Rückrunde bildet. Hertha BSC braucht ein Gesicht mit klaren Konturen und hoher Wiedererkennbarkeit.
Das Gesicht der ersten oder Stamm-Elf in der Hinrunde war verschwommen, sowohl für die Handelnden als auch für das Publikum. Wohl auch deshalb spielte die Mannschaft bisweilen einen Fußball, der keine klare Handschrift und keinen klaren Spielstil erkennen ließ. Genau hier will der Trainer knapp zwei Wochen vor dem ersten Rückrundenspiel ansetzen. Im Vergleich zur Saisonvorbereitung im Sommer stehen Luhukay und seinem Team in der Rückrundenvorbereitung keine acht Wochen und acht Testspiele zur Verfügung, sondern nur vier Wochen und vier Testspiele, von denen die Hälfte rum ist. Die Zeit drängt.
Die Mannschaft braucht eine stabile Achse, die sie wie ein Rückgrat durchzieht
„Die Neuzugänge sind integriert, ich sehe ein klares Steigerungspotenzial, wir brauchen ein stabiles Fundament“, sagt Luhukay. Vor allem braucht die Mannschaft eine stabile Achse, die sie wie ein Rückgrat durchzieht – vom eigenen Tor über die Innenverteidigung, das zentrale Mittelfeld bis hin zur Sturmspitze. In der Hinrunde war diese Achse mehrfach unterbrochen. Luhukay nennt vier Profis, die er als Achsenspieler fest eingeplant hatte, die durch langwierige Verletzungen fast die komplette Hinrunde ausgefallen sind: Sebastian Langkamp, Fabian Lustenberger, Tolga Cigerci und Alexander Baumjohann. „Wenn das passiert, kannst du bauen was du willst, es ist nicht stabil“, sagt Luhukay über das Verletzungspech.
Für Herthas Trainer ist das der wesentliche Grund, weshalb seine Mannschaft keine Leistungskonstanz auf den Platz bekommen hat. „Ich möchte künftig gern länger in der gleichen Formation spielen“, sagt er. Eine Formation, die sich nur an einer oder zwei Stellen nach den Anforderungen des jeweiligen Gegners richtet und variiert.
„Ich habe mein Gerüst im Kopf, werde es aber noch nicht aussprechen“, sagt der Trainer. Dahinter steckt keine Wichtigtuerei, sondern schlicht Trainingspsychologie. Luhukay will für die restliche Zeit der Vorbereitung jeden Einzelnen unter Spannung und bei Laune halten. Erschwert wird die Suche nach einer stabilen Achse dadurch, dass Luhukay zumindest für das Auftaktspiel am 1. Februar in Bremen Hajime Hosogai ersetzen muss. Der Japaner ist gesperrt, seine Rolle dürfte Fabian Lustenberger übernehmen, den Luhukay offensichtlich wieder im zentralen Mittelfeld sieht, weil in Sebastian Langkamp sein geplanter Innenverteidiger zurückgekehrt ist.
Zudem werden die beiden Außenspieler Änis Ben-Hatira (links) und Roy Beerens (rechts) nicht rechtzeitig fit werden, was Luhukay zum Rotieren zwingt. Als erste Optionen kommen Valentin Stocker (links) und Genki Haraguchi (rechts) in- frage. Alternativ zum Japaner Haraguchi böte sich Per Skjelbred an, doch der emsige Norweger dürfte wegen des Ausfalls Hosogais als zweiter Sechser wertvoller sein, respektive als Achter.
Noch kann Jos Luhukay das neue Gesicht seiner Hertha-Mannschaft nicht in Stein meißeln, doch die Konturen werden mit jedem Tag klarer. Und mit ihnen das organisierte Verhalten als Gruppe bei Ballbesitz und ohne Ballbesitz. Vor allem braucht eine Mannschaft eine innere Ausgewogenheit, in der sich jeder für sich und alle zusammen mutiger und widerstandsfähiger fühlt. Egal, wie laut es ringsum auch sein mag. Man ist ja schließlich nicht allein im Fußballstadion.