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Mit vollem Körpereinsatz. Ordner versuchen, randalierende Galatasaray-Fans zurückzudrängen. Das gelang dem Sicherheitspersonal der Arena am Ostbahnhof erst recht spät.
© dpa

Nach den Ausschreitungen bei Alba Berlin: Riskante Analyse

Nach den Krawallen beim Basketballspiel in der Euroleague zwischen Alba Berlin und Galatasaray Istanbul bemühen sich die Verantwortlichen um Aufklärung. Der Hallen-Betreiber beziffert den Sachschaden auf 35 000 Euro.

Am Ende eines in jeder Hinsicht langen Abends wollte Sasa Obradovic noch eine Sache klarstellen. „Ich bin mir sicher, so etwas wird bei uns nie wieder vorkommen“, sagte der Trainer von Alba Berlin. „Das hier ist ein sicherer Ort, immer noch.“ Rund drei Stunden zuvor konnte man anderer Meinung sein: Kurz vor Beginn des Euroleague-Spiels zwischen Alba und Galatasaray Istanbul hatten Gäste-Anhänger den Fanblock der Berliner angegriffen. Die Partie, die Alba am Ende 75:68 gewann, stand kurz vor der Absage und konnte erst mit einstündiger Verspätung beginnen.

Am Tag danach bemühten sich Verein, Hallenbetreiber und Polizei um Aufklärung. Was die Ausschreitungen auslöste, blieb aber auch am Freitag unklar. „Für mich sah es so aus, als sei eine Gruppe da gewesen, die nicht am Sport interessiert war“, sagte Albas Manager Marco Baldi. „Ich bin jetzt seit 40 Jahren im Basketball – und zumindest in deutschen Hallen habe ich so etwas noch nie gesehen.“ Der Verein kündigte an, „juristisch mit aller Härte gegen die Aggressoren vorgehen“ zu wollen. Der Verein erkundigte sich auch bei seinen Fanclubs: Ein Anhänger wurde mit Verletzungen an Kopf und Oberkörper ambulant im Krankenhaus behandelt, ernste Verletzungen blieben aber zum Glück aus. Nach Vereinsangaben sollen die Fans nun eine Bestandsaufnahme ihrer geraubten und beschädigten Utensilien machen, Alba will für Ersatz sorgen.

Die Galatasaray-Fans verfolgten das Spiel mit dem Rücken zum Feld

Viele der 12 821 Zuschauer hatten die Arena am Ostbahnhof nach dem Vorfall verlassen, darunter die komplette Fangruppierung „Block 212“, deren Banner im Zuge des Angriffs von den Galatasaray-Fans geraubt worden war. Zwei der Alba-Fans forderten ihre Fahne wagemutig zurück – und bekamen sie sogar wieder. Nicht die einzige bizarre Wendung an diesem aufwühlenden Abend.

Nachdem das Spiel um 22 Uhr doch noch begonnen hatte, verfolgte der große Block der Galatasaray-Fans das Spiel mit dem Rücken zum Feld und schien wenig bis gar nicht am Geschehen interessiert. Das legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Angreifern eher um Ultra-Fans der Galatasaray-Fußballer handelte als um ein Basketball-Publikum. Die Frage, ob die Gewalttäter sich aus Berliner Fans rekrutierten oder aus der Türkei angereist waren, konnte die Polizei, die jetzt wegen Landfriedensbruch ermittelt, am Freitag noch nicht beantworten.

Klar ist hingegen, dass die Sicherheitsmechanismen nicht funktioniert hatten. Dabei hatte die Risiko-Analyse von Veranstalter und Polizei durchaus ein erhöhtes Gefahrenpotenzial ergeben. Hallenbetreiber Anschutz setzte 20 Prozent mehr Sicherheitspersonal ein als bei normalen Alba-Spielen und führte am Eingang Körperkontrollen durch. Dabei ging es laut Anschutz-Sprecher Moritz Hillebrand vor allen Dingen um Pyrotechnik. Die Risikoanalyse sei „weitestgehend unauffällig“ gewesen, hieß es am Donnerstagabend nach Spielende vom Hallenbetreiber.

Der Hallen-Betreiber beziffert den Sachschaden auf 30 000 bis 35 000 Euro

Die Polizei hatte 35 Beamte in Schutzkleidung und Helmen für das Spiel abgestellt. „Zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung waren wir nicht in der Halle“, teilte eine Polizeisprecherin allerdings mit Hinweis auf das Hausrecht mit. Nach dem Gewaltausbruch wurden weitere Einsatzkräfte hinzugezogen, insgesamt waren am Donnerstagabend 130 Polizisten rund um das Spiel im Einsatz.

Die Beamten verzichteten darauf, im Galatasaray-Block Stellung zu beziehen oder anderweitig massiv einzugreifen. Dass die Fans fast das komplette Spiel über auf den Klappsitzen hüpften und erhebliche Schäden anrichteten, wurde dabei in Kauf genommen. Anschutz-Sprecher Hillebrand beziffert den Sachschaden auf 30 000 bis 35 000 Euro: „Rund 70 Prozent der Sitze in den Blöcken der Galatasaray-Fans sind kaputt.“ Alle Verantwortlichen verzichten bislang bewusst darauf, Fehler in der Organisation klar zu benennen. „Schuldzuweisungen bringen nichts“, sagte Hillebrand. „Wir müssen eine neue Risikobewertung finden.“

Auch die Euroleague beschäftigt sich mit den Vorfällen und hat ein Disziplinarverfahren eingeleitet. „Wir dürfen nicht in Panik verfallen und von einem generellen Problem sprechen“, heißt es aus der Ligazentrale in Barcelona. Über mögliche Strafen wolle man nicht spekulieren, die Euroleague kündigte aber eine schnelle Entscheidung an. Die Chance, es besser zu machen, bietet sich für alle Beteiligten schon am kommenden Donnerstag. Dann ist mit Roter Stern Belgrad der nächste Klub mit potenziell problematischer Klientel zu Besuch in Berlin.

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